Schlusslicht bei der Behördentransparenz

Ende Mai ist in Hessen das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft getreten. Damit soll allen Bürgerinnen und Bürgern ein Recht auf Akteneinsicht bei öffentlichen Stellen eingeräumt werden. Allerdings sind die Regelungen so schlecht, dass die Reform weitgehend ins Leere laufen dürfte. Trotz massiver Kritik aus der Zivilgesellschaft und der Opposition hat die schwarz-grüne Landesregierung ein Gesetz verabschiedet, das eigentlich eine Mogelpackung ist.

Manfred Redelfs, Koordinator Recherche, Greenpeace e.V.
Foto: Axel Kirchhof

Hessen zählte bei der Behördentransparenz bisher zu den Schlusslichtern, gemeinsam mit Niedersachsen, Sachsen und Bayern, die nach wie vor kein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) haben. Aber die vermeintliche Reform war bestenfalls ein Sprung vom letzten auf den vorletzten Platz, denn das Gesetz weist etliche Schwächen auf.

Viele Ausnahmen

So bezieht sich dieses IFG als einziges in der Bundesrepublik allein auf die Landesbehörden, obwohl die Mehrzahl der für die Bürger interessanten Behördenvorgänge auf kommunaler Ebene angesiedelt sind. Zahlreiche Ausnahmen höhlen zudem den Wert des Informationsanspruchs aus. So sind die Polizei, die Industrie- und Handelskammern sowie der Verfassungsschutz generell ausgenommen. Für Journalisten ist ferner bedenklich, dass Anfragen aus rein wirtschaftlichem Interesse nicht beantwortet werden müssen. Hier stellt sich die Frage, wer denn prüfen will, wo ein wirtschaftliches Interesse anfängt – und ob beispielsweise die journalistische Auskunftsanfrage von einer Behörde, die unbedingt mauern will, nicht auch mit Verweis auf diese auslegungsfähige Klausel abgelehnt werden könnte, da auch Verlage und private Rundfunkanstalten auf Gewinnerzielung angewiesen sind.

Restriktive Regelungen

Einen Sonderweg beschreitet das hessische Gesetz zudem, sofern personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berührt sind: In diesen Fällen ist eine Offenlegung nur möglich, wenn die Betroffenen zugestimmt haben. Der Regelungsstandard hingegen ist in solchen Fällen eigentlich immer eine Abwägung des Geheimhaltungsinteresses mit dem Interesse der Öffentlichkeit an der jeweiligen Information. Bei den Fristen lässt sich die Verwaltung zudem mehr Zeit als in anderen Bundesländern: Muss eine dritte Stelle konsultiert werden, etwa eine Firma, deren Interessen berührt sein könnten, verlängert sich die Frist auf drei Monate. Die Behörden anderer Bundesländer kommen auch in diesen komplizierteren Fällen mit zwei Monaten aus.

Schlechtes Vorbild

Passend zu dem minimalistischen Ansatz handelt es sich gar nicht um ein selbständiges Informationsfreiheitsgesetz, wie in den anderen Bundesländern, sondern um eine Regelung im Zuge des Landesdatenschutzgesetzes. Insgesamt bleibt zu hoffen, dass diese in jeder Hinsicht enttäuschende Regelung nicht als Präzedenzfall für die noch verbliebenen drei Länder ohne IFG herangezogen wird.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Das Manifest für die Schublade

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

EU-Kommission geht gegen TikTok vor

Mit dem Digital Services Act (DSA), der nun in der gesamten EU gilt, werden vor allem die großen sozialen Netzwerke stärker als bislang reguliert. Zu diesen gehört auch TikTok. Die Plattform hat in der EU mittlerweile 135,9 Millionen monatlich aktive Nutzer*innen und ist vor allem bei Jugendlichen beliebt. Die EU-Kommission hat TikTok daher im April vergangenen Jahres als „sehr große Online-Plattform“ (Very Large Online Plattform, kurz: VLOP) eingestuft. In der Konsequenz muss die Plattform damit beginnen, eine Reihe von Vorgaben umzusetzen, unter anderem zum Schutz vor Minderjährigen.
mehr »

AfD im TV: Demokratie ist kein Boxring

Im Superwahljahr 2024 stellt sich den Medien verschärft die Frage, wie ein angemessener Umgang mit der AfD aussehen könnte. Sie einfach zu ignorieren scheidet als Strategie aus. Zum einen wäre eine solche Verweigerung weitgehend wirkungslos. Mit ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken hat sich die Partei längst eine Bühne geschaffen, von der sie ungefiltert ihr krudes völkisches Weltbild unter den Menschen verbreitet. Zum anderen würde diese Verweigerungshaltung den Informations- und Aufklärungsauftrag der Medien gegenüber einer Partei konterkarieren, die die Zerstörung der Demokratie anstrebt.
mehr »