Outsourcing auf dem Prüfstand

Radio Bremen verhandelt mit Bavaria über Tochter Bremedia

Monatelange Proteste bis hin zum Warnstreik konnten nicht verhindern, dass Radio Bremen (RB) vor gut fünf Jahren seine komplette Hörfunk- und Fernsehproduktionstechnik in eine neue Tochterfirma auslagerte – das wohl weitestgehende Outsourcing in der ganzen ARD. Inzwischen räumt auch der Sender ein, dass nicht alles so läuft wie gewünscht. Deshalb wird jetzt über Nachbesserungen verhandelt.

„Es rechnet sich nicht“, hatte RB-Personalratschef Bernd Graul (ver.di) schon 2004 gewarnt, als der damalige Intendant Heinz Glässgen die Ausgliederung in die Wege leitete. Allen Bedenken zum Trotz ging 2006 die neue Firma namens Bremedia in Betrieb – eine gemeinsame Tochter von Radio Bremen (49 Prozent) und Münchener Bavaria-Film (51 Prozent). Knapp 150 RB-Beschäftigte, fast ein Drittel der damaligen Senderbelegschaft, wechselten zur Bremedia. Ihr Gehalt blieb das alte. Aber alle seitdem neu Eingestellten – bis heute rund 70 – bekommen laut Personalrat fast ein Drittel weniger. So will der finanzschwache Sender schrittweise Kosten einsparen. Außerdem soll die Bavaria Fremdaufträge nach Bremen holen und damit für eine bessere Auslastung sorgen.
Nach fünf Jahren hat der neue Intendant Jan Metzger die Bremedia auf den Prüfstand gestellt. Eine Projektgruppe, an der auch Belegschaftsvertreter beteiligt waren, kam dabei zu einem ernüchternden Ergebnis. Laut Personalrat brachte die partielle „Tarifflucht“ im vergangenen Geschäftsjahr gut 900.000 Euro Ersparnis. Dem gegenüber stünden aber 1,3 Millionen Euro Mehrausgaben, vor allem durch zusätzliche Mehrwertsteuer und durch Zahlungen an die Bavaria: Sie erhalte jedes Jahr 20 Prozent Zinsen auf ihr Startkapital und fast 450.000 Euro Konzernumlage – „egal ob die Bremedia Gewinn macht oder nicht.“ Und den machte sie im untersuchten Geschäftsjahr offenbar nicht: Laut Personalrat endete es mit 380.000 Euro Minus.
Fazit der Belegschaftsvertretung: „Ohne die Bavaria könnten wir viel Geld sparen.“ Deshalb neigt der Personalrat zu dem Modell, dass sich RB von den Münchenern trennt und die Bremedia als komplett eigene Tochterfirma betreibt.
Intendant Metzger schließt diese Lösung nicht aus. Zunächst aber verhandelt er mit der Bavaria über Nachbesserungen bei der bisherigen Konstruktion. „Wir wollen möglichst günstige Konditionen für Radio Bremen erreichen, damit die Bremedia uns möglichst schnell auch finanziellen Nutzen bringt“, so Metzger zu M. Dazu gehöre auch, dass die von der Bavaria nach Bremen gelotsten „fiktionalen Fremdgeschäfte“ profitabler werden müssten. Außerdem erwarte der Sender von diesen Aufträgen spürbare Beschäftigungseffekte.
Metzger findet, dass die Verhandlungen mit der Bavaria „auf gutem Wege“ seien. Die für den Herbst erwarteten Ergebnisse müssten dann mit dem Alternativmodell abgewogen werden, nämlich der 100-prozentigen RB-Tochter – die sich „natürlich nicht über Nacht und ohne Weiteres“ realisieren ließe.
Auf jeden Fall schauen auch die anderen ARD-Anstalten interessiert auf den Ausgang der Bremer Verhandlungen. Denn nicht nur an der Weser ist Outsourcing ein Dauerthema.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Problem mit der Leidenschaft“

Lena Hipp ist Professorin für Soziologie an der Universität Potsdam und leitet die Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Mit M sprach sie über „Gute Arbeit“, Stressoren im Journalismus und weshalb die Trennung von Arbeit und Privatleben für Medienschaffende so wichtig ist.
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »

Media Hub Riga: Ein sicherer Ort

Wer den Media Hub Riga besuchen will, bekommt vorab von Leiterin Sabīne Sīle die Anweisung, die Adresse nicht weiterzugeben und keine Fotos zu machen, die seine Lage preisgeben. Drinnen wartet die alltägliche Atmosphäre eines Büros. Der Media Hub wirkt wie ein gewöhnlicher Co Working-Space – nur freundlicher. An den Wänden hängen Fotos von lächelnden Menschen am Strand, eine Girlande aus Orangenscheiben schmückt den Flur. Luftballons, auf denen „Happy Birthday“ steht, zeugen von einer Geburtstagsparty.
mehr »