Zusammenrücken mit Fragezeichen

Redaktionsstellen bei der Nürnberger Zeitung abgebaut

„Die aktuellen Entwicklungen in der heimischen Medienlandschaft sind beunruhigend“. Die auffälligste zurzeit: „Die Nürnberger Zeitung (NZ) soll in Zukunft enger mit den Nürnberger Nachrichten (NN) kooperieren. Acht bis zwölf Redaktionsstellen sollen bei der NZ abgebaut werden. Was wird aus den Kolleginnen und Kollegen? Was bedeutet das Zusammenrücken dieser Redaktionen für die Freien?“ fragt Klaus Schrage, Mittelfranken-Sprecher der dju und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Verlag Nürnberger Presse.

Bekannt ist seit Jahren: Die Gesamtauflage des durch einen Werbeverbund verknüpften Doppels aus NZ und der „großen Schwester“ NN sinkt kontinuierlich. In den letzten fünf Jahren nahm die Abonnentenzahl beider Blätter von 274.000 auf 253.000 ab. Nur etwa jeder Zehnte davon hat die NZ abonniert. Das Blatt mit grünem Logo soll eher konservativ-bürgerliche Schichten ansprechen, während die NN mit dem roten Titel mehr eine linksliberale politische Linie fährt. Doch trotz ihrer verhältnismäßig geringen Auflage ist die NZ-Redaktion mit etwa 60 Redakteurinnen und Redakteuren in den tagesaktuellen Ressorts Politik, Lokales, Region/Bayern, Wirtschaft, Feuilleton, Sport nicht proportional schwächer besetzt als die NN. In beiden Blättern sind gleich viele Seiten täglich zu füllen. „Mit weniger Leuten das eigenständige Profil bewahren, wird sehr schwer. Wir fürchten, dass die Arbeitsverdichtung immens zunimmt für die Kollegen, die bleiben“, sieht Marco Puschner, Betriebsratsvorsitzender der NZ, voraus. „Es herrscht heftiger Flurfunk und große Verunsicherung in der Belegschaft“, so der erfahrene Lokalredakteur.
Bekannt ist bisher: Die Redaktion der NN soll den NZ-Ressorts Region/Bayern, Feuilleton und Wirtschaft möglichst komplette Seiten zuliefern und so das wegfallende Dutzend Redakteure ausgleichen. „Wie man genau das NZ-Profil trotz Stellenabbau halten will, ist bisher nicht offiziell verkündet worden“, kritisiert Puschner die Geschäftsleitung. Aus der Chefetage heißt es lapidar, eine Entscheidung solle zeitnah fallen. Dabei ist „die Tatsache, dass es Strukturreformen geben soll, seit der Betriebsversammlung am 23. Mai bekannt. Seit Ende Juni wissen wir vom Stellenabbau“, sagt der NZ-Betriebsratschef. Doch Mitspracherecht haben die Arbeitnehmer keines. „Wir haben die Betriebsversammlung einberufen, um einen offenen Dialog zu ermöglichen. Zumindest sind die Kollegen ihre Fragen losgeworden.“
Antworten gab es kaum. Die Geschäftsführung verrät momentan wenig von ihren Plänen. Das Schweigen sei mit dem Hinweis auf den „Tendenzbetrieb“

Das Pressehaus Nürnberg unter den wachsamen Augen von Willy Brandtz Foto: Frank Zeisig
Das Pressehaus Nürnberg unter den wachsamen Augen von Willy Brandtz
Foto: Frank Zeisig

begründet worden. „Wir ringen jedoch darum, gehört zu werden und mitwirken zu dürfen. Wir wissen, die Belegschaft steckt voller guter Ideen“, so Puschner. „Wir machen ein gutes Produkt und haben eine sehr gute Mannschaft. Insgesamt muss die Öffentlichkeit an einer bunten, vielfältigen Medienlandschaft interessiert sein. Wir fordern deshalb immer wieder, das NZ-Profil in der Öffentlichkeit zu schärfen, wünschen uns einen guten, eigenständigen Werbeauftritt“, setzt der Betriebsrat auf die Leser und das Prinzip Hoffnung.
Die Möglichkeiten der Gewerkschaft sieht auch Bernd Mann, Landesmediensekretär der dju in Bayern, durch den Tendenzschutz eingeschränkt: „Wir können nur versuchen, die Diskussion um die Grundwerte der Meinungsfreiheit und des Journalismus öffentlich zu führen. Aber wie sollen wir die besondere Rolle der Zeitung im Ringen um Presse- und Meinungsfreiheit aufrechterhalten, wenn die Redaktionen ausgedünnt werden?“ sagt er mit Blick auf die Gesamtsituation in Nürnberg.
Denn der Fall NZ ist momentan nicht der einzige Brandherd, den die dju im oft so friedlich scheinenden Mittelfranken sieht. So hatte der Oschmann-Konzern („Gelbe Seiten“) vor gut zwei Jahren die Nürnberger Lokalausgabe der Abendzeitung vom Münchner Verlag übernommen. Aber statt nach oben ging es beim früheren „8-Uhr-Blatt“ steil nach unten. Trotz der stärkeren fränkisch-lokalen Ausrichtung des Boulevardblatts „ist die Auflage eingebrochen. Die Redaktion ist um ein Fünftel geschrumpft, wer anderswo unterkommen kann, verlässt das Haus. Und auch bei ´Franken TV´ werden Profis durch Billigkräfte ersetzt“, berichtet Klaus Schrage in einem dju-Brandbrief, den auch die Nürnberger ver.di-Mediensekretärin Barbara Schneider mitträgt. Und beim RTL-Lokalprogramm „Franken TV“ stehen bei Außendrehs fast nur noch Praktikanten vor und hinter den Kameras, berichten Insider.
Dennoch: Die NZ ist das drängendste Problem, mit dem sich die Nürnberger dju aktuell beschäftigt. Dabei sind die zu hohen Kosten bei sinkenden Einnahmen bei der NZ nicht wirklich neu. Bereits in einer internen Notiz aus dem Jahr 2002 werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten benannt. Fast alle Bilanzen der „Nordbayerischen Verlagsgesellschaft mbH“ weisen seither knapp siebenstellige Jahresverluste auf; die einst hohen Gewinnvorträge sind langsam aufgezehrt. Warum hat die Geschäftsleitung zehn Jahre lang nichts Ernsthaftes dagegen unternommen? „Das ist eine gute Frage, die wir auch stellen. Aber auch da bekommen wir keine befriedigende Antwort“, so NZ-Betriebsratschef Marco Puschner. „Die Kolleginnen und Kollegen befürchten einen Bruch mit der Unternehmenskultur. Ein Arbeitsplatz bei den Verlagen des Nürnberger Pressehauses hat bislang als absolut sicher gegolten“, ergänzt Klaus Schrage.

 

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