Nicht unter Wert

Künftige Journalisten über berufliche Chancen

Macht uns den Job nicht madig! Wo lässt sich sonst noch etwas bewegen außer im Journalismus? Die angehenden Diplomjournalist/innen reagieren unwirsch, wenn sie vom zunehmenden Einfluss der Werbekunden auf die redaktionelle Arbeit selbst bei Qualitätsblättern hören: „In diesem Beruf muss man sich nicht verkaufen.“

Auf die gegenwärtige Branchenkrise reagieren die Student/innen an der Deutschen Journalistenschule in München pragmatisch. Sollte es gar nicht anders gehen, werden sie später eben Public Relations machen – sich den Seitenwechsel aber gut bezahlen lassen.

Es liegen vier Beispiele auf dem Tisch, wie sich Werbung in Form und Inhalt immer weniger vom redaktionellen Angebot unterscheidet: In einer Computerzeitschrift lässt sich der Personalchef einer Autofirma auf einer bezahlten Seite zu den tollen Jobaussichten in seinem Haus interviewen; im WochenendJournal einer Tageszeitung lobt ein Whiskyhersteller Preise eines Gewinnspiels aus und die Redaktion schafft mit einer Serie zum Thema Whiskygenuss das leserfreundliche Umfeld; ein Gewerkschaftsblatt gibt der Abfallwirtschaft ein ganzseitiges Forum, das sich im Layout nicht vom redaktionellen Teil unterscheidet; im Freitagsmagazin einer Tageszeitung treten Wein- und Kochprofis als Autoren auf und geben konkrete Warenempfehlungen mit Preis und Bezugsadresse ab. Vier unspektakuläre Fälle, keine Aufreger. Allzu alltäglich bereits?

Die Journalistenschüler/innen jedenfalls bleiben cool und setzen auf den „vernunftbegabten Leser.“ Es genügt völlig, sagen sie, wenn deutlich sichtbar „Anzeige“ über einem Inserat steht und wenn es anders als das redaktionelle Angebot gestaltet ist. Wobei es sie nicht stört, wenn sich die PR-Spezialisten journalistischer Darstellungsformen wie des Interviews bedienen.

Beim Whisky-Gewinnspiel gehen die Meinungen auseinander: Sauber recherchierte Artikel zu Themen, die sich die werbende Kundschaft wünscht, sind dann gerechtfertigt, so eine Auffassung, wenn der Verlag damit das Geschäft am Laufen hält und Arbeitsplätze sichert. Allerdings müsse sich die Preisgabe der redaktionellen Unabhängigkeit finanziell lohnen. Nein, halten andere dagegen, vom bezahlten Preis dürfe das Urteil nicht abhängen, sondern „vom Anspruch, den ein Blatt zu verteidigen hat.“

Wer wem die Feder führt

Die angehenden Journalisten legen zugleich berufsethische und betriebswirtschaftliche Maßstäbe an: „Langfristig schneiden sich die Verlage ins eigene Fleisch, wenn sie auf Kosten der Qualität und der Leserinteressen die Anzeigenkunden hätscheln.“

Als Praktikanten in Redaktionen und Pressestellen haben die künftigen Diplomjournalisten erlebt, wer oft wem die Feder führt: Die Messegesellschaft gibt ein scheinbar journalistisch gestaltetes Magazin heraus; die Beiträge liefern jedoch die Aussteller selbst. Kommerzielle Pressedienste, die Redaktionen mit Nachrichten aus Wirtschaft und Industrie beliefern, sammeln lediglich die Texte ein, die in den diversen Abteilungen „Unternehmenskommunikation“ sorgfältig gedrechselt wurden. Wie groß die Wiedereröffnung des Kaufhauses nach dem Umbau in der Zeitung herauskommt, hängt von der Summe ab, die es für Inserate im Blatt investiert.

Die Berufseinsteiger wissen, was in der Branche los ist und halten dennoch am Glauben fest, „dass Werbekunden nur in journalistischen Randbereichen Einfluss haben: in der Fachpresse, bei Beilagen oder billigen Blättern im Bildzeitungsstil“. Dementsprechend harsch fällt ihr Urteil aus, wenn derzeit in so manchem angesehenen Zeitungsverlag erwogen wird, Specials und Sonderseiten künftig unter die Regie des Anzeigenleiters zu stellen und von weisungsgebundenen PR-Assistenten mit niedrigem Gehalt aus kostenlos beziehbarem Content zusammenbauen zu lassen: „Ein solches Medium verkauft seinen journalistischen Anspruch.“

Andererseits verhehlen einige der Studenten nicht den Reiz, der von „pfiffigen, gut gemachten Sachen ausgeht, die Unternehmen gratis anbieten.“

Als Redakteure in seriösen und ambitionierten Presseerzeugnissen wollen sie später „ein waches Auge auf die Qualität von Texten und auf die saubere Trennung von PR und Journalismus werfen“. Also auch Freien auf die Finger schauen, deren Artikel möglicherweise von erwähnten Firmen gesponsert sind. Die Namen der Unternehmen müssen raus!

Den Münchner Journalistenschülern ist klar, dass viele Freie mit dem spärlichen Zeilenhonorar oft nicht über die Runden kommen und zusätzliche Einnahmequellen bei der werbetreibenden Wirtschaft suchen: „Man kann ihnen keinen Vorwurf machen.“ Außer vielleicht den einen, nicht konsequent genug zu sein: „Die Leute müssen sich entscheiden: Wenn sie von dem Geld, das sie im Journalismus verdienen, nicht leben können, sollen sie ganz den Job wechseln und gut bezahlte PR machen. Aber nicht so Halbe-Halbe.“


 

„Train the trainer“
ist ein Recherche- Seminar des netzwerkes recherche in Kooperation mit der Evangelischen Medienakademie, der dju in verdi und der Zentralen Fortbildung von Programmmitarbeitern von ARD / ZDF vom 17. bis 19.Januar 2003 in der Ev. Medienakademie, Jebensstr. 3, 10623 Berlin.

Zielgruppe: Trainer, die bereits Recherche-Seminare durchgeführt haben und Interessenten, die künftig Recherche-Seminare verantwortlich gestalten und umsetzen wollen; Verantwortliche für Personalentwicklung (Weiterbildung) von ARD und ZDF sowie von Journalistenschulen und Universitäten (Journalisten-Ausbildung). Leitung: Dr. Thomas Leif (netzwerk recherche, Chefreporter SWR und Dr. Michael Rediske, Evangelische Medienakademie)

Teilnehmerbeitrag: 100 Euro für die Teilnehmer, kostenlos für Mitglieder des netzwerkes recherche.

Übernachtung: Bitte privat regeln (bei Problemfällen bitte an die Veranstalter wenden).

 

 

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