Weniger verlässlich

GVL ändert Ausschüttungssystem für Nutzung von Künstlerwerken

Seit 2010 hat die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten GVL, deren Gründer und Träger die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) und der Bundesverband Musikindustrie e.V. sind, von der anteiligen auf eine nutzungsbezogene Ausschüttung umgestellt – und es ist nichts mehr so, wie es war.


Früher war es ganz einfach: Ein Musiker spielte einen Song ein, erbrachte einen Nachweis über sein Mitwirken und die Höhe des dafür erhaltenen Honorars und legte diesen bei der GVL vor. Die GVL überwies daraufhin am Ende eines darauffolgenden Jahres eine anteilige Ausschüttung, und zwar unabhängig davon, wie oft das Werk z.B. im Radio, im TV oder in Diskotheken lief. Einige festangestellte Orchestermusiker beispielsweise konnten die jährlichen erwarteten Zahlungen durch die GVL im Voraus abschätzen, wenn auch nur ungefähr, was dennoch für diese Musiker zu einer verlässliche Einnahmequelle führte. Nun gibt es bei der GVL, die auch die Zweitnutzungsrechte von Tänzern, Schauspielern und sonstigen Werkinterpreten vertritt, die nutzungsbezogene Ausschüttung.

Weltweit nicht mehr kompatibel

„Bei den Musikern wirkt sich die Umstellung des Verteilungssystems besonders hart aus. Viele von ihnen werden Ende des Jahres nahezu völlig ohne finanzielle Beteiligung an ihren Werken dastehen“, sagt Wille Bartz, Geschäftsführer von connexx.av und Vorsitzender des Verteilungsausschusses der GVL, der den drohenden Veränderungen machtlos gegenüberstand. Sie wurden jedoch notwendig, da das System der GVL international einzigartig und daher weltweit nicht mehr kompatibel war. In den meisten Ländern richtet sich die Höhe der Ausschüttung eben nicht nach dem einmaligen Honorar für die Einspielung, sondern nach der jährlichen Nutzung. Die Abrechnung der Zweitnutzungsrechte musste angeglichen werden, da ausländische Verwertungsgesellschaften bei der europäischen Kommission bereits Beschwerde eingelegt hatten. Die amerikanische Musikindustrie, der auffiel, dass ihren Künstlern hier permanent Gelder entgingen, war bereits kurz davor zu klagen.
„Eine Honorierung ausschließlich nach Nutzungsentgelt führt aber zu solch absurden Situationen, dass quasi nur noch die Top 40 der Hitparaden, die sich in der Heavy Rotation befinden, an den Zweitverwertungsrechten verdienen werden“, sagt Bartz. „Diejenigen, deren Werke im Vergleich viel seltener zur Aufführung kommen, werden nur geringfügig partizipieren. Vor allem für Musiker, die längerfristig mit dem Geld geplant haben, ist das ein finanzieller Einschnitt.“
Um diese Einbußen halbwegs aufzufangen, wurde in der Beiratssitzung der GVL vom 1. November eine neue Verteilungsstruktur festgelegt. Die Absicht der GVL ist, der kulturellen Vielfalt durch einen sog. Kulturfaktor und durch eine Vielzahl von zusätzlichen Maßnahmen, die jährlich nachjustiert und neu bestimmt werden können, gerecht zu werden. Unter anderem wird eine dreistufige wertende Gewichtung der Referenzsender (Hörfunk) eingeführt. Dies bedeutet, dass zum Beispiel Radiosender, die überwiegend klassische Musik und/ oder Jazz usw. senden, also sogenannte Kultursender, mit dem Faktor6 belegt werden. Sender, die mindestens 10.000 Titel im Jahr spielen oder nicht mehr als eine Wiederholung eines Titel pro Jahr senden, werden mit dem Faktor 3 belegt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass in einem normalen Mainstream-Sender eine reale Sendeminute Klassik mit sechs multipliziert wird.
Ein Ausgleich für entgangene Zahlungen nach dem bisherigen System entsteht aber auch dadurch, dass Leistungsberechtigte nicht mehr nur einmalige Zahlungen erhalten, sondern jährlich für jede Ausstrahlung ihres Werkes auch im Ausland honoriert werden. Diejenigen Künstler, deren Werke vor 2010 entstanden sind und die schon Zahlungen nach dem alten System bekommen haben, werden nun auch nach dem neuen System ausbezahlt.
Schauspieler können von der Umstellung ebenfalls profitieren. Entscheidend für das neue System ist nämlich die Anzahl der Drehtage, die der jeweilige Schauspieler für die Produktion vor der Kamera stand. Nach dieser Anzahl wird ein Schlüssel errechnet, der die Höhe der Ausschüttung bestimmt und der bei Ausstrahlung eines Filmes zur Anwendung kommt – auch wenn der Film im Ausland läuft. Außerdem muss ein Schauspieler selbst keinen schriftlichen Nachweis mehr über seine Beteiligung erbringen. Sobald er sich nämlich auf www.artsys.gvl.de registriert hat, findet das System seinen Namen in Produktionen, die bis 1998 zurückgehen.

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