Ulrike Fürniß sitzt seit neun Jahren im NDR-Rundfunkrat
„Zwei mal im Jahr gab es bei ihm zu Hause Chili con Carne und natürlich einen guten Wein dazu.“ Und vor allem Gespräche, Gespräche, Gespräche. Noch in der Erinnerung an diese Abende bei ihrem Vertrauensprofessor leuchten die Augen von Ulrike Fürniß. Denn ihr Professor an der Hamburger Universität war der Politikwissenschaftler Hans Kleinsteuber, der seit 1982 auch Journalistik und Kommunikationswissenschaft lehrt. Es ist eine Bewunderung und Hochachtung, die bei so vielen ehemaligen Kleinsteuber-Studenten noch heute anzutreffen ist.
Als Böckler-Stipendiatin studierte Fürniß fünf Jahre lang Wirtschaftsgeschichte, Italienisch und Journalismus. Bis 1990, jenem Jahr als von ihrem Vertrauensprofessor das Buch „Radio und Fernsehen in der Bundesrepublik. Erfahrungen und Ansätze für eine gewerkschaftliche Politik“ erschien. Ein Buch, das den Blick der Journalistin und späteren Gewerkschaftssekretärin sicherlich geschärft hat und eine gute Grundlage für ihre Tätigkeit als NDR-Rundfunkrätin ist, einem Gremium, in dem sie seit 2000 für den DGB Landesbezirk Nord sitzt, mittlerweile als stellvertretende Vorsitzende.
1974 trat die ehemalige Industriekauffrau und Broscheck-Betriebsrätin in die Gewerkschaft, die damalige IG Druck und Papier ein. Drei Jahre später flog sie, die aktives Mitglied im KB, dem Kommunistischen Bund war, wieder raus. „1982 wurde ich wieder aufgenommen. Und“, erinnert sie sich lachend, „Detlef Hensche hat sich später bei mir persönlich entschuldigt.“
Nach ihrem Studium begann für das dju-Mitglied bei der Bergedorfer Zeitung, dem NDR in Kiel und der Filmförderung Hamburg die Zeit als „Generation Praktikum“, ein Begriff, den es damals zwar noch nicht gab, der aber durchaus schon bittere Realität war. Aber es gab auch schon die gewerkschaftliche Frauen-Power. Fürniß: „Uwe Körner war hier Landesvorsitzender der IG Medien und sagte eines Tages: Ich werde keine Männer mehr einstellen.“ Also wurde Ulrike Fürniß Sekretärin für den Medienbereich, später dann stellvertretende Landesvorsitzende.
Seitdem liest sich ihre medienpolitische Vita wie folgt: Mitglied der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen in Schleswig-Holstein (ULR), Mitglied im Filmverband Mecklenburg-Vorpommern, im Vorstand des Kulturrats Mecklenburg-Vorpommern, Medienkommission der IG Medien, Filmförderanstalt des Bundes, Kuratoriumsmitglied der Akademie für Publizistik in Hamburg und natürlich im NDR-Rundfunkrat und dem Landesrundfunkrat Hamburg.
Selbstständige Prüfungsaufgaben
Locker referiert Ulrike Fürniß aus dem NDR-Staatsvertrag: zum Beispiel der Programmauftrag, der „der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen“ und „die Vielfalt seiner Regionen, ihrer Kultur und Sprache“ zu berücksichtigen habe; oder die Programmgrundsätze, die „für die Friedenssicherung und den Minderheitenschutz eintreten, die Gleichstellung von Mann und Frau unterstützen und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen.“
Darauf zu achten, das seien Schwerpunkte. „Aber“, so betont die Rundfunkrätin, „die Programmhoheit liegt beim Intendanten. Der Rundfunkrat darf nicht im vornherein tätig werden, sondern nur im Nachhinein bewerten. Das wäre ja sonst Zensur, das ist der Unterschied von Kontrolle und Zensur.“ Dennoch habe sich in den vergangenen Jahren einiges verändert, habe „ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Eine Gängelung findet nicht mehr statt. Der Rundfunkrat hat jetzt selbstständige Prüfungsaufgaben und die Räte übernehmen Entscheidungen.“
Mit Inkrafttreten des 12. Rundfunkstaatsvertrages zum 1. Juni werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten dazu verpflichtet, ihre Online- und Telemedienangebote dem „Drei-Stufen-Test“ zu unterziehen. Zu prüfen ist, inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht, in welchem Umfang das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und welcher finanzielle Aufwand dafür erforderlich ist (siehe auch: M 06–07.2009). Rundfunkrätin Fürniß: „Dieser Drei-Stufen-Test ist ein Ergebnis der permanenten Angriffe des VPRT, des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ein Machtangriff, um den Öffentlich-Rechtlichen kleinzukriegen.“ Aber hier sei auch eine Chance für die Kontrollgremien: „Jetzt ist der Rundfunkrat selbst Handelnder und hat eine eigene Handlungskompetenz. Wir arbeiten selbstständig und entscheiden, tragen somit eine erhöhte Verantwortung.“ Und in dieser Verantwortung sieht sich die 56jährige Großmutter von vier Enkelinnen: „Es gibt die Gefahr, dass der Öffentlich-Rechtliche die Jugendlichen abhängt. Und deshalb muss im Internetbereich nicht nur Berichterstattung stattfinden, sondern es müssen auch eigene Beiträge rein.“
Das wäre eigentlich ein schöner Schluss für das Gespräch mit der NDR-Rundfunkrätin, aber so leicht lässt Ulrike Fürniß einen nicht weg. Schließlich ist sie ja auch noch Gewerkschaftsfunktionärin, zuständig als Sekretärin für Selbstständige. Und da ist gerade ein großes Paket von der ver.di-Zentrale aus Berlin bei ihr angekommen: Flyer, Prospekte, Plakate – alles Informationen für Solo-Selbstständige. Also legt sie auf den Rundfunkstaatsvertrag gleich noch einen ordentlichen Schwung drauf: Flyer, Prospekte und Plakate, denn die gilt es zu verteilen – auch bei den Freien im NDR.