Neue Ausgliederungsrunde

Bauer-Konzern: Letzte Tarifarbeitsplätze in Magdeburger Volksstimme beseitigt

Bei der zum Hamburger Bauer-Konzern gehörenden Magdeburger Volksstimme hat eine neue Ausgliederungsrunde mit dramatischen Gehaltseinbußen für die Mitarbeiter begonnen. Nach Angaben des Betriebsrates hat die Unternehmensleitung am 23. Januar angekündigt, die Mantelredaktion zum 31. Januar aufzulösen. Den rund 25 Redakteurinnen und Redakteuren sollen Aufhebungsverträge und Arbeitsplätze in drei neu gegründeten Volksstimme-GmbHs angeboten werden.

Mit dem Wechsel sollen die Redakteure so genannte Abschmelzungsverträge unterschreiben, mit denen sie auf bis zu 40 Prozent ihrer Gehälter verzichten – bei gleicher Arbeit. Wer nicht unterschreibt, dem droht die Kündigung.
Nach diesem unsozialen Muster hatte die Unternehmensführung in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits die 18 Lokalredaktionen der Volksstimme zunächst vom Mutterunternehmen abgespalten und anschließend schrittweise umstrukturiert. Bei den Arbeitsgerichten sind zahlreiche Klagen gekündigter Volksstimme-Mitarbeiter anhängig. Vor zwei Jahren war die firmeneigene Volksstimme-Druckerei geschlossen und durch eine mit deutlich schlechter bezahlten Leiharbeitern betriebene Fremdfirma ersetzt worden.

Karikatur: Reinhold Löffler
Karikatur: Reinhold Löffler

Die Volksstimme wird zurzeit von mehr als vierzig Mini-GmbHs produziert und vertrieben. Nur noch die jetzt vor der Aufsplitterung stehende Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH (MVD) verfügt über einen Betriebsrat. Auf Forderungen des Betriebsrates, einen verhandlungsfähigen Sozialplan für ausscheidende Mitarbeiter vorzulegen, hat die Geschäftsführung bislang nicht reagiert. Der Betriebsrat hat deshalb jetzt beim Arbeitsgericht Magdeburg ein Verfahren eingeleitet, um einen Sozialplan notfalls zu erzwingen.
„Die erneute Ausgründung ist der traurige Schlusspunkt einer fatalen Entwicklung bei der Volksstimme hin zu einem Billigbetrieb á la Schlecker. Guter Journalismus ist damit auf Dauer nicht zu machen. Diese Unternehmenspolitik schwächt die Qualität der Zeitung und gefährdet somit langfristig Arbeitsplätze. Dabei hätte der Bauer-Konzern dies überhaupt nicht nötig. Die Volksstimme ist eine gutgehende Regionalzeitung die Jahr für Jahr satte Gewinne an die Hamburger Konzernzentrale abführt“, erklärte Uwe Gajowski, Landesvorsitzender des DJV Sachsen-Anhalt.
„Lohndumping ist in jedem Betrieb eine grobe Ungerechtigkeit“, sagte Michael Kopp, Fachbereichsleiter Medien in ver.di/dju „Wenn aber ausgerechnet eine Tageszeitung, die auf soziale Missstände in anderen Betrieben aufmerksam machen sollte, gegen ihre eigenen Mitarbeiter mit solchen Mitteln vorgeht, verliert sie jeden Anspruch, als moralische Kontrollinstanz der Gesellschaft zu fungieren. Dies erst recht, wenn unter Ausnutzung von Gesetzeslücken Unternehmensstrukturen so gestaltet werden, dass die Bildung von mitbestimmungsfähigen Betriebsräten faktisch unmöglich wird und Journalisten in eine rechtlose und wehrlose Lage gebracht werden. Diesem sogenannten Klassenkampf mit dem Handelsregister muss die Politik schnellstens einen Riegel vorschieben, ehe das Beispiel Volksstimme bundesweit Schule macht.“ Gajowski und Kopp forderten die Volksstimme-Führung auf, schnellstens einen Sozialplan zu verhandeln, um nicht den letzten Rest an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu verlieren.

Aussperrung

Durch den rücksichtslosen Umgang der Geschäftsführung mit Gewerkschaftern und Betriebsräten habe das Image der Zeitung bereits im vergangenen Jahr erheblichen Schaden genommen. Haltlose Abmahnungen und Gehaltskürzungen für Betriebsratsmitglieder und Informationsverweigerung gegenüber der Arbeitnehmervertretung gehörten nach Angaben des Betriebsrates zur Tagesordnung. Vorläufiger Höhepunkt dieser Aktivitäten war die Aussperrung des DJV-Landesvorsitzenden Uwe Gajowski am 13. November 2012, als dieser an einer angemeldeten Betriebsratssitzung bei der Magdeburger Volksstimme teilnehmen wollte.
Der DJV hatte nach diesem Vorfall Strafanzeige gegen Volksstimme-Geschäftsführer Klaus Lange und Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit (§119 Betriebsverfassungsgesetz) erstattet. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen beide eingeleitet (Az: 624 Js 37239/12).

PM/Red.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »