Seit sieben Jahren fördert das Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) als Einrichtung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) innovative Projekte und vermittelt Medienkompetenz. Gefördert werden Studierende, Start-ups, Medienprofis und Journalist_innen mit bis zu 50.000 Euro. Auf der Media Convention Berlin (MCB), die vom 2. bis 4. Mai parallel zur re:publica am Berliner Gleisdreieck stattfand, wurden vier geförderte Tools und Prototypen für digitalen Journalismus vorgestellt.
FragDenStaatPLUS
Seit 2006 gibt es auf Bundesebene das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das es allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, bei staatlichen Stellen die Herausgabe von Informationen und Dokumenten zu beantragen. Zwar konnte für das Jahr 2017 mit 12.950 Anfragen bei Politik und Behörden ein neuer zahlenmäßiger Rekord verzeichnet werden, doch insgesamt wird vom Recht auf Informationsfreiheit hierzulande gerade im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien oder den USA noch viel zu wenig Gebrauch gemacht. Das MIZ-Tool FragDenStaatPLUS will insbesondere Journalistinnen und Journalisten helfen, die Möglichkeiten, die das IFG bietet, für umfangreiche, investigative Recherchen zu nutzen. Geleitet wird das Projekt vom Politikwissenschaftler und Träger des Otto-Brenner-Preises für kritische Medienpublizistik 2015 und 2016 Arne Semsrott. „Unser Open-Source-Tool ermöglicht es, die selbe Anfrage an potentiell hunderte Behörden gleichzeitig zu stellen“, erklärt er. Mit solch einer „Batch-Anfrage“ könne man beispielsweise bei allen über das Land verteilten Gesundheitsbehörden die Messungen erfragen, die diese zu bestimmten Medikamenten haben. Außerdem biete FragDenStaatPLUS Medien die Möglichkeit, ihre Leserinnen und Leser in den Rechercheprozess einzubinden. Für diese „Crowd-Recherche“ werden Nutzer_innen über die eigene Nachrichten-Website gebeten, bereits vorformulierte Anfragen zu übernehmen und an die entsprechende Behörde, etwa in ihrer Kommune, zu stellen. FragDenStaatPLUS sei grundsätzlich kostenlos, sagt Semsrott, und sei bereits mit vielen Redaktionen, darunter taz, SpiegelOnline und RBB, getestet worden. Trotzdem habe man die Weiterfinanzierung noch nicht klären können, Medienpartnerschaften würden dringend benötigt. Wer das Tool nutzen möchte, könne gern eine Mail an info@fragdenstaat.de senden.
Field Trip
Mit „Field Trip“ haben Dokumentarfilmregisseurin Eva Stotz und Autor und Produzent Frédéric Dubois, die das MIZ-Projekt auf der MCB vorstellten, einen interaktiven Dokumentarfilm geschaffen, der die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Tempelhofer Felds anhand der Menschen erzählt, die diesen Ort belebten und beleben. Vom ehemaligen Kofferträger im Tempelhofer Flughafen über den DDR-Flüchtling bis zum Flüchtling aus Afghanistan – mittels Klicks auf Hyperlinks in Form von Animationen können die Nutzerinnen und Nutzer bzw. Zuschauer_innen zwischen den über drei Zeitebenen verteilten Geschichten von mindestens 25 Personen hin- und herspringen. Im Frühjahr 2019 soll das Projekt online gehen, kündigt Stotz an. Bis dahin will man auf dem Tempelfhofer Feld auch noch eine sogenannte „Storyboxx“ aufstellen, eine Telefonzelle, die man mit einer 0800-Nummer erreicht und über die Nutzer_innen ihre eigenen Geschichten zum Tempelhofer Feld beisteuern können. FieldTrip benutze das Open Source Tool FrameTrail, erläutert Dubois. Alle Inhalte würden unter CC-Lizenz gestellt, damit die Gemeinschaft sie weiterbenutzen und -entwickeln könne. Das Tool eigne sich vor allem für Reportagen zu komplexen Orten, die nicht linear erzählt werden können, ergänzt Stotz. Aber auch für non-lineare Personenporträts, z.B. Künstlerbiographien, oder zur visuellen Archivierung abseits der klassischen Verschlagwortung.
SVIFT
Tools für die Datenvisualisierung gibt es bereits zahlreich, doch viele Journalistinnen und Journalisten nutzen sie nicht. Denn: Im journalistischen Alltag sei die Nutzung zu komplex und erfordere Zeit, die meist nicht vorhanden ist. Für manche Tools benötige man sogar Programmierkenntnisse, erklärt Forscher und Entwickler Sebstian Meier die Genese des Projekts SVIFT, ein Datenvisualisierungs-Tool, das es Journalist_innen ermöglicht, komplexe Sachverhalte und Entwicklungen für verschiedene Zielmedien (TV, Online, Print) zu veranschaulichen. Im Gespräch mit Medienschaffenden hätten er und sein Team im Vorfeld des Projekts versucht herauszufinden, welches die elementaren Kernvisualisierungen im journalistischen Alltag sind, die man nicht unbedingt an die Datenvisualisierungsabteilung geben würde. Daraus ist ein barrierefreies Open-Source-Tool entstanden, das seine Nutzer_innen mittels eines eigens entwickelten Chat Bots durch die einzelnen Visualisierungsschritte führt und die Ergebnisse bereits für alle Kanäle optimal aufbereitet ausspielt. Die Grundversion sei kostenlos, so Meier, eine Pro-Version werde gerade mit verschiedenen Medienhäusern getestet.
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Constructive VR
Ob und wie sich Virtual Reality (VR) und 360°-Technik als Instrumente für den konstruktiven Journalismus einsetzen lassen, diese Frage geht das Team des Projekts „Constructive VR“ um VR-Journalist Felix Gaedtke und VR-Filmschaffende Gayatri Parameswaran nach. Denn VR könne dabei helfen, sich besser in die Lage anderer zu versetzen, unzugängliche Orte zu erreichen, kurz: eine andere Realität zu erfahren, sagt Parameswaran. So könnten Empathie und Verständnis gefördert werden. Das Projekt stehe noch ganz am Anfang. Geplant seien etwa eine Geschichte über die Gefahren von Minen im Irak oder eine weitere über häusliche Gewalt in Indien, in der die Zuschauer_innen in die Rolle einer indischen Frau schlüpfen können. Außerdem, so kündigt Parameswaran an, wolle man ein Handbuch über die Realisierung von Constructive VR entwickeln.