Mit einer klugen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr das Recht Betroffener eingeschränkt, auf unliebsame Medienberichte in jedem Fall mit einer Gegendarstellung reagieren zu können. Wäre die rechtliche Schwelle zu niedrig, würden die Medien mit Gegendarstellungen überhäuft, urteilten die Richter. Das würde zu einer starken Zurückhaltung in der Berichterstattung führen und widerspräche dem Ziel, „auf ein hohes Maß an Informiertheit der Öffentlichkeit durch die Presse hinzuwirken und eine offene Diskussion zu ermöglichen“.
Die Gegendarstellung – eine Form der schnellen Entgegnung durch Betroffene auf einen Beitrag erfreut sich einer gewissen Beliebtheit. Schließlich muss sie nicht wahr sein. Im Gegenteil, der (die) Gegendarsteller(in) darf sogar lügen, die Berichte als unwahr bezeichnen. Auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung kann er oder sie die Gegendarstellung auch umgehend ohne Klageverfahren durchsetzen – leider gängige Praxis. Deshalb drucken Redaktionen derlei Begehr in der Regel ab. Sie können dann lediglich noch einen sogenannten Redaktionsschwanz anhängen. In diesem kleinen Zusatz dürfen sie mittteilen, dass sie „unabhängig vom Wahrheitsgehalt verpflichtet sind“, diese Gegendarstellung abzudrucken. Auch: „Die Redaktion bleibt bei ihrer Darstellung“ kann mitunter angefügt werden.
Lüge oder Wahrheit ist für den Leser jedoch oft in diesem Moment nicht zu unterscheiden. Und möglicherweise wird ein gut recherchierter Beitrag dadurch diskreditiert, eine Nachlese mit erhärtenden Fakten in einer nächsten Zeitungsausgabe vielleicht übersehen. Für diese Fälle bringt das höchstrichterliche Urteil einen Gewinn. Danach, so Karlsruhe, sind die Medien nur dann zur Verbreitung einer Gegendarstellung verpflichtet, wenn sich diese auf eine eindeutige Behauptung in einem Bericht bezieht. Fühlt sich der Betroffene lediglich durch eine fern liegende Interpretation des Textes nachteilig dargestellt, dann hat die Pressefreiheit Vorrang.
Damit gab das Karlsruher Gericht dem Spiegel recht. Er hatte 2004 über ein Gerichtsurteil berichtet, wonach eine ältere Dame mehr als 35 Millionen Euro an die Staatskasse zurückzahlen musste, da sie diese zu Unrecht erhalten hatte. (Az: 1 BvR 967/05 – 19. Dezember 2007). Mit einer Gegendarstellung wehrte sich die Frau. Nach den Worten der Karlsruher Richter waren die von der Klägerin angegriffenen Spiegel-Behauptungen jedoch mehrdeutig und ließen „vieles offen“. Das sei in der praktischen Medienarbeit zulässig. Die Garantie der Pressefreiheit erfordere es, in solchen Fällen eine Gegendarstellung abzulehnen.