Signale aus Prag

Die Deutsche Welle braucht eine parteiunabhängige und fachlich kompetente Leitung

„Die revoltierenden Angestellten sind durch die Tatsache beunruhigt, dass die Wahl des Fernsehdirektors politisiert wurde und dass über die Besetzung des Postens die Parteispitzen der regierenden Sozialdemokraten und der mit ihnen durch das Tolerierungsabkommen verbundenen Bürgerdemokraten mitentschieden.“

Kampf

Mit diesen Worten charakterisierte der Nachrichtendienst der Deutschen Welle die Situation im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Tschechiens kurz nach Weihnachten im vergangenen Jahr. Der machtpolitisch motivierte Eingriff der Parteien in die Rundfunkfreiheit von Ceskñ Televiza (CT) beunruhigte nicht nur die Rundfunkbeschäftigten. Zu Tausenden gingen tschechische Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag auf die Straße, um gemeinsam mit den Streikenden die gerade 10 Jahre junge Rundfunkfreiheit und Unabhängigkeit der Medienschaffenden zu verteidigen. Mit Erfolg: Nach sechs harten Wochen der Auseinandersetzung gibt es einen neuen Interims-Intendanten und ein neues Rundfunkgesetz, das über seine weitere Zukunft entscheiden wird. Mit ihrem erfolgreichen Einsatz für einen parteiunabhängigen Rundfunk haben die CT-Beschäftigten und die Bevölkerung ein Stück Rundfunkgeschichte für die Zukunft Europas geschrieben.

Kompromisse

Im Westen gibt es (noch) nichts Neues. Der amtierende Intendant einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, der Deutschen Welle, ist (kurz) vor Ablauf seiner Amtszeit zurückgetreten, um nicht wieder zu kandidieren. „Wohlinformierten Kreise“ bestätigten glaubhaft, dass der favorisierte Nachfolger im Konsensverfahren der beiden großen Volksparteien bereits gefunden wurde. Seine Qualitäten werden hinter vorgehaltener Hand und z.T. offen bezweifelt. Nicht nur von Beschäftigten, auch von Medienexperten und eigenen Parteigenossen. Was anscheinend zählt, ist wieder einmal das Parteibuch. Das hat, entgegen anderslautender einschlägiger gesetzlicher Regelungen, schlechte Tradition in der Bundesrepublik. Aber: trotz Absprache nach dem Muster: „tolerierst du meinen Parteigänger, akzeptiere ich deinen“ gibt es weitere Kandidaten. Mit denen muss die vom Rundfunkrat installierte Findungskommission sprechen.

Kriterien

Kriterien sind gefordert: Fundierte fachliche Kenntnisse, Führungsqualitäten, die in den Beschäftigten und ihren Kompetenzen das Hauptpotenzial des Senders sehen, sowie Vorstellungen über ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept. Die Revolutionen in Mittel- und Osteuropa, der wachsende Einfluss demokratiefeindlicher und emanzipationshemmender Kräfte, sowie die Auswirkungen zerstörerischer, globaler Wirtschaftsentwicklungen, die die Kluft zwischen armen und reichen Länderen noch vertiefen, erfordern auch angemessene Medien- und Kommunikationssysteme. Wenn die Deutsche Welle ihrem daran zu messenden Auftrag gerecht werden soll, muss sie selbst mit ihren Gremien und ihrem Sendeauftrag den Anforderungen eines freien, demokratischen Rundfunks gerecht werden.

Staats- und Parteiferne sind das Gebot der Stunde. Dies gilt auch und gerade für die Intendantenfindung und -wahl. Im Paragraf 25 des Gesetzes über den deutschen Auslandsrundfunk heißt es: „Die Mitglieder der Gremien vertreten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Interessen der Allgemeinheit. Sie sind weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden.“ Bleibt die Hoffnung, dass die Signale aus Prag in Köln und Berlin empfangen und verstanden werden.

 

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