Solidaritätsstreik der „WR“- Redakteurinnen und -Redakteure

Hagener WAZ-Drucker im Arbeitskampf für einen Haustarifvertrag

Geschäftsführer Grotkamp und Schumann drohten mit dem Verlust der Arbeitsplätze – 50 Redakteurinnen und Redakteure traten in den Solidaritätsstreik.

Einen schwierigen Arbeitskampf führten die in der IG Medien organisierten Beschäftigten des Druckzentrums der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ) in Hagen-Bathey. Nach einer Urabstimmung in den Betrieben ZVW-Satztechnik (Vorstufe) und Druck- und Verlagszentrum (Druck), bei der 76,66% der Gewerkschaftsmitglieder für unbefristeten Streik votierten, begann am 23. April 1997 um 6.00 Uhr der unbefristete Streik. Das Ziel: die tarifvertragliche Absicherung der Arbeitsbedingungen und der Entgelte von rund 500 Beschäftigten in den bisher nicht tarifgebundenen Firmen durch Übernahme der für die Druckindustrie geltenden Flächentarifverträge.

Denn während der WAZ-Konzern mit seiner Essener Zeitungsdruckerei dem zuständigen Arbeitgeberverband angehört und damit die Tarifverträge gelten, wird in Hagen der Tarif nur von Geschäftsleitungs Gnaden angewandt. Da die Unterschrift unter einen Tarifvertrag für die Hagener Betriebe die WAZ demnach keinen Pfennig kosten würde, geht es der Geschäftsleitung bei ihrer Verweigerungshaltung offensichtlich um pure Ideologie. Oder es gibt Planungen, die Hagener Kolleginnen und Kollegen schlechterzustellen.

Der Arbeitskampf hinterließ deutliche Spuren bei den betroffenen Tageszeitungen „Westfälische Rundschau“, „Westfalenpost“, „Iserlohner Kreisanzeiger“ und Teilausgaben der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ sowie rund 80 Anzeigenblättern. Lokalteile wurden zu Bezirksausgaben zusammengelegt, Farbanzeigen und Schmuckfarben fehlten und farbige Beilagen waren mit schwarzen Rasterflächen geschmückt.

Statt Verhandlungen mit der IG Medien aufzunehmen, drohten die Geschäftsführer Grotkamp und Schumann am 29. April in Briefen an die Streikenden mit dem Verlust der Arbeitsplätze: „Wir setzen Ihnen hiermit eine Frist bis Freitag, den 02. 05. 97, 15:00 Uhr für die Wiederaufnahme Ihrer Arbeit oder Ihre Erklärung, Ihre Streikbeteiligung unverzüglich zu beenden. Sollten Sie diese Frist verstreichen lassen, so müssen Sie damit rechnen, daß wir aufgrund entsprechender organisatorischer und personeller Maßnahmen auf Ihren Arbeitseinsatz verzichten werden, wenn Sie sich zu einem späteren Termin zu den Schichten zurückmelden.“

Daraufhin traten am 1. Mai mehr als 50 Redakteurinnen und Redakteure der „Westfälischen Rundschau“ in den Solidaritätsstreik. Einige Redaktionen blieben geschlossen.

Ergebnis: Von 180 geplanten Seiten konnten nur 100 produziert werden. Viele Lokalausgaben der WR erschienen mit erheblich reduzierten Umfang, in Dortmund Süd und Letmathe fielen sie ganz aus. In der Zentralredaktion in Dortmund waren alle festangestellten Fotografen im Ausstand. Über den Solidaritätsstreik der Redakteurinnen und Redakteure wurden die Leser nicht informiert. In dem seit Tagen üblichen Hinweis auf der Titelseite war nur vom Streik der Technik die Rede.

Am 2. Mai entschieden die Beschäftigten in einer Streikversammlung, den unbefristeten Vollstreik vom 4. Mai an zunächst auszusetzen, um den Arbeitskampf in den folgenden Wochen flexibel fortzusetzen und so noch gezielter Druck ausüben zu können. Die IG Medien bekundete noch einmal ihre Bereitschaft, jederzeit in Tarifverhandlungen einzutreten.

 

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

RBB: Nach- und Neubesetzungen

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wird es voraussichtlich im Herbst eine neue Leitung der Programmdirektion geben. Es gehe darum, dann die Neubesetzung mit dem eingeleiteten Konsolidierungs- und Reorganisationsprozess aufeinander abzustimmen, erklärte der RBB auf Anfrage. Damit wird es keine schnelle Nachbesetzung der Programmdirektorenstelle geben.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »