Mitbestimmung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Diskussion
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten immer mehr Freie – mitbestimmen dürfen sie oftmals nicht, schlimmer: In vielen Fällen ist der Personalrat noch nicht einmal für sie zuständig. Das muss sich ändern, die Gesetze müssen dem Wandel in der Arbeitswelt Rechnung tragen, fordert ver.di. Hoffnung auf Änderung gibt es jetzt für den RBB, auch in Baden-Württemberg stehen für den SWR entsprechende gesetzliche Veränderungen an.
Über Jahrzehnte war der Fall für den Gesetzgeber klar: Der Personalrat kümmert sich um die Belange aller angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verhandelt Stellenpläne mit, überwachte beispielsweise die Einhaltung von Tarifverträgen. Die Freien, die heutzutage mehr und mehr das Programm inhaltlich prägen, durften im Personalrat nicht stattfinden – eine unbefriedigende Situation. Sie zwang und zwingt die Freien in einsame Verhandlungen face to face mit dem Arbeitgeber, wo für andere der Personalrat Probleme lösen konnte. In vielen Fällen werden heute solche Konflikte auch mit Hilfe der Gewerkschaft im Sender einvernehmlich gelöst. Auch wenn ver.di in den streitigen Fällen einen Rechtsstreit unterstützen würde, den Aufwand und den Konflikt scheuten und scheuen viele. Wer streitet schon gern mit seinem wichtigsten Auftraggeber, in Zeiten, in denen das Überleben für Freie immer schwieriger wird?
Langsam ändert sich die Situation zum Positiven: Beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) kümmert sich heute der Personalrat auch um die Belange der Freien. Die durften nämlich 2012 zum ersten Mal mit wählen, nachdem 2011 der Landtag in NRW ein neues Landespersonalvertretungsgesetz verabschiedet hatte. Danach sind auch arbeitnehmerähnliche Freie wahlberechtigt und wählbar. Ähnliche Regelungen gab es schon vorher bei Radio Bremen, beim ZDF, beim Hessischen und beim Saarländischen Rundfunk.
Beim WDR wollten die Gewerkschaften keine Wahlanfechtung riskieren: Sie bestückten ihre Wahllisten nur mit Freien, die auch zum Zeitpunkt der Wahl den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit erfüllen würden. ver.di und DJV platzierten Freie auf sicheren Plätzen in den Wahllisten und stellten so die Vertretung von Freien im neuen Personalrat sicher. Heute sind Freie im Personalrat aktiv – „und wir merken schon in der kurzen Zeit, wie viel leichter es ist, Lösungen für die Probleme der Freien zu erarbeiten“, berichtet Anja Arp, seit dem 1. Juli 2012 ver.di-Personalrätin, Mitglied der Tarifkommission und freie Journalistin. (M 5 /2012).
In anderen Bundesländern streitet ver.di noch für eine bessere Interessenvertretung, zum Beispiel für den RBB in Berlin-Brandenburg. Anders als etwa beim WDR steht hier keine Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes an, sondern eine des Rundfunkstaatsvertrages. Darin muss künftig die Vertretung von Freien durch den Personalrat geregelt werden, fordert ver.di. Der Geschäftsführende Verbands-Vorstand (GVV) ver.di im RBB hat dafür eine Online-Petition initiiert. Sie wurde bereits von mehr als 1200 Menschen unterschrieben. In vielen Gesprächen zeigen sich die Vertreter der Regierungsparteien in Berlin und Brandenburg einsichtig, – doch im aktuellen Entwurf tauchte statt der Vertretung der Freien durch den Personalrat eine „Freienvertretung“ (ohne rechtlich einklagbare Mitbestimmung) auf. „Wir hoffen jetzt darauf, dass sich die Politik für eine vernünftige Lösung entscheidet. Im RBB arbeiten fast genau so viele Freie wie Festangestellte. Allen gebührt eine ordentliche Mitarbeitendenvertretung durch den Personalrat“, sagt Thomas Klatt, freier Journalist und als GVV-Mitglied auch Mit-Initiator der Petition. https://www.openpetition.de/petition/online/freie-in-den-rbb-personalrat
In Berlin heißt es jetzt abwarten. Immerhin: Das Engagement der Gewerkschaften hat mit dazu beigetragen, den umstrittenen Gesetzentwurf auch in der Politik noch einmal zur Diskussion zu stellen. Klatt: „Jetzt aber ist das Nötigste getan. Und wir hoffen nun auf eine rasche und klare Entscheidung in unserem Sinne. Weitere Verzögerungen können wir nicht verstehen.“
Ebenfalls abwarten müssen die Freien in Baden-Württemberg, berichtet der Stuttgarter ver.di-Mediensekretär Gerhard Manthey. Im September soll die Novellierung des Personalvertretungsgesetzes zur Abstimmung stehen. „Bislang gab es ein politisches Hin und Her.“ ver.di argumentierte unter anderem in einer Stellungnahme zu Eckpunkten des Innenministeriums für eine „uneingeschränkte Mitbestimmung“ der Räte in Personalangelegenheiten und für die Aufnahme der Freien in die Gremien. „Aktuell sieht es gut für uns aus“, schätzt Manthey. Doch er weiß auch, dass der politische Erfolg noch nicht endgültig eingefahren ist. Zur Not werde man bei der rot-grünen Landesregierung noch einmal mit einem Team engagierter Freier für die notwendige Klarheit demonstrieren.
Im Saarland wurde derweil eine Rolle rückwärts versucht. Nach dem Saarländischen Personalvertretungsgesetz zählen die unter den § 12 a des Tarifvertragsgesetzes fallenden festen freien Mitarbeiter des Saarländischen Rundfunks (SR) schon lange zur Gruppe der Angestellten. Weil der Sender bei der Einschränkung und Beendigung der Tätigkeit eines 12a-Kollegen die gesetzlichen Mitbestimmungsregeln nicht eingehalten hatte, klagte der Personalrat und erhielt in 3. Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht Recht: Personalangelegenheiten von 12a-Mitarbeitern unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Das wollte der SR nicht hinnehmen und zog vor das Bundesverfassungsgericht. „Der Saarländische Rundfunk will mit dieser Verfassungsbeschwerde erreichen, dass unsere freien Kolleginnen und Kollegen nicht mehr unter den Schutz des Saarländischen Personalvertretungsgesetzes fallen. Das hat Signalwirkung für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“, bewertet ver.di-Vize Frank Werneke diesen Vorgang. Er sieht ihn zudem „als Angriff auf elementare Arbeitnehmerrechte und als Kampfansage an ver.di“. Aufgrund der Proteste lässt der SR die Klage zurzeit ruhen und will mit dem Personalrat eine einvernehmliche Regelung über das zukünftige Verfahren in solchen Fällen finden.
Freiensprechstunde
Unabhängig von den Aktivitäten in den Ländern ist ver.di mit der Politik im Gespräch über eine entsprechende Änderung des Bundesvertretungsgesetzes.
In Köln übrigens hat der WDR-Personalrat schon bald nach der Wahl eine Freien-Sprechstunde eingerichtet. Mit Erfolg, denn „so haben wir eine Struktur und Anlaufstelle einerseits und bessere Möglichkeiten, Freien zu helfen.“ (Anja Arp). Da kann es auch schon mal sein, dass der Personalrat das vermittelnde Gespräch mit Vorgesetzten sucht – Maßnahmen, die früher undenkbar waren, hatten die Freien doch trotz aktiver Freienarbeit im Sender einfach keinen direkten – und je nach Sachlage auch verpflichtenden – Zugang zu den Verantwortlichen.
psch/wen