Schuss nicht gehört: Verhandlung vertagt

Stuttgart 2018: Klare Ansage auf dem Schlossplatz bei der Streikkundgebung.
Foto: Martin Storz / Graffiti

Die dritte Verhandlungsrunde für die rund 13.000 Journalistinnen und -journalisten an Tageszeitungen ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Das magere Angebot der Arbeitgeber wurde nicht maßgeblich verändert – für die Beschäftigten eine Motivation zu weiteren Aktionen. Seit vergangenen Freitag fanden in mehreren Bundesländern Streiks statt.  

Matthias von Fintel spricht auf dem Stuttgarter Schlossplatz
Foto: Martin Storz / Graffiti

„Offenbar haben die Verleger den Schuss der streikenden Kolleginnen und Kollegen noch nicht gehört: Sie haben ihr vorheriges Angebot nur minimal verändert und wollen den Reallohnverlust für weitere 30 Monate fortsetzen. Und auch wenn es jetzt ein Angebot für eine Mindesterhöhung für Berufseinstiegsgehälter gibt: Das ist insgesamt noch vollkommen ungenügend und provoziert weitere Arbeitsniederlegungen“, konstatierte der Verhandlungsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Matthias von Fintel.

Nach Streiks in Redaktionen in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern hatte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) eine einmalige Mindesterhöhung von 120 Euro für Berufseinsteiger sowie einer Erhöhung der Gehälter und Honorare um jeweils 2,6 Prozent zum 1. August 2018 angeboten. Nach wie vor beharrt der BDZV aber auf seiner Forderung, Stufensprünge in der Gehaltstabelle von konkreten Aufgabenzuweisungen mit entsprechender Qualifikation abhängig zu machen: „Dieser Sanktionsmechanismus, den die Verleger einbauen wollen, unterstellt, dass sich die Kolleginnen und Kollegen nicht weiterbilden wollen. Dabei ist Weiterbildung Möglichkeit und Chance für noch bessere journalistische Arbeit. Es besteht dringender Bedarf an Qualifizierung, den wir konkret tarifvertraglich fassen wollen. Allerdings darf es hier keine Abhängigkeit vom Gehaltsgefüge geben. Notwendig ist ein eigener Weiterbildungstarifvertrag, wie er auch in anderen Branchen Gang und gäbe und zeitgemäß ist“, betont von Fintel.

Die dju in ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter und Honorare um 4,5 Prozent, mindestens aber um 200 Euro sowie eine einjährige Laufzeit des zum Ende 2017 gekündigten Gehaltstarifvertrags.

Stuttgart am 12. März: Kampfstimmung
Foto: Martin Storz / Graffiti

Mehrere hundert Streikende aus Baden-Württemberg, Hessen und Bayern demonstrierten heute in Stuttgart. Auch in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern wurden die Streiks fortgesetzt, mit denen bereits zum Wochenende der Druck auf den BDZV erhöht worden war. „Hört die Signale, Verleger: Die Kolleginnen und Kollegen streiken, weil sie sich nicht mit einem Klacks unterhalb der Inflationsgrenze abspeisen lassen. Sie wollen deutlich mehr Geld und sie wollen den Nachwuchs überproportional daran beteiligt sehen“, hatte ver.di-Verhandlungsführer Matthias von Fintel erklärt.

Journalisten der Ostsee-Zeitung sind am Standort Rostock dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt und in den Warnstreik getreten. In einer Kundgebung vor dem Medienhaus am Steintor, bei der sich auch Kolleg_innen aus dem Verlag solidarisierten, waren die jetzt bekannt gewordenen Rekordgewinne der größten Regionalzeitung Mecklenburg-Vorpommerns zentrales Thema. Ein Gewinn von 8,4 Millionen Euro, den die Bilanz 2016 ausweist, mache deutlich, dass die Forderungen nach einer angemessenen Erhöhung der Entgelte und einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten berechtigt sei, hieß es.

Die Verhandlungen werden am 9. April 2018 in Berlin fortgesetzt.

Mehr Informationen M Online

Immer aktuell auf der Website der dju in ver.di

Auch interessant: ein Artikel in Wochenzeitung Kontext 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Weimer, ein konservativer Kulturkämpfer

Der neue Staatsminister und Bundesbeauftragter für Kultur und Medien Wolfram Weimer gilt politisch als Vertreter des liberal-konservativen Spektrums. Als ausgewiesener Kenner der Kulturpolitik war er bis zu seiner überraschenden Berufung im Mai nicht aufgefallen. Dagegen kann er aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen als Chefredakteur diverser Blätter (Welt, Cicero, Focus) sowie als Verleger des Magazins The European im Medienbereich eine beachtliche Expertise vorweisen.
mehr »

Pressegesellschaft schafft neues Monopol

Mit großen Bedenken und scharfer Kritik reagieren Gewerkschaften auf die Übernahme der Medienholding Süd durch die Neue Pressegesellschaft (NPG) mit Sitz in Ulm. Alle Stuttgarter Zeitungstitel, Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten sowie weitere traditionelle Regionalblätter aus Baden-Württemberg wie die Eßlinger Zeitung und der Schwarzwälder Bote werden künftig unter dem Dach der NPG, zu der auch die Südwest Presse, die Märkische Oderzeitung und die Lausitzer Rundschau gehören, weitergeführt.
mehr »

Das Schicksal von Toshiko Sasaki

Als am 31. August 1946 das us-amerikanische Magazin „The New Yorker“ an den Zeitungskiosken auslag, verriet das Titelblatt in keinster Weise, welche Geschichte im Heftinneren auf den Leser wartete. Die Vorderseite des Einbands stammte wie so oft von dem New Yorker Künstler Charles E. Martin und zeigte eine friedliche Parklandschaft, in der Menschen spielen, tanzen oder spazierengehen. Drinnen aber entfaltete sich in einer Reportage mit dem Titel „Hiroshima“das  Grauen, das dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 über Japan folgte.
mehr »

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »