Stasi-Überprüfung beim MDR abgeschlossen

Nicht alle belasteten Mitarbeiter konnten entlassen werden

Die Nachrichten kamen häppchenweise. Namen für Namen wurde die Öffentlichkeit im Jahr 2000 damit konfrontiert, dass prominente Vorzeigegesichter des Mitteldeutschen Rundfunks nicht nur auf eine Karriere bei Hörfunk und Fernsehen der DDR zurückblicken können, sondern in früheren Zeiten auch noch einer Nebentätigkeit beim Ministerium der Staatssicherheit der DDR nachgegangen sind. Kurz nach Gründung des Senders gab es eine erste und nunmehr eine zweite Überprüfung aller Mitarbeiter.

Zumindest für die fest angestellten Mitarbeiter legten MDR-Intendant Udo Reiter sowie die vom Rundfunkrat des MDR eingesetzte Personalkommission unter der Leitung des ehemaligen Magdeburger Oberbürgermeisters Willi Polte jetzt die Ergebnisse vor. 

Bei insgesamt 87 MDR-Mitarbeitern gab es Hinweise auf eine frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). 23 dieser Mitarbeiter hatten ihren Wehrdienst in einer Struktureinheit des MfS, zumeist im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ abgeleistet, ohne dass es im Nachhinein zu weiteren Kontakten mit der Stasi gekommen war. Dennoch wurde einem dieser Mitarbeiter vom MDR noch in der Probezeit gekündigt, zwei weitere Arbeitsverhältnisse endeten durch Erreichen der Altersgrenze. Die übrigen Mitarbeiter werden weiter beschäftigt.

Weiterbeschäftigung war zumutbar

„Die übrigen 44 Fälle haben wir in der Personalkommission gründlich geprüft“, sagt Polte. Zu den Prüfungen gehörte auch eine Anhörung der jeweils Betroffenen vor der Entscheidung der Personalkommission. „Erst danach“, so Polte, „haben wir unsere Entscheidung in jedem einzelnen Fall getroffen.“ Drei Bewertungskriterien hatte sich die Kommission unter Polte dafür geschaffen. Grundlage dafür war die Schwere der jeweiligen Stasikontakte.

„Wir haben die Weiterbeschäftigung von insgesamt 16 Mitarbeitern in ihrer bisherigen oder einer ähnlichen Position als für den Sender zumutbar bezeichnet“, so Polte. Darüber hinaus habe die Personalkommission entschieden, dass die Weiterbeschäftigung von 15 Mitarbeitern für den MDR „bedingt zumutbar“ sei, die weitere Beschäftigung von 13 Mitarbeitern mit Stasi-Belastung hielt die Kommission für „unzumutbar“.

Andere Aufgaben zugewiesen

Zwei der als „unzumutbar“ eingestuften Mitarbeiter wurden entlassen, mit vier weiteren vereinbarte der MDR Aufhebungsverträge. Die übrigen sieben Mitarbeiter müssen nach Angaben Reiters weiter beschäftigt werden, weil sie bereits so lange beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt sind, dass sie als unkündbar gelten. „Die Senderleitung wollte sich in diesen Fällen langjährige Arbeitsgerichtsprozesse ersparen, zumal nahezu alle Vergehen im Zusammenhang mit Stasi-Zusammenarbeit in drei Jahren ohnehin verjährt sind“, sagt Polte. Diesen MDR-Mitarbeitern wurden andere Aufgaben zugewiesen, in vier Fällen unter Kürzung der Gehälter.

Auch bei den 15 Mitarbeitern, deren Weiterbeschäftigung „bedingt zumutbar“ sei, wurden acht mit anderen Aufgaben betraut, vier davon mit Rückgruppierung in der Gehaltseinstufung. „Für beide Kategorien gilt eine Vereinbarung mit dem Intendanten, dass diejenigen nicht wieder am Mikrophon oder auf dem Bildschirm auftauchen“, sagt Polte.

Die Überprüfung der 2010 fest angestellten MDR-Mitarbeiter auf eine frühere Zusammenarbeit mit dem MfS ist damit nach Poltes Ansicht abgeschlossen. Dennoch liegt weiterhin viel Arbeit vor Polte und seiner Kommission. Denn die Überprüfung der so genannten „festen Freien“ gestaltet sich deutlich schwieriger. Arbeitsgerichtlich gelten diese arbeitnehmer-ähnlichen MDR-Mitarbeiter als selbstständige Freiberufler, der MDR kann deshalb deren Überprüfung durch die Gauck-Behörde nicht von sich aus beantragen. Die Personalkommission hatte deshalb alle „festen Freien“ angeschrieben und sie um die Beantragung einer Selbstauskunft bei der Gauck-Behörde gebeten. 839 dieser Mitarbeiter gelten nach dem Bescheid der Gauckbehörde als unbelastet.

Mit 25 Rückläufen aus der Gauck-Behörde musste sich die Personalkommission näher befassen. Fünf „feste Freie“ wurden als so schwer belastet eingestuft, dass nach Ansicht der Personalkommission eine Weiterbeschäftigung für den MDR unzumutbar ist, bei vier weiteren „Festen Freien“ stufte die Kommission die Weiterbeschäftigung als „bedingt zumutbar“ ein. 14 festfreie Mitarbeiter können ohne Einschränkung weiter beschäftigt werden. In zwei Fällen hat die Kommission noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Nahezu 300 „feste Freie“ haben noch keine Selbstauskunft bei der Gauck-Behörde eingeholt und sind deshalb von der Personalkommission zum Teil bereits wiederholt gemahnt worden.

In ihrem Bericht an die Intendanz empfiehlt die Kommission die Trennung von den festfreien Mitarbeitern, die sich trotz wiederholter Mahnung weigern, eine Selbstauskunft bei der Gauck-Behörde einzuholen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »