Verlässliche Qualität

Weiterbildung und Arbeitszeitmodell – Themen in der Tarifrunde 2003 für Redakteure an Tageszeitungen

Seit mittlerweile drei Jahren steckt das Verlagsgeschäft mit Tageszeitungen in einer Krise. In dieser Zeit haben alle Zeitungsverlage auf unterschiedliche Weise auf die damit verbundenen Herausforderungen reagiert. Denn es ist ja eine Binsenweisheit, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Welche Chance haben also zunächst die Verleger von Tageszeitungen ergriffen? Es reicht, sich lediglich die entsprechenden Aktivitäten im tarifpolitischen Bereich anzuschauen.

Zum Ende letzten Jahres hat der Verlegerverband BDZV den Manteltarifvertrag gekündigt. Seitdem herrscht in dem wichtigen Feld der Basisregelungen für redaktionelles Arbeiten zumindest Rechtsunsicherheit. Es gibt auch erste Versuche, diese Rechtsunsicherheit in tatsächliche Verschlechterungen umzusetzen. Außerdem wurde in einem Verhandlungsmarathon, die letzte Gehaltsrunde beispiellos lange hinausgezögert. Erst im April diesen Jahres konnte ein Abschluss erzielt werden, der für die Journalistinnen und Journalisten an den Rand der Unannehmbarkeit gerückt ist. Letztlich hat mit dem Abschluss zumindest in diesem Jahr eine Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung in der Medienbranche stattgefunden. Auf diese Weise haben die Verleger die Krise ausgenutzt und ihre Chance wahrgenommen. Denn schon seit längerem ist es das Ziel der Verlagsmanager, die Einkommen von Redakteuren und Redakteurinnen strukturell und im Umfang anzugreifen.

Chance in der Krise

Eine unterdurchschnittliche Tarifrunde ist dabei nur der erste Schritt. Denn wie aus einer Gebetsmühle werden wieder Forderungen laut werden, die Gehaltsstaffel zu kappen. Was in der Zukunft für die Verleger Kosteneinsparungen verspricht.

Doch auch aus Sicht der ausübenden Journalisten in den Redaktionen bietet diese Krise eine Chance. Denn in Zeiten eines üppige Blüten treibenden Werbeumfeldes wurde im Tageszeitungsmarkt viel probiert, was später keinen Bestand hatte. Zukunftsweisende Projekte, wie die bei jugendlichen Lesern beliebte „jetzt“ des Süddeutschen Verlages, wurden, wenn auch mit Bedauern, eingestellt. Aber auch eher zweifelhafte Projekte wie die kurzzeitig in wenigen Großstädten vertriebenen Gratiszeitungen haben bei rückläufigen Werbeumsätzen keine Chance mehr. Es gibt also auf der einen Seite eine Rückbesinnung auf die klassischen Felder des aktuellen und umfassenden Tageszeitungsjournalismus.

Leserinnen und Leser erwarten eine Bandbreite von Information und Hintergrundberichten aus allen Lebensbereichen und sie wollen sich auf ihre Tageszeitung(en) verlassen können. Das Betrifft den Wahrheitsgehalt ebenso wie das Gespür für Entwicklungen und Neues. Gefragt ist also Qualität, die verlässlich ist.

Vier-Tage-Woche

Auf der anderen Seite ist eine schleichende Aushöhlung des Qualitätsjournalismus zu beobachten. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di will dieser Entwicklung jedoch nicht tatenlos zusehen. Aus diesem Grund wurde in den Zeitungsredaktionen eine Umfrage unter etwa 5000 Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Ziel ist es, nach einer zur Zeit noch nicht vorliegenden Auswertung dieser Umfrage zu erfahren, welche Rolle journalistische Werte noch spielen. Spannend wird zudem, wie eng zur Zeit in den Redaktionen die veränderten Rahmenbedingungen wie Personalsituation und Zeitdruck in Verbindung mit veränderten Arbeitsergebnissen gebracht werden.

Ohne den Ergebnissen der Umfrage vorgreifen zu wollen, hat die dju-Tarifkommission bereits an Vorschlägen gearbeitet, die von Seiten der Tarifparteien zu einer Förderung qualitätsorientierter Arbeitsbedingungen führen können. Neben Vorschlägen zu einer Förderung von beruflicher Weiterbildung – dies darf nicht nur auf technische Qualifikation beschränkt bleiben, wenn man ein lebenslanges Lernen in wissensorientierten Berufen ernst nimmt – kommen weitere dazu: Mit dem wertvollen Gut Arbeitszeit muss verantwortungsbewusst umgegangen werden. Das heißt neben der Erfassung von Mehrarbeit soll auch das Modell einer Vier-Tage-Woche praktiziert werden können. Dadurch wird allen ein planbarer Umgang mit der Ressource Arbeitszeit erleichtert. Mit der Einführung solcher Modelle können in Verlagen bestehende Vorbehalte aufgelöst werden. Mit Hilfe von Praxis-Erfahrungen kann dieses Modell dann optimiert werden.

Keine Gehaltsabstriche

Die Tarifpolitik der dju beabsichtigt weiterhin, dass das materielle Äquivalent für qualitativ hochwertige Arbeit erhalten und ausgebaut wird. So sind Schräglagen innerhalb der Verlage nicht mehr nachvollziehbar, so müssen zum Beispiel die Jahresleistung für Redakteurinnen und Redakteure wieder auf 100 Prozent angehoben und die Zuschläge für Wochenend- und Nachtarbeit auf einen einheitlichen Stand gebracht werden. Und schließlich darf in diesem Jahr kein Abstrich bei der Gehaltserhöhung im journalistischen Bereich gemacht werden. Die dju versteht es als ein nicht zu verhandelndes Angebot, dass die Gehaltserhöhung um das gleiche Niveau, wie in anderen Bereichen der Verlagswirtschaft, ausfallen muss.

Die Verhandlungen mit dem BDZV werden Anfang Oktober beginnen (Termin stand mit Redaktionsschluss noch nicht fest). Die aktuellen Informationen zur diesjährigen Tarifrunde werden wieder unter http://dju.verdi-verlage.de veröffentlicht. Ebenso werden in Kürze die Ergebnisse der dju-Fragebogenkampagne publiziert.

Matthias von Fintel

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