Willkür Tür und Tor geöffnet?

Tarifverhandlungen für die RB-Tochter „Bremedia“ dauern an

Eine Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche und ein Lohn, der sich an den Tarifen des Verbandes Technischer Betriebe für Film und Fernsehen VTFF orientiert – darauf dürfte es hinaus laufen. Unter Dach und Fach ist der Tarifvertrag für die „Bremedia“-Mitarbeiter allerdings noch lange nicht. Und das, obwohl es das Unternehmen, welches sich im Wesentlichen aus ehemaligen Radio Bremen-Technikern zusammen setzt, bereits seit gut einem Jahr gibt.

Im April 2006 gliederte Radio Bremen seine Technik aus – und mit ihr rund 160 Angestellte sowie über 50 freie Mitarbeiter. Seither wartet das Team auf einen annehmbaren Tarifvertrag für neue Mitarbeiter. Während für alle „alten“ Mitarbeiter ein Überleitungstarifvertrag gilt, arbeiten die rund 20 neuen Mitarbeiter der Bremedia unter deutlich schlechteren Bedingungen.
Was sich zunächst nach einem ganz gewöhnlichen Tarifkonflikt anhört, ist doch nicht frei von Pikanterie. Schließlich handelt es sich bei der Bremedia, zu 51 Prozent in Händen der Bavaria, um ein privatwirtschaftliches Unternehmen – was die Unabhängigkeit Radio Bremens von der Privatwirtschaft in Frage stellt, da der öffentlich-rechtliche Sender über kein eigenes Produktionsteam mehr verfügt. Das ist einzigartig in der ARD. Entsprechend mag sich Monika Grüning, Vorsitzende des Sendeverbands Radio Bremen für ver.di und Betriebsratsvorsitzende der Bremedia, auch aus medienpolitischer Perspektive nicht so recht mit der Situation abfinden. Matthias von Fintel, Tarifsekretär Medien beim ver.di-Bundesvorstand, spricht gar von einem „medienpolitisch dramatischen“ Zustand. Spätestens in dem Moment, da neben den Technikern auch freie Journalisten über die Bremedia beschäftigt würden – was in der Planung ist –, sei eine redaktionelle Unabhängigkeit von der Privatwirtschaft nicht mehr gewährleistet.

Längere Arbeitszeiten

Ähnlich große Bauchschmerzen bereiten den Gewerkschaftern indes die deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen, unter welchen neue Mitarbeiter der Bremedia im Vergleich zu den ehemaligen Angestellten Radio Bremens arbeiten müssen. Jene rund 20 Mitarbeiter, die seit Gründung der Bremedia zur Firma hinzu gestoßen sind, arbeiten offiziell 42 Stunden in der Woche, bekommen 20 Prozent weniger Gehalt als ihre KollegInnen und erhalten zudem deutlich geringere Sonntags- und Feiertagszuschläge. Insbesondere die langen Arbeitszeiten sind für Bernd Graul, Personalratsvorsitzender bei Radio Bremen, eine reine Provokation.
Allerdings ist Graul zuversichtlich, dass es ver.di und der Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden (VRFF) gelingen wird, einen Tarifvertrag zu verhandeln, der eine Arbeitszeit von weniger als 40 Stunden pro Woche vorsieht. Matthias von Fintel, der die Verhandlungen für ver.di leitet, geht derzeit von 39 Stunden aus. Im Gegenzug freilich werden die Gewerkschaften eine Kröte schlucken müssen, über deren Ausmaße man bislang nur spekulieren kann: eine leistungsbezogene Bezahlung. Sogar die Möglichkeit, dass ein Mitarbeiter wegen vermeintlich schlechter Leistungen in eine niedrigere Gehaltsstufe zurückgedrückt werden könnte, steht im Raum. In der Tat bestätigt Martin Moll, Geschäftsführer der Bremedia, dass „neben einer rein durch zeitlichen Ablauf bestimmten Gehaltsentwicklung („Senioritätsprinzip“), auch leistungsorientierte Kriterien sowie variable Gehaltsbestandteile in den Haustarifvertrag der Bremedia einfließen sollen.“ Die Grundlage der Leistungsbewertung, so Moll weiter, solle „die zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten im Jahresgespräch vereinbarte Zielvereinbarung sein, die auf der Arbeitsplatzbeschreibung aufbaut.“
Monika Grüning und Bernd Graul fürchten, dass ein derartiges Modell Mobbing und Willkür am Arbeitsplatz Tür und Tor öffnen könnte: die Macht der Vorgesetzten über die „einfachen“ Mitarbeiter stiege erheblich, zumal noch gänzlich ungeklärt ist, wer nach welchen Kriterien darüber befinden soll, welche „Zielvereinbarungen“ überhaupt realistisch sind und womit diese erfüllt wären. „Letztlich“, so Monika Grüning, „kann eine Leistungsbeurteilung ohnehin nur als diskriminierungsfreies, transparentes und durch den BR mitbestimmtes und kontrolliertes System funktionieren.“
So oder so bedeutete diese Form der leistungsbezogenen Bezahlung für alle Angestellten eine erhebliche Verschlechterung gegenüber allen Verträgen, die bislang branchenüblich sind: „Es kann ja nicht sein, dass ein Angestellter jedes Jahr um die Gehaltshöhe kämpfen muss“, erläutert von Fintel, zumal ein solches „Geeiere“ auch die Kreditwürdigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters bei den Banken massiv beeinträchtige. Entsprechend möchte sich von Fintel in den Verhandlungen allenfalls darauf einlassen, dass sich die Stufensteigerungen aufgrund der Betriebszugehörigkeit bei einer schlechteren Leistungsbewertung um ein oder zwei Jahre verzögern könnten. Weiter reiche der Verhandlungsspielraum nicht.

nach oben