Freienprotest bei Intendant Horst Schättle
Am Montag, den 29. Mai 2000, stürmten über 40 aufgebrachte Freie das Intendanten-Büro beim SFB. Erst nach einigem Zögern ließ Intendant Horst Schättle sich aus der Direktorenkonferenz herausbitten. Grund des Aufruhrs: Die fehlende Tarifsicherheit für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im SFB.
Nach langen Verhandlungen hatten sich die Geschäftsführung und die Gewerkschaften am 29. November 1999 auf eine Honorarerhöhung um 3,1 Prozent für die Freien beim Sender Freies Berlin geeinigt. Beginn der Honorarerhöhung sollte der 1. Dezember 1999 sein. Zwischen den Gewerkschaften und der Geschäftsleitung bestand damals ein gegenseitiges Einvernehmen darüber, dass alle SFB-Standardhonorare an dieser Erhöhung teilnehmen sollten. Ein Formulierungsvorschlag der Gewerkschaften, der dies gewährleistet, wurde ebenfalls einvernehmlich zwischen den Tarifparteien besprochen.
Daran will sich seit Jahresanfang die Geschäftsführung in Person des Verwaltungsdirektors Dirk-Jens Rennefeld nicht mehr halten. Immer wieder wurden die Gewerkschaften vertröstet, dass alles noch mal geprüft werden müsse, dass es Urlaubs- und Krankheitsausfälle gäbe, dass die Finanzierung nicht gesichert sei, etc., etc., …… Seit über einem halben Jahr drückt sich der SFB vor der Unterzeichnung des Freien-Tarifvertrages. Die vereinbarte Honorarerhöhung wird für viele Freie nach wie vor nicht umgesetzt. Faktisch herrscht im Moment beim SFB die pure Honorar-Willkür der einzelnen Redaktionsbereiche. Damit verabschiedet sich der SFB aus der Tarifpartnerschaft.
Die Tarifflucht des SFB ist vorläufiger Höhepunkt einer ganzen Reihe von Verschlechterungen für die Freien, die laut SFB-Gesetz unverzichtbar für die Erfüllung des Programmauftrages sind. Die Freien arbeiten mittlerweile seit über 4 Jahren ohne tarifierte Honorarerhöhung. Während das Gehalt der Festen regelmäßig erhöht wurde, stagnieren die Honorare vieler Freier oder sinken sogar zum Teil. Damit kosten die Freien dem SFB nicht mehr Geld, sondern sie sind praktisch die „Sparschweine“ des Senders. Die Effektivklausel wurde gekündigt, so dass Freie zum Teil erhebliche Einkommenverluste hinnehmen mußten. Die SFB-Honorare liegen schon jetzt unter dem ARD-Niveau. Im Hörfunk wurde verfügt, dass Wiederholungshonorare gestrichen werden. Gerade bei größeren Feature- und Hörspielproduktionen ist das ein erheblicher Einkommensverlust für die Leistungsberechtigten.
Intendant Horst Schättle fühlte sich vom Feien-Auflauf gestört und sagte den versammelten Freien, er sei nicht Jesus und wisse daher nicht, ob und wann der Freien-Tarifvertrag unterschrieben werde. Schättle konnte sich seine zynische Standardbemerkung nicht verkneifen, dass gute Leute überall Arbeit fänden und die Freien ja nicht beim SFB bleiben müssten. Wenige Tage später bestätigte Schättle seine Aussagen nochmals schriftlich.
Die Freien beim SFB sind über dieses Verhalten mehr als nur konsterniert. Wie soll man mit Menschen reden und verhandeln, die sich später nicht mehr an ihre Versprechen erinnern können oder wollen? Durch diese Geschäfts- und Personalpolitik ist schon jetzt ein großer Vertrauensverlust nicht nur bei den freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des SFB eingetreten. Der Protest der Freien wird fortgesetzt!
- Thomas Klatt ist Sprecher der Freien beim Betriebsverband SFB der Fachgruppe Rundfunk in der IG Medien.