Tarifflucht bei der Westdeutschen Zeitung

„Wechselprämien” sollen den Gehaltsverzicht kaschieren

Die Westdeutsche Zeitung GmbH & Co. KG will in Zukunft ihre publizistische Arbeit nicht mehr im Verlag selbst, sondern in einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft, der WZ Content GmbH, im tariffreien Raum erstellen lassen. Das teilte die Geschäftsführung ihren Beschäftigten im Juni mit. Dafür sollen die Redakteure davon überzeugt werden, freiwillig neue Arbeitsverträge in der tariffreien Tochtergesellschaft zu unterschreiben.

Sorgen, dass nicht genug Redakteure wechseln, habe Chefredakteur Ulli Tückmantel laut Handelsblatt nicht. Er locke die Redakteure mit 2.500 Euro „Wechselprämie” pro Kopf. Außerdem solle das Urlaubsgeld unverändert bleiben. Dafür müssten die GmbH-Journalisten auf bis zu 10 % Gehalt verzichten, das würde in variable Prämien umgewandelt. In der GmbH sollen die Redakteure nicht mehr nur für Print schreiben, sondern auch Videos drehen und Radiobeiträge produzieren. Die Erhöhung der vertraglichen Wochenarbeitszeit von 36,5 auf 40 Stunden falle nicht ins Gewicht, hieß es gegenüber den Beschäftigten, da schon heute die Arbeitszeit regelmäßig überschritten werde. Nur auf diesem Weg, so argumentieren Geschäftsführung und Chefredaktion, könnten die Voraussetzungen geschaffen werden, marktgerecht, flexibel und zukunftsgerecht publizistisch zu arbeiten und die publizistische Arbeit auf möglichst vielen Wegen zu vermarkten.

Ausverkauf journalistischer Qualität.

Das sieht ver.di anders. „Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum nur bei einem Wechsel in den tariffreien Raum zukünftig marktgerecht gearbeitet und leistungsgerecht bezahlt werden kann. Auch bei tariflicher Entlohnung besteht durchaus die Möglichkeit, finanzielle Leistungsanreize zu setzen. Alleine durch eine regelmäßige Entlohnung der Mehrarbeit, wie sie im Tarifvertrag für Redakteure vorgesehen ist, können Anreize geschaffen und die erbrachte Leistung der Kollegen honoriert werden”, ist Christof Büttner, ver.di-Fachsekretär Medien in NRW, überzeugt.

Die WZ beabsichtige offenbar, in Zukunft journalistische Leistung zumindest bei Neueinstellungen unter den Normen des Flächentarifvertrags für Redakteure an Tageszeitungen einzukaufen oder die Arbeitsbedingungen auf anderem Wege zu verschlechtern. Ansonsten gäbe es keinen Grund, mit der Redaktion den Bereich der tariflichen Bindung zu verlassen. „Die Ausgliederung der journalistischen Arbeit bei der WZ in eine so genannte Content GmbH ist ein weiterer Ausverkauf der journalistischen Qualität. Tariflose Arbeitsbedingungen führen auf lange Sicht zu finanziellen Einbußen, unsicheren Arbeitsverhältnissen und hohem Arbeitsdruck”, sagte Büttner.

Die WZ hatte im vergangenen Jahr die Hälfte der Redaktion entlassen. Die Auflage hat sich in den vergangenen 15 Jahren halbiert und liegt derzeit bei 85.000.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

ARD: Durchbruch in Tarifrunde

In dem seit Januar andauernden Tarifkonflikt in ARD-Rundfunkanstalten gibt es erste Verhandlungsergebnisse. Zum Wochenende hin konnte am Freitag (15. November) ein Ergebnis im SWR erreicht werden. Für ver.di ist das ausschlaggebende Ergebnis, dass neben sechs Prozent Tariferhöhungen in zwei Stufen über eine Laufzeit von 25 Monaten auch eine für mittlere und niedrige Tarifgruppen stärker wirkende jährliche Sonderzahlung so stark erhöht wurde, dass es nachhaltige Tarifsteigerungen zwischen sechs und über zehn Prozent gibt.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »