Gegen Internetzensur

Es ist beeindruckend, mit welcher Kraft das weltweite Web gerade in aktuellen Umbruchzeiten freie Meinungen verbreitet, Bilder und jedwede Information weiterträgt und zu Protesten mobilisiert. Das macht Mut und nährt die Hoffnung für einen demokratischen Wandel in vielen Ländern. Gerade deshalb wird das Netz von Diktaturen wie China und von Despoten a la Gaddafi gefürchtet, werden Online-Journalisten und Blogger wie in Russland bedroht, Internetangebote von Sendern wie der Deutschen Welle im Iran an der Ausstrahlung gehindert.


Jedem dritten Internetnutzer weltweit bleibt der Zugang zu einem freien Netz verwehrt. In zehn Staaten sind die Netzüberwachung und die Verfolgung von Usern so stark, dass sie den Titel „Feinde des Internets“ verdienen. Das ist das Fazit des Internet-Berichts den Reporter ohne Grenzen (ROG) zum „Welttag gegen Internetzensur“ am 12. März herausgibt. Wie wichtig dieser Protesttag ist, den ROG vor zwei Jahren erstmals initiiert hat, zeigt der 100seitige Report mit einer erschreckenden Bilanz.
„In etwa 60 Staaten zensieren die Regierungen das Internet und verfolgen Internetnutzer. Mindestens 119 Blogger und Online-Aktivisten sind derzeit im Gefängnis, weil sie das Internet genutzt haben, um frei ihre Meinung zu äußern“, so ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard. Die Online-Überwachung und -Manipulation nimmt nicht zuletzt aufgrund neuster Techniken zu. Staatliche Mitarbeiter oder eine eigens geschaffene Cyberpolizei kontrollieren Inhalte im Netz oder infiltrieren soziale Netzwerkseiten.
Auf der Liste der „Feinde des Internets“ stehen wie in den beiden Vorjahren Birma, China, Kuba, Iran, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien, Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. Das EU-Mitglied Frankreich und die Staaten Libyen und Venezuela stehen in diesem Jahr erstmals „Unter Beobachtung“. In Frankreich stimmte die Nationalversammlung in zweiter Lesung im Februar 2011 einem Online-Gesetzespaket zu. Danach könne das Innenministerium unter anderem ohne gerichtliche Anordnung Provider anweisen, die Webseiten ihrer Kunden nach pädophilen Inhalten zu filtern. Die Schlüsselwörter hierfür suche eine Regierungsbehörde aus, heißt es im ROG-Bericht.
Den diesjährigen „Netizen-Preis“ von ROG erhält das tunesische Blog „Nawaat“ (http://nawaat.org). „Während der Herrschaft unter Präsident Ben Ali gehörte Nawaat zu den wenigen kritischen Online-Plattformen in dem nordafrikanischen Land“, heißt es in der Begründung. Das Blog berichtete maßgeblich über die politischen und sozialen Unruhen in Tunesien. Besonders spektakulär sei die Berichterstattung aus der Stadt Sidi Bouzid gewesen, wo die Massenproteste im Dezember 2010 begannen. In den klassischen Medien war zu diesem Zeitpunkt noch nichts darüber zu lesen.

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »

Rechtsextreme im Fernsehen

Durch meine Eltern habe ich Anstand und Respekt beigebracht bekommen. Daher missfällt es mir, Menschen nicht anzuhören, nur weil sie eine andere oder unliebsame Meinung vertreten. Das geht mir auch so bei der Frage, ob man Politikerinnen und Politiker der rechtsextremen AfD in TV-Talkshows einladen sollte. Ein grundsätzliches „Nein“ behagt mir nicht. Ein offenes „Ja“ kommt mir allerdings auch nicht über die Lippen, angesichts der AfD-Auftritte gerade im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl. Was also tun?
mehr »

dju: Mehr Schutz für Journalist*innen

Anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit am 3. Mai fordert die Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union (dju) in ver.di von Arbeitgeber*innen und Auftraggeber*innen in Rundfunk und Verlagen, den Schutz angestellter und freier Medienschaffender zu verbessern.
mehr »