Warum geben Buchautoren honorarfrei Interviews?
Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein
Seit Marcel Reich-Ranicki den Bildschirm geräumt hat, ist beim Fernsehen eine Stelle neu zu besetzen: die des Oberkritikers. In diese Lücke stoßen kommerzielle wie öffentlich-rechtliche Sender mit neuen Formaten.
Phoenix lässt „Schrifttypen“ interviewen, von renommierten Journalisten wie Nicola Brüning von „Focus“ und Stephan-Andreas Casdorff vom „Tagesspiegel“, n-tv schickt die Atze-Brauner-Tochter Alice mit „Seite 17“ ins Quotenrennen. Das Buch, sogar das politische, erlebt im Fernsehen Beachtung, und auch kommerzielle Radiosender greifen gern auf „freie“ Autoren zurück, wenn der von ihnen portraitierte Politiker in einen Skandal verwickelt ist oder sich anschickt, Bundeskanzler zu werden.
Kein lukrativer Markt
Das ist erfreulich, denn für meinesgleichen entsteht ein neuer Markt – allerdings kein sehr lukrativer. Denn die Wertschätzung für Bücherschreiber beruht in erster Linie auf deren Dummheit: Die meisten verschleudern ihre Kompetenz bereitwillig und vor allem kostenlos. Die Radio- und Fernsehunternehmer freuen sich: Ein freier, eitler Schreiber ist billiger als ein fest angestellter Korrespondent. Während nämlich Redakteure, Moderatoren, Kameraleute und Techniker selbstverständlich honoriert werden, tragen Buchautoren sich und ihr Wissen zu Markte wie Sauerbier, erscheinen meist überpünktlich und nach dem Motto: dabei sein ist alles.
Weshalb das Kriechen? Warum sollen Münchner Schickeriaschneider mit Schnauzer und die Ehefrauen wiedererweckter Junker ohne Geist für ihre Präsenz Tausende von Euro einstreichen, während ein Autor, der monate- oder jahrelang mit seinem Thema gerungen hat, im Extremfall sogar die Taxirechnung zum Studio aus der eigenen Tasche bezahlen soll? (Tatsächlich finanzieren ja große Verlage inzwischen solche Sendungen mit und schaffen sich so ihr Werbeumfeld.)
Mehr Selbstbewusstsein! Wir bieten ein profundes Wissen (deshalb werden wir eingeladen), haben gelernt, vor Kamera und Mikrofon angstfrei zu reden (was sich herumspricht) und ziehen, wennÕs sein muss, ein ansonsten ungeliebtes Jackett an (das wir nur in solchen Fällen nutzen, dessen Kosten wir aber nicht einmal von der Besteuerung absetzen dürfen). Die Kolleginnen und Kollegen wollen also etwas von uns, nur vergessen sie meistens, die Kontonummer zu erfragen. Ich frage inzwischen selbst. Die Antworten sind vielfach ebenso erheiternd wie ernüchternd: Honorar? „Ich dachte, das machen die Verlage“, redet sich der eine aus der Affäre, „dafür haben wir keinen Etat“ die andere. Ich habe mir für derartige Fälle inzwischen eine Standardantwort zurecht gelegt: „Dann habe ich keine Zeit.“
Ich meine, mit gutem Recht. Denn die Moderatoren wollen nicht über meine Bücher reden, wie die Redakteure meist schlitzohrig behaupten, sondern über deren Gegenstand – in meinem Fall also über Edmund Stoiber oder die Burdas. Oder über weit zurückliegende Veröffentlichungen, etwa wenn die Lotterien wieder eine neue Idee aushecken, wie sie mit ihren Volkswetten den Leuten das Geld aus den Taschen ziehen, das dann in anderen verschwindet.
Angebot und Nachfrage
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich helfe Kollegen gern und jederzeit mit Telefonnummern und Tipps für Gesprächspartner aus. Das ist, was Kaufleute unter einem Geschäft auf Gegenseitigkeit, Journalisten als Gefälligkeit unter Kollegen verstehen. Die Kaufleute unter den Journalisten aber wollen alles und geben nichts: „Aber das ist doch Werbung für Ihr Buch“, versuchen es hartnäckige und geschickte Unterhändler schließlich, selbst wenn das Buch, das das Fachwissen des Autors belegt, schon vor drei Jahren erschienen oder gar nicht mehr zu haben ist. Ausgerechnet die Keiler kommerzieller Sender zeigen sich dabei am knickerigsten, als hätten sie die Regeln des Markts vergessen. Angebot und Nachfrage, liebe Kollegen. Wenn ihr mich braucht, muss die Leistung auch bezahlt werden. Als kostenloser Gesprächspartner stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Ich brauche meine Zeit für das nächste Buch. Schließlich lebe ich davon.