Privatfunk-Arbeitgeber sagen Spitzengespräch mit den Gewerkschaften kurzfristig ab

Konflikt um Lohnfortzahlung

Ein für den 19. November 1996 in Frankfurt verabredetes Spitzengespräch zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern des privaten Rundfunks ist von den Arbeitgebern kurzfristig abgesagt worden.

Als Grund für die kurzfristige Absage nannte der Tarifverband Privater Rundfunk (TPR) eine Information der IG Medien und der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). In der Veröffentlichung hatten DAG und IG Medien die Arbeitgeber davor gewarnt, durch Tarifvertragsbruch bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall den Betriebsfrieden in den Privatfunkunternehmen zu riskieren und die hohe Motivation der im Privatfunk beschäftigten Mitarbeiter leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Der vorschnelle Aktionismus mancher Geschäftsführungen habe für Unruhe in den Belegschaften gesorgt, so Peter Völker vom Hauptvorstand der IG Medien. IG Medien und DAG waren zuvor nach umfangreicher rechtlicher Prüfung im Gegensatz zu den Arbeitgebern zu dem Ergebnis gelangt, daß die bestehende tarifvertragliche Regelung nicht durch die gesetzliche Neuregelung tangiert wird. Dadurch, so der TPR, sei das Gesprächsklima „in unerträglicher Weise“ belastet worden.DAG und IG Medien äußerten in Frankfurt Unverständnis über die kurzfristige Absage der Arbeitgeber. Wenn Spitzengespräche Sinn machten, dann in der jetzigen Situation. Die Bereitschaft zu solchen Gesprächen aber daran zu knüpfen, daß die Gewerkschaften zuvor – wie in Frankfurt verlangt – von ihren Erklärungen abrücken, führe in eine Sackgasse. „Damit ist weder den Betrieben noch den Beschäftigten gedient“, meinten unmittelbar nach der Absage Manfred Moos vom Hauptvorstand der IG Medien in Stuttgart und Christian Holz von der DAG-Zentrale in Hamburg.Möglicherweise, so die beiden Gewerkschaftsvertreter, seien die Privatfunk-Arbeitgeber auch Opfer ihrer Nibelungentreue geworden: „Wer sich bei einem Krankenstand von maximal zwei Prozent in Sachen Kürzung der Lohnfortzahlung vor den Karren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber und der Bundesregierung spannen läßt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Beschäftigten des privaten Rundfunks und ihre Gewerkschaften auch bereits vor einem Spitzengespräch Flagge zeigen.“

Jour fixe mit Betriebsräten des privaten Rundfunks

Am 31. 10. 1996 hatten sich 24 Betriebsräte in Frankfurt zu einem von der IG Medien organisierten Seminar und Erfahrungsaustausch zur Entgeltfortzahlung getroffen, nachdem der TPR in einem Rundschreiben an seine Mitgliedsunternehmen die Anwendung des Gesetzes empfohlen hatte. Nach den Berichten der Betriebsräte ist kein einheitliches Vorgehen der Arbeitgeber erkennbar. Während einige Sender den Gehaltsabzug ab 1. 10. 1996 bereits vollziehen, warten offensichtlich die meisten Unternehmen die Entwicklung in den anderen Tarifgebieten erst einmal ab und haben die Durchführung der Maßnahme für den 1. 1. 1997 angekün-digt. Bei Pro 7 gibt es eine Zusage des Geschäftsführers, die 100% für die im Unternehmen befindlichen Arbeitnehmer unbefristet weiterzuzahlen. Bei Kanal 4, Köln, gelang es, eine 100%-Regelung in einem Haustarifvertrag zu verankern. In fast allen Sendern waren die Betriebsräte in unterschiedlicher Form, teilweise auf Drängen der Belegschaft, aktiv geworden.Die Betriebsräte schlossen sich der von der IG Medien in einem Gutachten der Rechtsabteilung niedergelegten Rechtsposition, daß die MTV des TPR und der Tarifgebiete Bayern, Baden-Württemberg und NRW eine 100%ige Zahlung des Entgelts im Krankheitsfalle sicherstellen, an (Die Stellungnahme kann bei den Landesbezirken der IG Medien oder beim Hauptvorstand – Fax 0711/ 2018199 – bezogen werden).In diesen Betrieben sollen die Arbeitnehmer hierüber durch Aushang der Betriebsräte informiert werden und in den Fällen, in denen Abzüge bei Krankheit vom Arbeitgeber getätigt wurden, ihre Ansprüche mit dem von der IG Medien entwickelten Muster anmelden. Vor einer Klage auf Ausgleich durch den Arbeitgeber sollen auf jeden Fall die Gewerkschaften kontaktiert werden, um Unterstützung und Koordination sicherzustellen. In den nicht tarifgebundenen Betrieben sollen in Kontakt mit den Gewerkschaften entweder Haustarifverträge oder, trotz Tarifvorbehalts nach (section) 77 Abs. 3 BetrVG, Betriebsvereinbarungen angestrebt werden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »