… Honorarkosten für eine Seite? – Sparen auf Kosten der Freien – und der Qualität
Ausgerechnet eine Zeitung, die sich öffentlich gerne zum Qualitätsjournalismus bekennt, scheint nun den Vorreiter beim Abbau journalistischer Standards machen zu wollen. – Die Tatsache, daß das Füllen leidiger weißer Flächen zwischen Anzeigen Geld kostet, sobald dort gute Artikel und Fotos stehen sollen, gerät bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) immer weiter aus dem Blickfeld der Verlagsleitung.
Obwohl ihr nicht entgangen sein dürfte, daß insbesondere im lokalen Bereich Freie den größten Teil der Texte produzieren, fährt sie beständig fort mit ihrem radikalen Sparkurs gegenüber Freien. – Nach den drastischen Honorarkürzungen der letzten Jahre beginnt sie nun offenbar, sich vor allem der als zu teuer eingeschätzten freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entledigen.
Insbesondere langjährige Freie müssen bei der SZ um ihre Jobs bangen: Ihre Arbeit wird zunehmend auf schlechter bezahlte Freie verlagert oder durch Arbeitsverdichtung der Angestellten ersetzt. Gerade bekamen neben drei pauschal bezahlten Freien verschiedener Auslandsredaktionen zwei langjährige Freie der Redaktion Fürstenfeldbruck ohne Vorwarnung ihre Kündigung. – Einer war sechs, der andere weit über zehn Jahre in dieser Außenredaktion beschäftigt. Daß es bei dem Rauswurf kaum um die Qualität der Berichterstattung geht, zeigt ein Schreiben, das der Bürgermeister und alle Fraktionen der Gemeinde Gröbenzell an den Süddeutschen Verlag (SV) schickten. Dem für die Gemeindeberichterstattung bislang zuständigen Kollegen wird darin bescheinigt: „Nach unserer Einschätzung war er der bisher beste Redakteur für den Raum Gröbenzell. Hervorzuheben sind sein Sachverstand, seine Objektivität und sein journalistisches Fingerspitzengefühl. (…) Wir bedauern es außerordentlich, wenn ein dermaßen versierter Redakteur Ihr Blatt verlassen müßte und bitten Sie, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken.“
Tauchstation
Auch wenn Sachverstand und Objektivität auch bei der SZ noch nicht als Kündigungsgrund angeführt werden, dürften sie doch eine große Rolle beim Rauswurf spielen: Der Preis einer solchen Berichterstattung ist dem SV offenbar zu hoch. Und es dürfte kein Zufall sein, daß der Rauswurf jene traf, für die noch sogenannte „Altverträge“ existieren. Verträge aus besseren SZ-Zeiten, die Pauschalistinnen und Pauschalisten halbwegs akzeptable Honorare für ihre de facto Redakteursarbeit zugestehen. Verlassen kann sich die Verlagsleitung in ihrem Sparwahn leider immer noch auf die meisten Kolleginnen und Kollegen, die die gleiche Arbeit als Angestellte verrichten: Sie gehen in Freienfragen auf Tauchstation. Statt sich bei zumindest bei den Freientreffen, zu denen sie ebenfalls eingeladen werden, zu informieren, geben sie die Sparvorgaben der Vertragsleitung weitgehend klaglos an die Freien weiter.
Verlagsrendite
Das eigentliche Problem aber sind natürlich diese Vorgaben. Sie halten sich, wie im Hause kursierende Redaktionsanweisungen zeigen, immer seltener mit journalistischen Fragen auf und kommen unverblümt zur Sache: der Verlagsrendite. So werden die Redaktionen beispielsweise mit der Zwangsvorstellung der Betriebswirtschaftler bezüglich der Seitenkosten konfrontiert. 200 Mark bilden nach Redaktionsberichten offenbar die Obergrenze. Die Erfüllung dieses Preisdiktats, so die Redaktionen, treibe die Zeitung dabei oft an die Grenze der Seriosität: Eine Parteipressemitteilung ersetzt da schon mal den lange recherchierten, parteikritischen Bericht eines Freien, da Journalismus den diktierten Seitenpreis gesprengt hätte.
Bumerang
Die Verlagspolitik, die Freienkosten zu senken, könnte sich aber auch zum Bumerang entwickeln: Gegenwehr der Freien und sinkendes Ansehen der Zeitung können langfristig weit mehr kosten, als der Druck auf den Freien einbringt. So bekam der Süddeutsche Verlag (SV) von den beiden Fürstenfeldbrucker Kollegen inzwischen Kündigungsschutzklagen übersandt, die weit über die aktuellen Fälle hinaus Bedeutung erlangen dürften. – Auch bei der SZ sind die meisten Freien, wie es die mit IG-Medien-Rechtsschutz erstellte Klageschrift ausdrückt, „nicht – wie die Beklagte meint – arbeitnehmerähnlich, sondern Arbeitnehmer“. Sie sind in den Betrieb eingegliedert, an Arbeitszeiten gebunden und auch in bezug auf den Arbeitsort abhängig vom Gusto der Redaktionen.
Rechtsweg
Neben dem Rechtsweg hat die Verlagsleitung eine weitere Schwierigkeit zu gegenwärtigen: Die Leserinnen und Leser sollen wie die angestellten Kolleginnen und Kollegen demnächst über die schlimmsten Auswüchse der Profitlogik im SV aufgeklärt werden. Der SZ-Freien-Arbeitskreis und die IG-Medien-Freienberatung planen derzeit eine entsprechende Informationskampagne, da vorangegangene Auseinandersetzungen gezeigt haben, daß der Verlag Einblicke in die Haus- und Sparpolitik scheut. Kein Wunder: geht der SV doch liebend gerne mit der SZ-Qualität hausieren. So versicherte er zum Jahreswechsel in ganzseitigen Anzeigen, es gehe um die „berechtigten Ansprüche der SZ-Leser an ihre Zeitung“. Worum es tatsächlich geht, verraten aktuelle, etwas kleinere Anzeigen im Blatt. Unter dem Motto „Hier kommt Werbung an“ preisen sie die Lokalteile nur noch als Werbeumfeld. – Journalistische Qualität gehört hier ehrlicherweise nicht mehr zu den Argumenten für die Zeitung.