Das Ende der Medienoligarchen

Rumänien: Verurteilungen wegen Korruption und weitere Ermittlungen

Sie kamen in den neunziger Jahren ans große Geld, gewannen Milliarden durch wenig transparente Privatisierungsdeals, profitierten von der damals noch unklaren Gesetzeslage und vom Immobilienboom, sie gründeten mächtige Konzerne, mischten in der Politik mit und kauften sich Zeitungen, Radio- und Fernsehsender. Jetzt sitzen sie fast alle hinter Gittern: Es ist das Ende der rumänischen Oligarchen.

Der ehemalige Besitzer des Trash-Fernsehsenders OTV Dan Diaconescu war zweifellos der schrillste rumänische Medienoligarch. Er moderierte selber jeden Tag eine fünfstündige Talkshow. Jetzt sitzt er im Gefängnis wegen Erpressung. Foto: George „Poqe“ Popescu

Die meisten Kommentatoren und Beobachter in Bukarest, Brüssel und Berlin begrüßen den neuen Eifer der Justizbehörden in Rumänien, die in der letzten Zeit viel systematischer gegen die weit verbreitete Korruption vorgehen und einen Schlussstrich unter den wilden Balkankapitalismus ziehen. Nachdem der wirtschaftsliberale, deutschstämmige Klaus Johannis Ende vergangenen Jahres überraschend zum Staatspräsidenten gewählt wurde, scheint diese großangelegte „Aufräumaktion“ unumkehrbar geworden zu sein.
Doch was bedeutet das für die rumänischen Medien, die sich seit Jahren im Besitz der „Kartonmilliardäre“ befinden? Zunächst eine gewisse Erleichterung in den Redaktionen, über die man allerdings nur hinter vorgehaltener Hand redet, solange die neuen Eigentumsverhältnisse noch nicht geklärt sind. „Mit den Oligarchen sind nicht nur einzelne Personen, sondern auch das gängige Geschäftsmodell der Branche dahin“, stellt der Publizist und Blogger Costi Rogozanu fest. „Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Politik und Medien könnte es natürlich auch in der Zukunft geben, aber nicht in der bisherigen, eher primitiven Form, die auf einer direkten Instrumentalisierung von Zeitungen und Fernsehsendern basierte. Insofern handelt es sich um eine vorerst positive Entwicklung, um eine Normalisierung der Machtstrukturen, die die Medienwelt umfassen.“
In der Tat gilt die undurchsichtige oder sogar zweifelhafte Finanzierung seit langem als eine Art Achillesferse der Medien nicht nur in Rumänien, sondern auch in anderen Ländern der Region. Mehrere spezifische Faktoren machen das Problem viel komplexer und akuter als in Mittel- und Westeuropa. Zum einen sind die Auflagen der überregionalen Zeitungen so schnell und tief gesunken, dass ernstzunehmende Analysen bereits jetzt von „Bedeutungslosigkeit“ berichten: Die auflagestärkste Qualitätstageszeitung, das Evenimentul Zilei, findet insgesamt lediglich 13.000 Abonnenten und Käufer, und selbst die größte Boulevardzeitung Click wird täglich nur von 110.000 Rumänen gekauft – das sind 0,5 Prozent der Bevölkerung. Zum anderen hatte die Wirtschaftskrise eine katastrophale Auswirkung auf die Werbeeinnahmen von allen Medien: Fünf Bukarester Tageszeitungen verzichteten seit 2009 auf die gedruckten Ausgaben, zahlreiche Beilagen und Zeitschriften wurden eingestellt, die Redaktionen halbiert oder zusammengelegt, die meisten Fernsehsender schreiben seitdem ständig rote Zahlen.
Vor diesem düsteren Hintergrund verließen viele ausländische Medienkonzerne das Land, wenn nicht schon die ganze Region, oder sie beschlossen, zukünftig auf das Nachrichtensegment zu verzichten und sich auf Unterhaltung zu konzentrieren. So zog sich etwa die deutsche WAZ-Gruppe 2010 aus Osteuropa zurück, und die schweizerische Ringier AG behielt in ihrem rumänischen Portfolio nur Boulevardblätter und Magazine wie Elle oder Bravo. Vom Rückzug des westeuropäischen Kapitals profitierten die einheimischen Oligarchen, deren Geschäftsmodell auf Medien als Druckmittel setzte. „Unmittelbar und rein finanziell sind Tageszeitungen oder Nachrichtensender zwar ein großes Verlustgeschäft, das andere Teile des Konzerns, etwa die Bauunternehmen querfinanzieren müssen“, erklärt Publizist Rogozanu. „Doch wenn es durch die Medien gelingt, Druck auf die Politik auszuüben, um an besonders lukrative öffentliche Aufträge für die gleichen Bauunternehmen zu kommen, dann läuft das Geschäft wie geschmiert.“
Das Rezept funktioniert allerdings nur, solange sich korrupte Politiker und Ministerialbeamte erpressen lassen und die zweifelhaften Deals nicht auffliegen. Doch eben das scheint seit einem Jahr nicht mehr der Fall zu sein: Einer nach dem anderen gerieten ehemalige und amtierende Abgeordnete, Bürgermeister, Minister und zahlreche Unternehmer ins Visier der mächtigen Sonderabteilung für die Bekämpfung der großen Korruption. Die Staatsanwälte gingen entschieden auch gegen Medieninhaber wie Dan Voiculescu, Sorin Ovidiu Vantu, Dan Adamescu, Adrian Sarbu, Sebastian Ghita oder Dan Diaconescu vor, die früher als „unantastbar“ galten und die zusammen fast die ganze rumänische Medienlandschaft besitzen. Vier von ihnen wurden bereits wegen Betrugs, Bestechung, Erpressung, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche verurteilt, in vielen anderen Verfahren laufen noch die Ermittlungen.
Dass das alte Geschäftsmodell der Medienbranche ausgedient hat, ist mittlerweile allen Beteiligten klar. Weniger klar ist, wie eine Alternative aussehen könnte. Die überwiegende Mehrheit der jüngeren Mittelschicht aus den Großstädten informiert sich fast ausschließlich online und meidet klassische Medien. Diese sehr aktive Bevölkerungsgruppe ist finanziell meistens besser aufgestellt und mehr an Politik interessiert als die älteren Generationen: Sie ist anders als in Deutschland in der Lage, die Konsumtrends für die ganze Gesellschaft zu diktieren und durchzusetzen. Selbst Gewohnheiten wie das regelmäßige Zuschauen der 20-Uhr-Nachrichten oder das Abonnieren einer Tageszeitung, die in Berlin noch als etabliert und „normal“ gelten, würden im digital sehr gut vernetzten Bukarest als altmodisch auffallen. Ob die neue Mittelschicht bald für Medieninhalte im Internet zahlen wird, steht jedoch noch in den Sternen.

    Osteuropa-Korrespondent Silviu Mihai aus Bukarest

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