Morgen wird in Berlin zum fünften Mal über die Gehälter und Honorare der rund 13000 Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen verhandelt. Bisher gab es wenig Erfreuliches zu vermelden – bis auf die bundesweiten Streiks, an denen sich vor der letzten Verhandlungsrunde etwa 1000 Beschäftigte beteiligt hatten. Bereits seit gestern ist die Warnstreikwelle nun wieder am Rollen. Und: Anders als sonst finden die Zeitungsstreikenden diesmal auch mediales Gehör. Bis heute haben mehrere große Blätter über ihren Kampf für mehr Geld und Wertschätzung berichtet.
„Die Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalisten gehen in die nächste Runde. Print profitiert nicht von der guten Konjunktur“ war heute etwa das Tagesthema in der Frankfurter Rundschau untertitelt. Dass dieser Artikel, zumal in seiner prominenten Platzierung und Ausführlichkeit, etwas ganz Besonderes ist, macht die Autorin Petra Sorge gleich zu Beginn klar, wenn sie auf den Auftritt des stellvertretenden dju-Vorsitzenden Peter Freitag vor 10.000 Streikenden aus dem Öffentlichen Dienst Mitte April in Hannover verweist. „Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv darüber informiert, warum ihr auf die Straße geht und wofür ihr kämpft. Auch die rund 13.000 Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen der Tageszeitungen sind gerade in einer Tarifauseinandersetzung. Aus den Zeitungen erfahrt ihr von unserem Arbeitskampf allerdings nur selten etwas. Die Manager in den Zeitungsverlagen wollen vermeiden, dass die Verhältnisse in ihren Häusern öffentlich diskutiert werden“, hatte Freitag den Beschäftigten zugerufen, von denen wohl nur die allerwenigsten um die Problematik der Zeitungsbranche Bescheid wussten.
Nur wenige Zeitungen klären ihre Leser_innen auf, warum es gerade Streiks in ihren Häusern gibt – die @fr tut es heute: Ich durfte das Tagesthema Seite 2/3 planen. Mit @DJVde @djuverdi @BdzvPresse pic.twitter.com/zjQ2JEMdto
— Petra Sorge (@petrasorge) 24. April 2018
Denn es geht um mehr als nur eine schnöde Tarifsteigerung. Die Journalistinnen und Journalisten wollen nicht länger von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt werden. Während andere Branchen, auch der öffentliche Dienst, durchweg von der guten wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, wird den Beschäftigten in Redaktionen nicht einmal ein Ausgleich der Teuerungsrate geboten. Einen Reallohnverlust sollen sie hinnehmen, geht es nach dem Verlegerverband BDZV. Der bot zuletzt eine Erhöhung der Gehälter und Honorare um jeweils 1,3 Prozent zum 1. Mai 2018 und zum 1. Mai 2019. Das führt aufs Jahr gesehen nur zu 0,86 Prozent mehr Geld und ist damit weit davon entfernt, überhaupt nur die Inflation auszugleichen. Doch es geht dabei auch um die Aufwertung eines Berufs – und darum, die Abwanderung des qualifizierten journalistischen Nachwuchses in andere, in lukrativere Branchen wie etwa den PR-Bereich zu verhindern. Die Gewerkschaften dju in ver.di und DJV fordern deshalb 4,5 Prozent mehr Geld und mindestens 200 Euro mehr für Berufseinsteiger_innen und Volontär_innen.
Was diesmal auf dem Spiel steht, verdeutlicht nicht nur die ungewohnte mediale Berichterstattung, sondern auch die ungeahnt überwältigende Streikbewegung. Seit gestern befinden sich bundesweit wieder zahlreiche Redaktionen im Ausstand, vor dem Nationaltheater in München versammelten sich die Journalistinnen und Journalisten aus mehreren bayerischen Städten zu einer zentralen Streikkundgebung, in Detmold, Essen und Rostock fanden Streikdemonstrationen statt. Die Süddeutsche Zeitung musste ihren Leser_innen heute – wie schon im Zuge der Streiks zur letzten Verhandlung – eine Streikausgabe in reduziertem Umfang, ohne Stadtviertel- und Landkreisausgaben, ankündigen. Erneut haben sich mehr als 1000 Beschäftigte an Streiks beteiligt, die teilweise noch bis zum Donnerstag, mindestens aber begleitend zur morgigen Verhandlung fortgeführt und sogar ausgeweitet werden sollen.
Die streikenden Journalistinnen und Journalisten der Ostsee-Zeitung (OZ) haben sich zudem in einem offenen Brief an Geschäftsleitung und Chefredaktion des Blattes sowie den BDZV gewandt: „Geben Sie uns endlich das, was wir verdienen, egal ob Feste oder Freie: Respekt, Anerkennung, Wertschätzung! Wissen Sie überhaupt, wie es mittlerweile in den Redaktionen aussieht? Seit Jahren bauen Sie massiv Personal ab, überschütten die Verbliebenen mit zusätzlichen Aufgaben für alle Kanäle und drücken immer weiter die Preise“, heißt es in dem auf einer Versammlung vor dem Medienhaus am Rostocker Steintor beschlossenen Schreiben. „Das bekommen vor allem diejenigen zu spüren, die Sie zu ,marktüblichen Konditionen’ in tariffreien Firmen anstellen und dort ,leistungsgerecht nach freier Vereinbarung’ vergüten oder die Sie als Freie mit mickrigen Honoraren abspeisen. Und dann wundern Sie sich, dass Sie keine guten Leute mehr finden, wenn es doch mal eine Stelle zu besetzen oder einen Auftrag zu vergeben gilt!“
Die fünfte Runde der Tarifverhandlungen beginnt morgen, den 25. April, um 12 Uhr in Berlin.
Laufend aktuelle Infos zu den Streiks und Verhandlungen auf der Website der dju in ver.di