Unakzeptable Angebote

Über den Stand der Tarifverhandlungen für Redakteure an Tageszeitungen sprach M mit Malte Hinz, Betriebsrat der Westfälischen Rundschau und Mitglied der Tarifkommission.

Auch die dritte Verhandlungsrunde um einen neuen Gehaltsabschluss für die 14.000 Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen endete im Dezember 2005 ergebnislos. Der Zeitungsverlegerverband verlangt vor einer Einigung eine durchgreifende Veränderung der bisherigen Gehaltsstruktur.

M | Was bedeutet das?

MALTE HINZ | Das bedeutet zunächst, dass wir auch in diesem Jahr mit einer harten und sehr schwierigen Tarifrunde konfrontiert sind, deren Ende und Ausgang gegenwärtig nicht abzusehen ist.

M | Was fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju)?

HINZ | Das ist im Prinzip einfach zu beantworten: Die dju fordert zunächst einmal eine angemessene Erhöhung der Honorare für Freie und der Gehälter für Festangestellte. Wir haben 4% gefordert. Und wir wollen die Einbeziehung der Online-Kollegen in den Tarifvertrag. Außerdem verlangen wir, dass der Vertretungsausgleich künftig vom ersten Tag an mit 20 Euro vergütet wird. Dies alles ist nach mehr als einem Jahrzehnt regelmäßiger Kürzungen unserer Nettoeinkommen, angesichts der Inflationsrate von über 2% und einer sich entspannenden wirtschaftlichen Situation der Tageszeitungsverlage angemessen und gleichzeitig außerordentlich rücksichtsvoll.

M | Die Verleger sind da offenbar ganz anderer Meinung?

HINZ | Sie sagen bislang kategorisch Nein und verweisen auch in diesem Jahr wortreich auf Anzeigen- und Umsatzverluste. Ihr letztes Angebot für die Festen war eine Einmalzahlung von 340 Euro bis Ende Juli 2006 und eine lineare Erhöhung von 1% bis zum 31. Juli 2007. Eine in der Größenordnung analoge Regelung schwebt den Verlegern auch für die Freien vor. Aus meiner Sicht ist dies gänzlich unakzeptabel.

M | Darüber hinaus geht es doch aber auch um die Gehaltsstruktur?

HINZ | Korrekt – und jetzt wird es erst richtig ernst. Zum einen verlangt der Bundesverband Deutscher Zeitungsver­leger als Bedingung für einen Gehalts­abschluss massive Streichungen an der Gehaltsstruktur. Zum anderen ist er weder bereit noch offenbar dazu in der Lage, mit uns über eine wirklich zeitgemäße und den Veränderungen in unserem Beruf angepasste neue Gehaltsstruktur zu verhandeln. Es geht den Verlegern also einzig und allein um Einsparungen bei den Personalkosten.

M | Was verlangen die Verleger konkret?

HINZ | Sie wollen zum einen die Anrechenbarkeit von Studienabschlüssen ersatzlos streichen. Gleichzeitig fordern sie eine zeitliche Spreizung der einzelnen Gehaltsgruppen, und dies natürlich auf der Grundlage der jeweils niedrigsten Gehälter. Darüber hinaus bestehen sie auf der Streichung der Gehaltsgruppe 15. bis 19. Berufsjahr. Die von ihnen beabsichtigte Absenkung der Lebenseinkommen zahlreicher Kolleginnen und Kollegen um viele zehntausend Euro garnieren die Verleger dann auch noch mit der Forderung nach einem Dumping-Tarif für Berufsanfänger. Ihre Gier, die Beschäftigten in den Redaktionen finanziell zur Ader zu lassen, ist offenbar ungebrochen.

M | Wie reagiert die dju darauf?

HINZ | Wir versuchen, mit den Verlegern über eine tatsächliche Strukturreform ins Gespräch zu kommen. Erstmals in der Geschichte dieses Berufs wollen wir berufsspezifische Qualifikations- und Weiterbildungsmerkmale tarifieren und damit Berufserfahrung und Funktion als bislang alleinige Kriterien für gehaltliche Höhergruppierungen ablösen. Dabei könnten wir uns durchaus vorstellen, dass Redakteurinnen und Redakteure die heutige Gehaltsgruppe III c nur noch erreichen, wenn sie beispielsweise ein abgeschlossenes Studium oder vergleichbare berufsspezifische Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen mit Erfolg absolviert haben. Eine ersatzlose Streichung der Gruppe III c kommt nicht in Frage. Im übrigen auch nicht das Zerschlagen einer Gehaltsstruktur, die sich bislang im Prinzip bewährt hat.

M | Ist das realistisch?

HINZ | Ich bin davon überzeugt, dass wir inhaltlich auf dem richtigen Weg sind. Dass die Verleger dies ganz anders sehen, wird niemanden ernsthaft überraschen.

M | Welche Möglichkeiten bestehen, diese Forderungen durchzusetzen?

HINZ | Wir werden am Verhandlungstisch natürlich alles Mögliche versuchen. Aber ich sage voraus: Das wird angesichts der jetzt schon außerordentlich hartleibigen Haltung des Verlegerverbandes nicht reichen. Also: Wir brauchen flankierend auf jeden Fall und möglichst kurzfristig eine breite betriebliche Diskussion über diese Tarifrunde. Und wir brauchen alsbald auch spürbare Aktionsfähigkeit in den Redaktionen der Tageszeitungsverlage.

Das Gespräch führte Karin Wenk

 

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