Johnny can’t read

Johnny can’t read, Johnny kann nicht lesen. Johnny, das ist ein Drittel der US-amerikanischen Jugendlichen, und wenn Johnny nicht lesen kann, dann kriegt Johnny einen Computer. Der hilft Johnny dann auf die Sprünge. Nicht, daß er Johnny das Lesen beibrächte, das tut er nicht, der Computer, aber er macht aus Johnny ein nützliches analphabetisches Mitglied der US-amerikanischen Gesellschaft. Johnny kann gerade mal die Straßennamen seines Wohnviertels und Comic-Hefte mit wenig Text und vielen Bildern lesen, aber mit dem Computer und der Fernbedienung des Fernsehers kommt er gut zurecht. Für mehr braucht ihn die US-amerikanische Gesellschaft auch nicht.

Das alles wissen wir, nicht weil wir uns in den USA so gut auskennen, sondern weil wir den Professor Joseph Weizenbaum zu Gast hatten, und weil er es war, der uns das gesagt hat. Auch an den Eliteschulen Massachusetts Institut of Technology und Cambridge University sind die meisten Studenten schlecht. Und die Professoren sind es auch, sagte Weizenbaum, und die vielen wissenschaftlichen Zeitschriften in den USA, die werden von absolut niemandem gelesen, und der Professor meinte: Sie werden auch von absolut niemandem geschrieben. In Europa kriegen wir das noch.

Zum Teil haben wir es schon: Das Volksvermögen wird von den Regierungen den Konzernen, Großaktionären und Reichpelzen zugeschanzt, damit sie Arbeitsplätze schaffen. Die aber schaffen Arbeitsplätze ab und spielen mit den Rationalisierungsgewinnen in den Devisen-Casinos der Welt. Mit den Casino-Gewinnen bauen sie Waffen-Computer zum Niederschlagen von Aufständen in den armen Ausländern und Personal-Computer zur Zerschlagung von Arbeitsstrukturen in den reichen Ländern. Durch die Produktion von Arbeitslosen senken sie die Betriebskosten, die Betriebe schrumpfen auf die Größe eines Computerchips zusammen, die restlichen Arbeitsplätze werden in die Wohnungen verlegt, und die Gewerkschaften stehen betriebslos und dumm da.

Was tun, spricht Johnny? Wir stellen ein paar Fragen, die der Computer nicht beantworten kann. Wir beantworten sie selber: Warum kann Johnny nicht lesen? Weil er Hunger hat. Warum hat Johnny Hunger? Weil seine Eltern kein Geld haben. Warum haben seine Eltern kein Geld? Weil sie arbeitslos sind. Warum sind sie arbeitslos? Weil, siehe oben. Und warum werden die Gewerkschaften betriebslos? Weil, siehe ebenfalls oben.

Johnny can’t read, aber die Gewerkschaften können es. Jedenfalls noch. Sie werden sich also als Betriebslose mit den Arbeitslosen zusammentun. Sie werden die Arbeitslosen organisieren, damit sie in ihrer elenden Wut nicht auf die armen Ausländer im Lande losgehen, sondern ihr Wütchen an den Richtigen kühlen: an den Profiteuren und den Regierungen, die nach deren Pfeife tanzen. Und der Weizen wird allen Völkern blühen, alle werden Früchte vom Baum der Erkenntnis essen, und Johnny kann wieder lesen. Denn, so weiß auch unser Professor Weizenbaum, minus mal minus gibt plus, und wenn sich zwei Loser zusammentun, können sie durchaus zu einem winning team werden. Ist doch ganz einfach.

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

RBB: Nach- und Neubesetzungen

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wird es voraussichtlich im Herbst eine neue Leitung der Programmdirektion geben. Es gehe darum, dann die Neubesetzung mit dem eingeleiteten Konsolidierungs- und Reorganisationsprozess aufeinander abzustimmen, erklärte der RBB auf Anfrage. Damit wird es keine schnelle Nachbesetzung der Programmdirektorenstelle geben.
mehr »

Journalismus unter populistischem Druck

Journalismus steht unter Druck. Das machte auch die Würdigung von Maria Kalesnikawa mit dem „Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte“ deutlich. Dieser wurde im Rahmen des „Kölner Forum für Journalismuskritik“ an sie verliehen. Klar wird auch hier: die Branche hadert generell mit ihrer Identität.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »