Proteste gegen Niedriglöhne

Britische Gewerkschaften im Tarifkampf

Lokaljournalismus ist in Großbritannien ein Niedriglohnsektor. Selbst erfahrene Journalisten bekommen neben Newcomern wenig Geld für ihre Arbeit. Die Gewerkschaft ringt um neue landesweite Tarifverträge.

Montag morgen, du bist auf dem Weg zur Arbeit. Du fährst schwarz U-Bah,n weil du kein Geld hast, um dir ein Ticket zu kaufen. Du schleppst über 10.000 Pfund Schulden aus deiner Universitätszeit mit, die Studiengebühren. Du verdienst 12.000 Pfund pro Jahr, du arbeitest 40 Stunden pro Woche. Manchmal erheblich mehr. Ein Manager in Ausbildung bei McDonalds verdient 20.000 Pfund pro Jahr. Dein Job? Journalist in Ausbildung bei einem multinationalen Medienunternehmen. Du verdienst 35% weniger als dein Kollege bei McDonalds.

Dies ist eine wahre Geschichte aus dem britischen Medienalltag. Die oben beschriebenen Zahlen wurden im Jahr 2004 von der National Union of Journalists (NUJ), der britischen Mediengewerkschaft veröffentlicht. Sie beschreiben die Zustände für die Beschäftigten der Newsquest Zeitungsgruppe. Newsquest betreibt vor allem Lokalzeitungen und ist Bestandteil des multinational agierenden US-amerikanischen Gannet Imperiums. Bei Newsquest angestellte Journalisten mit 12-jähriger Arbeitserfahrung verdienen nur 16.000 Pfund pro Jahr. Zum Vergleich: Lehrer verdienen fast das Doppelte. Im Jahr 2002 machte Newsquest 70 Millionen Pfund Profit.

„Die britischen Medienbosse in Großbritannien sind echte Geizhälse die jeden Pfennig einzeln umdrehen“, grollt Miles Barter, der NUJ-Hauptamtliche für Nordengland. Und doch gibt er sich zuversichtlich und zufrieden. „Im Jahr 2000 trat ein neues Gesetz in Kraft, welches Arbeitgeber zwingt, Gewerkschaften anzuerkennen, sobald diese über 50 Prozent der Belegschaft organisiert haben. Wir haben dieses Gesetz sofort genutzt, haben vor allem bei zu Newsquest gehörenden Lokalzeitungen die gewerkschaftliche Anerkennung durchgesetzt und konnten erfolgreich einige Streiks durchführen, die auch zu deutlichen Lohnerhöhungen führten. Im letzten Jahr haben wir begonnen dies auszuweiten, in dem wir bei allen zu Newsquest gehörenden Titeln die selbe Gehaltserhöhung fordern und somit versuchen, die Gehälter innerhalb der gesamten Firma zu vereinheitlichen und zu erhöhen.“

Auf dem diesjährigen Kongress der NUJ im April in Scarborough wurde beschlossen, mit dem Kurs für landesweit geltende Tarifverträge fortzufahren. Dies ist ein wichtiger Schritt vorwärts für die NUJ denn, wie Miles Barter erklärt, „in den 80er und 90er Jahren haben die Unternehmer, bestärkt durch den antigewerkschaftlichen Kurs der Thatcher Regierung, die meisten Verträge mit uns aufgekündigt und versucht, uns zu zerschlagen.“ Dass dieser Versuch gescheitert ist, belegen die Statistiken. Die NUJ verzeichnet seit 5 Jahren steigende Mitgliederzahlen. Als nächstes soll die Kampagne direkt zu den Bossen getragen werden. Am 17. Mai treffen sich die britischen Zeitungsverleger zum gemeinsamen Mittagsmahl in London. Die NUJ wird mit Hunderten von Journalisten auch dort sein.

Christian Bunke, freier Journalist in Manchester, Sekretär der NUJ-Ortsgruppe

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Tarifergebnis im ZDF nach Warnstreiks

Erstmalig in der ZDF-Geschichte hat es zwei Warnstreiks gebraucht, um das ZDF in der siebten Verhandlungsrunde schließlich zu  einem verbesserten Eckpunktepapier zu bewegen. Wie die Gewerkschaft ver.di in einer aktuellen Tarifinformation mitteilte, konnte man sich über die Erhöhung des Festbetragsmodells, Inflationsprämien und Mobilitätszahlungen einigen. Auch für Freie und Azubis wurden Verbesserungen erzielt. Mit den beschlossenen Auszahlungen ist ab Juni zu rechnen. Jetzt sind die Mitglieder gefragt, über dieses Ergebnis bis zum 4. April abzustimmen.
mehr »

Neues Mediengesetz in der Ukraine tritt in Kraft

Am 31. März tritt in der Ukraine ein Gesetz in Kraft, das die Tätigkeit der Medien neu reguliert. Das neue Mediengesetz, so das Portal des ukrainischen Parlamentes, werde mehrere „veraltete” Gesetze ersetzen, darunter die Gesetze zum Nationalen Rat der Ukraine für Fernsehen und Rundfunk, zu den Printmedien und den Nachrichtenagenturen, zu Verfahren der Berichterstattung über die Tätigkeit der staatlichen Behörden und lokalen Selbstverwaltungsorgane in der Ukraine durch die Massenmedien und zum Schutz der öffentlichen Moral. Kritiker*innen fürchten um die Unabhängigkeit der Medien.
mehr »

Tarifeinigung bei Zeitschriften

Für die Redakteur*innen von Zeitschriften gibt es ab April mehr Geld. In der sechsten Verhandlungsrunde am 23. März in Hamburg wurde zwischen ver.di und dem DJV mit dem Medienverband der Freien Presse (MVFP) ein Tarifergebnis mit rund acht Prozent mehr erreicht. Die Entgelterhöhung für die rund 5000 Redakteur*innen und Volontär*innen setzt sich zusammen aus 4,4 Prozent Tariferhöhung ab April und einer Festbetragserhöhung von 125 Euro ab März 2024. Die Volontariatsvergütung steigt dann um 100 Euro. 
mehr »

Zwölf Jahre Lager für Journalistinnen

Zwei leitende Journalistinnen des belarussischen Internet-Nachrichtenportals tut.by wurden in Minsk zu je zwölf Jahren Straflager verurteilt. Die Schuldsprüche ergingen am 17. März 2023 gegen Chefredakteurin Maryna Zolatava und Geschäftsführerin Ljudmila Tschekina, wie Reporter ohne Grenzen (RSF) jetzt informierte. Tut.by war bis zu den Massenprotesten gegen Diktator Alexander Lukaschenko im August 2020 das größte unabhängige Medienunternehmen in Belarus und die wichtigste Nachrichtenseite des Landes.
mehr »