Beschäftigte für einheitliche Tarife und ihren Freien-Sprecher
Mit rhythmischem Klatschen und lauten „Jürgen bleibt“-Rufen empfingen rund 200 Festangestellte, Freie und Ruheständler die RBB-Geschäftsleitung auf dem Gang zur vierten Runde der Tarifverhandlungen.
Akuter Anlass der Proteste am 13. Juli war die vorangegangene Ankündigung der Hörfunkdirektorin Hannelore Steer, den gewählten und anerkannten Freiensprecher von rbbpro und ver.di-Verhandlungsführer Jürgen Schäfer nach Ablauf des Jahres aus „strukturellen Gründen“ nicht mehr weiter beschäftigen zu können. Schäfer hatte sich für die Belange der freien Mitarbeiter stark gemacht, immer wieder die Abschaffung von Prognoseregelung und Zwangspausen gefordert. Nach zwölfjähriger Tätigkeit als Nachrichtenredakteur und Volontärsausbilder bestehen an Schäfers fachlicher Kompetenz keine Zweifel. So verwundert es nicht, dass Schäfer seine Entlassung als politischen Akt versteht: „Ich betrachte meinen Fall vor allem als einen Angriff auf die Freienvertretung im Haus und auf die Gewerkschaften. Ich bin vielleicht ein prominentes Beispiel, aber im Grunde nur stellvertretend für den Umgang mit den Freien im RBB.“
Schmalbrüstige Offerte
Als nach einigem Hin und Her die Verhandlungen losgingen, warf die Geschäftsleitung ein bescheidenes Angebot in die Waagschale: Eine einprozentige Gehaltserhöhung für eine Laufzeit von fast drei Jahren und die Angleichung der Gehälter von ehemaligen ORB-Beschäftigten um 0,5 Prozent. An dieses „Entgegenkommen“ knüpft sie jedoch Eingriffe in die tariflich zugesicherten Ansprüche der Altersversorgung. Als weitere Gegenleistung soll die Arbeitszeit nach oben angeglichen werden, auf einheitliche 40 Stunden für alle Beschäftigten im Sender. Darüber hinaus sollen Mitarbeiter in disponierten Diensten nach Gutdünken der Geschäftsleitung täglich vier bis zehn Stunden abrufbar sein. Begründet wird die schmalbrüstige Offerte mit dem „Ernst der finanziellen Lage des RBB“.
Für Hanne Daum, Personalratsvorsitzende RBB, ist das unakzeptabel: „Eine einprozentige Gehaltserhöhung liegt weit unter dem Niveau der Abschlüsse anderer ARD-Anstalten“, sagt sie. Zudem ginge es nicht an, dass über ein Jahr nach der Fusion die Mitarbeiter in Potsdam und in Berlin immer noch unterschiedlich lang arbeiten und bezahlt werden: „In einer Angleichung sehen wir unsere vordringliche Aufgabe. Für uns heißt das: Anhebung der ORB-Gehälter auf SFB-Niveau ohne Koppelung mit der Altersversorgung.“
Faktische Gehaltskürzung
ver.di fordere die 38,5-Stunden-Woche für alle RBB-Beschäftigten, so Daum weiter. Die von der Gegenseite gewünschte Anhebung der Arbeitszeit für Leute mit SFB-Arbeitsvertrag um eineinhalb Stunden entspreche hingegen faktisch einer Gehaltskürzung um 3,75 Prozent. Bei der Arbeitszeit wolle sich die Intendanz an Konzerne wie Siemens hängen. „Aber wir sind kein profitorientiertes Unternehmen und halten Arbeitszeitverlängerungen in einer Situation, wo Millionen Menschen arbeitslos sind, für skandalös“, empört sich die Personalratsvorsitzende.
„Anscheinend versucht der RBB, das Rad der Tarifgeschichte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückzudrehen“, sagt Gerd Nies, ehemals stellvertretender ver.di-Vorsitzender und jetzt beauftragt, für ver.di die Verhandlungen zu führen. Sonst sei bei den Anstalten trotz aller Konflikte durchaus ein Interesse an einem tarifpartnerschaftlichen Verhältnis vorhanden, der RBB hingegen gehe auf einen starken Konfrontationskurs, so Nies. „Als Tarifpartner muss man schauen, wo sind die Brücken, die zur anderen Seite führen. Der RBB hingegen reißt alle Brücken ab.“
Starker Zusammenhalt zwischen Festen und Freien
Auf keinen Fall will ver.di den Fall Jürgen Schäfer von den Tarifverhandlungen trennen. Dazu Hanne Daum: „Der RBB hat erklärt, es gäbe kein Beschäftigungsverbot für Schäfer, es ginge auch nicht darum, einen freien Mitarbeiter wegen politischer Missliebigkeit nicht weiter zu beschäftigen.“ Wenn dem so sei, müsse es möglich sein, für einen seit zwölf Jahren bewährten Mitarbeiter eine Weiterbeschäftigung zu finden: „Für uns ist es selbstverständlich, dass Jürgen Schäfer bleibt.“
Ein Gutes hat die Sache vielleicht: Selten war der Zusammenhalt unter Festen und Freien so groß wie in diesen Tagen. Mittlerweile haben sich laut Schäfer 650 Freie der Bewegung rbbpro angeschlossen. Mit gezielten und fantasievollen Aktionen zeigen sie der Geschäftsleitung, dass mit ihnen zu rechnen ist. Um der Hörfunkdirektorin bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten für Jürgen Schäfer zu helfen, haben sie sich selbst in den Redaktionen umgesehen. Viele tragen Buttons mit der Aufschrift „Ich bin Jürgen Schäfer“, drücken so die Solidarität mit dem Kollegen, aber auch ihre eigene Besorgnis aus. Nach Meinung von Daum sind die Proteste von Festen und Freien, von Berlinern und Potsdamern aus allen Arbeitsbereichen ein Beleg dafür, dass die Dimension des Konflikts verstanden wird: „Wenn die Intendanz meint, Unmut und Proteste seien das Werk einiger weniger Aufrührer oder gar das Werk von Jürgen Schäfer selber, irrt sie sich gewaltig.“ Mit der Kündigung des Freienvertreters hat die Geschäftsleitung Öl in ein schwelendes Feuer gegossen. Dennoch wurden die Verhandlungen wieder einmal ergebnislos abgebrochen, eine Einigung scheint ferner denn je. Ein neuer Termin wurde nicht vereinbart.
Keine kollektive Bettelei
Hanne Daum gibt sich kämpferisch: „Im Prinzip hoffe ich ja immer auf Einsicht, aber wenn sich nichts bewegt, gibt es logische weitere Schritte.“ Schließlich sehe das Arbeitsrecht Tarifauseinandersetzungen nicht als kollektive Bettelei an, sondern ermögliche auch andere Maßnahmen.