Warnstreik beim NDR: Programmausfälle

Hunderte beteiligten sich am Warnstreik beim NDR.
Foto: Lars Hansen

Es wird gestreikt: Die Beschäftigten des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zeigen nach zwei erfolglosen Tarifverhandlungsrunden deutlich, dass sie am 20. Juni mehr erwarten als das bisherige magere Angebot. Noch bis Mitternacht dauert der um 6 Uhr begonnene Warnstreik, fallen Sendungen aus, die Telefon- und Infozentrale des NDR ist nicht besetzt. Betroffen sind die NDR-Standorte in Hamburg, Hannover, Schwerin und Kiel.  

„Wir lassen uns nicht vom öffentlichen Dienst abkoppeln“ steht auf einem Transparent. Dahinter marschieren hunderte NDR-Beschäftigte über das Gelände der Hamburger ARD-Fernsehstudios in Lokstedt, wo unter anderem Tagesschau und Tagesthemen, aber auch Unterhaltungsshows produziert werden. Ob Cutter, Kulissenbauer oder Konzertpianisten: Alle sind sauer über das geringe Angebot der Arbeitgeber. 1,9 Prozent Gehaltssteigerung in diesem und im nächsten Jahr, mehr wollen die Senderchefs nicht geben. Nach dem guten Abschluss des Öffentlichen Dienstes hatten die Beschäftigten deutlich mehr erwartet. Über Jahrzehnte hinweg war es gängige Praxis im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass sich die Tarifentwicklung am öffentlichen Dienst der Länder orientiert. „Das ist nicht unbedingt eins zu eins in Gehalt zu übersetzen, sondern wurde auch mal in freie Tage oder Zuschläge für besondere Tätigkeiten, wie Nachtdienste, umgerechnet“, erläutert Bernd Kittendorf, Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes NDR. „In Zeiten schlechter Abschlüsse im öffentlichen Dienst der Länder haben wir stets auch in den sauren Apfel gebissen und Anfang des Jahrtausends sogar effektive Nullrunden gefahren“, sagt Kittendorf. „Doch jetzt, wo acht Prozent über 33 Monate abgeschlossen wurden, sollen die für uns nicht mehr gelten.“

Um 15 Uhr musste im NDR Fernsehen die Sendung NDR Aktuell entfallen. Sie wurde durch die Tagesschau ersetzt.
Foto: ver.di

Was die Kolleg*innen besonders aufregt: Die übertariflich besoldeten Damen und Herren aus den Entscheider-Etagen des NDR haben die – ebenfalls informelle – Kopplung ihrer Gehälter an die Beamtenbesoldung der Länder gerne in Anspruch genommen. Sie freuen sich in diesem Jahr über drei Prozent Gehaltsplus. Den Beschäftigten werden 1,9 Prozent angeboten und für jedes Zugeständnis, zum Beispiel in Fragen der Schichtdienstvergütung, wird anderswo Entgegenkommen gefordert, etwa bei Urlaubstagen. „Würden wir darauf eingehen, langte das Arbeitgeberangebot nicht einmal zum Inflationsausgleich“, so Bernd Kittendorf.

Gemeinsam gegen die Absprachen der Senderchefs

„Wir sind damit beim NDR nicht allein“, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe. „Es scheint, dass sich die Intendanten aller Rundfunk-Anstalten abgesprochen haben, mit dem Ziel, die Gewerkschaften klein zu kämpfen! Wenn wir das mitmachen, landen wir mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bald da, wo Zeitungen und Zeitschriften schon lange sind: Es herrscht irgendwann Tarif-Wildwest mit der Tendenz, die Honorare und Gehälter immer weiter zu drücken!“
Mit dem Warnstreik haben die NDR-Beschäftigten deutlich gemacht, dass sie diese Entwicklung verhindern wollen. Bernd Kittendorf macht „die gute Resonanz auf den Streikaufruf zuversichtlich“.

Dem Aufruf der Gewerkschaften ver.di, Deutscher Journalistenverband (DJV) und Deutsche Orchestervereinigung (DOV) zum Warnstreik im NDR sind über 380 Beschäftigte im gesamten Sendegebiet des NDR gefolgt. Allein in Hamburg beteiligten sich 250 Kolleg*innen aus Hamburg, Kiel und Schwerin. In Hannover legten mehr als 80 Beschäftigte die Arbeit nieder, auch dezentral gingen viele Kolleg*innen auf die Straße, zum Beispiel im Außenstudio Rostock oder am Sender Torfhaus im Harz. Überall waren Volontär*innen und Freie dabei. Die Streikenden forderten ein deutlich verbessertes Angebot vor dem Hintergrund der ver.di-Forderung von 6 Prozent über eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die von den Intendant*innen aller Sender bundesweit verfolgte Linie des Knauserns wiesen die NDR-Beschäftigten zurück und wurden darin auch von Kolleg*innen aus anderen Sendern unterstützt, die sich mit Grußbotschaften aus BR, RBB, SR, WDR, HR und weiteren Sendern solidarisch erklärten und deutlich machten, dass sie ebenfalls eine Abkoppelung der Gehaltsentwicklung von der Entwicklung im Öffentlichen Dienst nicht hinzunehmen bereit sind.

Der NDR bittet um Verstädnnis für Programmausfälle.
Foto: ver.di

Verhandlungen in mehreren Anstalten seit April

Die Tarifauseinandersetzungen für die rund 30.000 fest Angestellten und die rund 18.500 arbeitnehmerähnlichen Freien von ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten Anfang April begonnen. Den Aufschlag machte der NDR, gefolgt vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Auch Bayerischer Rundfunk (BR), Westdeutscher Rundfunk (WDR), Südwestrundfunk (SWR) und Saarländischer Rundfunk sind seither im Verhandlungsmodus.

Ginge es nach den Arbeitgebern soll an Stelle des öffentlichen Dienstes vielmehr die Privatwirtschaft als Maßstab für Tarifabschlüsse herangezogen werden, weil die Tätigkeiten eher vergleichbar wären. „Selbst wenn das stimmen würde: Auch in der Privatwirtschaft hat es eine sehr gute Tarifentwicklung gegeben! Die Löhne sind in 2018 so stark gestiegen wie seit 2011 nicht mehr, nämlich um 3,1 Prozent“, heißt es in einer ver.di-Tarifinformation. „Die Sender machen eine Milchmädchenrechnung auf, weil sie vor der Politik kuschen. Das ist der wahre Grund für diese inakzeptablen und jämmerlichen Angebote! Den Anstalten fehlt der Mut, bei den Ländern selbstbewusst das einzufordern, was diese für ihre eigenen Landesbeschäftigten und Beamt*innen just vereinbart haben. Die Intendantinnen und Intendanten lassen sich ein auf die Spirale aus Angst und Demut vor den Landesparlamenten und die Beschäftigten, Feste und Freie, sollen dafür bezahlen!“, erklärt ver.di.


Aktualisierung vom 27. Juni 2019: Der NDR zeigte sich unbeeindruckt von der hohen Streikbereitschaft und bot in der dritten Verhandlungsrunde am 20. Juni lediglich 0,2 Prozent mehr über 12 Monate. Mehr Informationen auf rundfunk.verdi.de

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