Langwierige Tarifverhandlungen bei RTL fortgesetzt
Die seit Monaten stockend laufende Tarifrunde bei RTL wird am 19. September (nach Redaktionsschluss) fortgesetzt. Die Verhandlungen fallen in eine Zeit hoher Umsatz- und Ergebnissteigerungen bei der RTL-Group gepaart mit einem unfairen Abbau bisheriger guter Arbeitsbedingungen.
Wenn RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt von ihren Führungskräften verlangt, sie sollen „unsere Werte vorleben“, indem sie „nicht Wasser predigen und Wein trinken“ (Die Zeit), fragt man sich angesichts ihres derzeitigen Vorgehens schon, wie sie das meint? „Wir wollen von 38 Stunden zurück zur 40-Stunden-Woche“, so die Geschäftsführerin in der Zeit. Sie wolle die Zuschläge für Mehrarbeit weitgehend abschaffen und neu eingestellten Mitarbeitern etwa 20 Prozent weniger bezahlen als bisher. Mit eisernem Besen werden die Unternehmensstrukturen durchgekehrt. Mitarbeiter gehen von Tür zu Tür und prüfen, wer entbehrlich ist. Erstes Ergebnis seien, so Schäferkordt Mitte August, 15 betriebsbedingte Kündigungen bei RTL Television. Die Tarifverhandlungen zeitigen nach 11 Runden keine Annäherung an die detaillierten Vorschläge der Gewerkschaft zur Eingruppierung, dem zukünftigen Entgeltssystem oder beschäftigungssichernden Instrumenten. Zum Ende des Jahres wurde auch der Manteltarifvertrag gekündigt. Gibt es bis dahin keine neuen Verträge, bewegt sich RTL im tariflosen Zustand. Gehälter und sämtliche Arbeitsbedingungen können nahezu willkürlich festgelegt werden.
Völlig offen ist in den Verhandlungen die Kernfrage: Welche Tarif- und damit Mindestgehälter bei einem Neuabschluss der Tarifverträge für RTL und die Regionalfenster bei Neueinstellungen gelten sollen. Aus der Sicht des Senders ist bei den Tarifgehältern ein radikaler Schnitt für einen Neuabschluss erforderlich. Nach Auffassung der Gewerkschaften muss sich eine neue Entgeltstruktur aber an den branchenüblichen Standards orientieren. Erneut diskutiert wurde auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen weitere RTL Unternehmen wie Vox, n-tv oder die Produktionstochter CBC in den Geltungsbereich eines neuen Tarifvertrages einbezogen werden können. Da bei der Zusammenführung der Senderfamilie in Köln-Deutz beabsichtigt wird, Abteilungen zu fusionieren, haben die Gewerkschaften ein beschäftigungssicherndes Instrument gefordert, um Personalabbau und Lohnkonkurrenz zu vermeiden.
Bei Europas größtem privaten Fernsehanbieter, RTL-Group (Luxemburg), stieg der Umsatz dank florierender Werbemärkte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19,1 Prozent auf knapp 2,9 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Firmenwertabschreibungen (EBITA) erhöhte sich um 26,5 Prozent auf 478 Millionen Euro, teilte das Unternehmen, das zu knapp 90 Prozent zum Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann gehört, am 30. August mit. Die deutsche RTL-Senderfamilie habe mit einem Anstieg von 40,4 Prozent beim operativen Ergebnis und 11,1 Prozent beim Umsatz überdurchschnittlich zu der positiven Entwicklung beigetragen, sagte RTL-Group-Vorstandschef Gerhard Zeiler.