In Deutschland gab es am 10. März weitere Proteste gegen die Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel und der anderen Journalisten in der Türkei. Vor der Lorenzkirche in Nürnberg versammelten sich Bürger zu einer Mahnwache. Mit einem Fahrradkorso durch die Innenstadt bekundeten Münsteraner ihre Solidarität. In Hessen fordert die dju die unverzügliche Freilassung ihres Kollegen Güray Öz.
„Die Repression gegen die Pressefreiheit hat in der Türkei ein Ausmaß erreicht wie nirgendwo sonst auf der Welt. Derzeit sitzen mehr als 150 Journalisten in türkischen Gefängnissen, das sind mehr als in allen Ländern der Welt zusammen – China, wo ebenfalls schlimme Zustände herrschen, eingeschlossen. Das dürfen wir nicht hinnehmen“, sagte dju-Bundesvorstandsmitglied Georg Escher in Nürnberg. Er verwies auch auf den ökonomischen Aspekt, wenn man über Pressefreiheit spreche. In der Türkei würden Zeitungen und Fernsehsender, die vielfach Eigentum von Mischkonzernen seien, mit dem Entzug staatlicher Aufträge zum Schweigen gebracht oder mit Steuerverfahren und hohen Strafzahlungen überzogen. Unter solchen Bedingungen könne es keine Pressefreiheit geben. „Um die ökonomische Pressefreiheit geht es oft aber auch bei uns. Jeder, der Presseartikel nur noch per Facebook konsumiert, aber nichts mehr bezahlt, muss sich auch die Frage stellen, welchen Beitrag er zur ökonomischen Sicherung der Pressefreiheit liefert.“ https://www.facebook.com/events/239470356523452/?ti=icl
Es sei gut, wenn wir uns hier und heute mit Deniz solidarisieren und seine Freilassung fordern – und die Freilassung der anderen Journalisten, die in der Türkei in Haft sitzen. „Free them all!“, rief Frank Biermann, dju-Bezirksvorsitzender Münster/Münsterland, den nahezu 300 Teilnehmer_innen des Fahrradkorso auf der Kundgebung in Münster zu. „Aber wie viel besser wäre es noch, wenn die Menschen in der Türkei selbst vor dem Gefängnis demonstrieren könnten, wenn machtvolle Demonstrationen für die Pressefreiheit in Ankara, Istanbul oder Alanya stattfinden würden. Aber, um es mit Brecht zu sagen – die Verhältnisse, sie sind dort nicht so. Wir haben als Journalisten-Gewerkschaft begründete Zweifel daran, dass Yücel dort ein nach unseren Maßstäben rechtsstaatliches Verfahren bekommt“, begründete Biermann die Notwendigkeit der Solidarität mit den türkischen Kollegen.
Unter ihnen ist neben dem aus Flörsheim stammenden Deniz Yücel auch der 1949 geborene Güray Öz, der von 1987 bis 1997 mit seiner Familie im Rhein-Main-Gebiet lebte und unter anderem für die Wochenzeitung „Cumhuriyet Hafta“ tätig war. Außerdem arbeitete er als Pressesprecher für das Zentrum für Türkei-Studien an der Universität Essen. „Aufgrund der offenkundig konstruierten Haftgründe fordert die dju Hessen die unverzügliche Freilassung von Güray Öz und seiner Kollegen“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 10. März.
Öz habe mehrere Arbeiten über die eingewanderten türkischen Migrant_innen veröffentlicht, u.a.: „Kulturelle Probleme der TürkInnen in der BRD“ (1996), „Diskriminierung in Deutschland“ (1998). Öz sei auch Gründungsmitglied des Vereins „Union türkisch-europäischer JournalistInnen“ (ATGB), der sich 1999 in Frankfurt konstituierte. „In der Türkei arbeitete Öz zuletzt für die Tageszeitung Cumhuriyet und informierte die Leser in seiner Kolumne „Aus Europa“ regelmäßig über europäisch-türkische Themen. Als Ombudsmann für die Leser berichtete er zudem von den Ergebnissen der Redaktionskritik. Seit seiner Verhaftung erscheint seine Kolumne aus Protest nur noch als weißer Kasten mit seinem Bild und seinem Namen, aber ohne Text“, berichtet die dju Hessen.
Am 31. Oktober 2016 sei Güray Öz in Ankara von Anti-Terror-Einheiten der Polizei verhaftet worden. Seitdem warte er in der Vollzugsanstalt Silivri/Istanbul, zusammen mit weiteren zwölf Cumhuriyet-Redakteuren, auf die Fertigstellung und Zustellung der Anklageschriften.
„Als Grund der Festnahme wurde in der Öffentlichkeit bisher nur bekannt, dass Öz und seine Kollegen Mitglieder der Gülen-Organisation und der PKK seien und in deren Namen Straftaten begangen hätten. Und dies, obwohl die verhafteten Journalist_innen und auch die Zeitung Cumhuriyet bis zuletzt klare Kritiker sowohl der Gülen-Bewegung als auch von PKK-Terror waren.“