Im Unterschied zur Fusionsdebatte auf der letzten Bundesfachgruppenkonferenz 2007 bestimmte eher gewerkschaftliche Normalität die nunmehr 3. dju-Bundeskonferenz und die 2. Bundesfachgruppenkonferenz Medien in ver.di am letzten Februarwochenende 2011. Themen wie Tarifpolitik und die Herausforderungen der aktuellen Tarifrunden mit Blick auf die Arbeitsbedingungen in der Medien- und Filmbranche prägten Referate, Anträge und Diskussionen. Um Krisenberichterstattung und den richtigen Umgang mit dem Netz ging es ebenfalls beim dreitägigen Konferenzmarathon.
Zwischen den tarifpolitischen Polen spannte sich die Tagesordnung der Bundeskonferenz der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di am 25. Februar, die naturgemäß auch von Kandidatenvorstellungen, Nominierungen, Wahlen und einer engagierten Antragsberatung bestimmt wurde. Im Bericht über die vergangenen vier Jahre war von Beispielen und „auffälligen Höhepunkten“ zu lesen, die zwar „die Alltagsarbeit beileibe nicht abbilden“, jedoch Kräfte erforderten und die Außenwirkung mitbestimmten: „vier Journalistentage, die Verabschiedung eines modernen Journalismus-Berufsbildes, zwei Fotografentage, eine Vielzahl von Seminaren und ein dju-Film“ sowie gewachsene öffentliche Wahrnehmung stehen auf der Haben-Seite. Doch dann bereits der Blick auf den Alltag und die Mühen der Ebene: In Verlagen und Redaktionen hatte man sich mit „Personalabbau, Leiharbeit, Outsourcing und anderen Formen der Tarifflucht“ auseinanderzusetzen, vielerorts sei von „Einschüchterung und Angst die Rede“. Die Zahl der Mitglieder sei bei 18.800 angekommen und damit zwar noch immer rückläufig, jedoch mit „deutlich verlangsamt“(em) Trend.
Dass die Verleger bei der dritten Verhandlungsrunde für die Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen im Dezember „die Katze aus dem Sack“ gelassen und ihre tariflichen Rückbau-Forderungen offenkundig gemacht hatten, ergänzte dju-Vorsitzender Ulrich Janßen mündlich die Momentaufnahmen aus der Praxis. Beim Verhandlungstermin im Februar war den BDZV-Vertretern der Weg zum Verhandlungsraum mit Fotos von Redaktionsbeschäftigten „gepflastert“ worden. Die Arbeitgeber hätten also das tun müssen, was sie mit ihren Vorstellungen zu Arbeitsbedingungen und Entgelt von Tageszeitungsjournalisten ohnehin planen: Sie mit Füßen zu treten. Der Eklat folgte postwendend, sie weigerten sich zu verhandeln. Ein Beschluss der ver.di-Tarifkommission habe bereits vor Wochen den Weg für einen Arbeitskampf frei gemacht. Nach anfänglicher Skepsis und teilweise sogar Ratlosigkeit, wie dafür in den Betrieben zu aktivieren und zu mobilisieren sei, habe sich, so Janßen, inzwischen „Erfreuliches getan“.
Zusammenhalt stärken
Gehäuft erreichten das speziell für Auftritte bei Betriebsversammlungen gebildete dju-Team Anfragen und Einladungen. Nach den ersten Warnstreiks am 23. Februar sei „zu sehen, dass der Protest wächst“. Die vorgestellten druckfrischen Plakate zur Tarifrunde wiesen gezielt darauf hin, dass die dju in ver.di mit „allen anderen Kolleginnen und Kollegen in den Verlagen und Druckereien eine Gewerkschaft“ bilde. Gemeinsame Tarifkonferenzen würden den Zusammenhalt stärken, gab sich Janßen optimistisch. Ergänzt wurde die Bilanz hinsichtlich der seit einem Jahr gültigen Vergütungsregeln für Freie an Tageszeitungen, die nur von wenigen Verlegern eingehalten werden und eine „Fair-Pay“-Kampagne der Gewerkschaften nötig machen. „Die Kampfansage geht weiter“, versicherte Bundesvorstandsmitglied Wulf Beleites, der dazu aufforderte, noch mehr Betriebsräte für das Anliegen der Freien zu gewinnen und die freien Kolleginnen und Kollegen bei den Verlagen besser zu vernetzen.
Neben der europaweiten Definitionsdebatte, „wer ein Journalist ist und wer nicht“ und der von dju und DJV angeschobenen Erarbeitung einer „Charter for credible journalism“ gehe es laut Arbeitsprogramm der Europäischen Journalistenföderation (EJF) bis 2013 um Themen wie „Urheberrecht, Arbeitsbedingungen und Tarifvertragssystem, die Probleme der Freien und die ‚Zukunft des Journalismus’“, erklärte Wolfgang Mayer, Schatzmeister der IJF. Mit der bevorstehenden Wahl einer voraussichtlich neuen Generalsekretärin der Internationalen Journalistenföderation (IJF) sei auch dort „Kontinuität in der Arbeit gesichert“. Die bestehende Arbeitsgruppe Internationales der dju sollte jedoch „aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden“, regte Mayer an.
Die dju-Vertretung im deutschen Presserat bildete einen weiteren Schwerpunkt. Für das Selbstregulierungsgremium bedeutete die Erweiterung seines Tätigkeitsfeldes auf Online-Publikationen einen „deutlichen Anstieg der Beschwerdezahlen“. Auch „Massenbeschwerden zum selben Anlass“ seien ein neu zu bewältigendes Problem. dju-Bundesvorstandsmitglied Manfred Protze, zeitweiliger Sprecher des Presserates und persönlich an der Bearbeitung von bereits 9.000 Beschwerden beteiligt, bezeichnete die auch von der dju geleistete Solidarität für die beiden kürzlich im Iran festgehaltenen Journalisten Grundrechten und Menschenwürde verpflichtet. Solche Solidarität für Berufskollegen sei „nicht teilbar“ und unabhängig „von der Tendenz des Mediums, das sie vertreten“. Dennoch sei es nötig, über bessere Vorbereitung und Risikoabsicherung journalistischer Arbeit bei Auslandseinsätzen und in Krisengebieten zu diskutieren. Die Auftraggeber und Verwerter von Berichterstattung – also Sender und Verlage – seien mehr als bisher für eine effektive Versicherung von Journalisten und ihrer Angehörigen in die Fürsorgepflicht zu nehmen, was die Helfer vor Ort einschließe. Der Konferenz wurde ein Antrag zur Verantwortung der Medienarbeitgeber für Journalisten in Krisengebieten vorgelegt, den die Delegierten einstimmig billigten.
Länder- vor Ressortmodell
Die Einhaltung von Qualitätsstandards und des Pressekodex’ prägte auch die Vorstellung der dju-Kandidaten für den Deutschen Presserat. So berichtete Sigrun Müller-Gerbes, zeitweilig Vorsitzende des Beschwerdeausschusses 1, von ihrer Arbeit für Qualitätssicherung. Eckhard Stengel beschrieb persönliches Bemühen um Verbote grausigster Gewaltdarstellungen auf Titelblättern sowie die Einführung von strengeren Regeln für Infografiken und Diagramme.
Inhaltliche und Strukturdebatten entspannen sich bei der Vorstellung der Kandidaten für den neuen dju-Bundesvorstand. Georg Escher (Bayern) warf die Frage auf, ob das bisher praktizierte und sowohl vom Bundesvorstand als auch den Landesgliederungen weiter favorisierte „Ländermodell“ zur Vorstandsbesetzung tatsächlich zeitgemäß und funktionsfähig sei. Er regte an, „selbstkritischer zu reflektieren“, ob ein „Ressortmodell“, bei dem sich Kandidaten vorrangig für bestimmte Aufgabengebiete bewerben, nicht für mehr Kompetenz, Austausch und Nachwuchs garantieren könne. Einem entsprechenden Strukturvorschlag folgten die Delegierten jedoch nicht. Zu einem fundierten Diskussionsbeitrag in Sachen prekärer Beschäftigung gestaltete Vorstandskandidat Norbert Freund (Rheinland-Pfalz/Saar) seinen Redebeitrag. Um der ausufernden Leiharbeit in Verlagen Herr zu werden, seien Politik und Gesetzgeber in der Pflicht. Über Tarifverträge sei das Problem nicht zu lösen. Doch schaffe es zunehmenden Druck nicht nur auf Einzelne, sondern unterminiere selbst den gesetzlichen Kündigungsschutz. Für ein wirksames Vorgehen gegen Kettenbefristungen, Outsourcing und Scheinselbständigkeit mahnte Freund Protestaktionen und Lobbyarbeit sowie ein „durchdachtes gewerkschaftliches Konzept“ an.
Diese Forderung reflektierte sich im medienpolitischen Leitantrag „Professioneller Journalismus hat Zukunft“, den die Konferenz beschloss. „Notwendige Bedingung für unabhängigen Journalismus sind angemessener Lohn und innere Pressefreiheit“, heißt es dort. Die dju, ver.di insgesamt, aber auch Medieneigentümer, Gesellschaft und Politik werden aufgefordert, die „Kernaufgabe von Journalismus“ – die Auswahl, allgemeinverständliche Darstellung und Bewertung von Informationen – angesichts „struktureller und akuter Bedrohungen“ und einer wachsenden Flut von Informationen im Internet „zu erhalten und weiterzuentwickeln“. Weitere verabschiedete Anträge betreffen die Zukunft der Presseförderung, die Sicherung der Pressefreiheit angesichts möglicher Gefahren durch terroristische Anschläge, Initiativen für die Weiterentwicklung der Zeitschrift „M“ und die – auch finanzielle – Unterstützung von dju-Nachwuchsprojekten auf Länder- und Bundesebene.