Daimler will Sendeverbot

Autokonzern gegen SWR wegen Undercover-Reportage zu Werkverträgen

250 000 Euro. So viel Ordnungsgeld soll der SWR zahlen, wenn er die Undercover-Reportage „Hungerlohn am Fließband“ noch einmal ausstrahlt. Andernfalls droht Ordnungshaft – „zu vollziehen am Intendanten“. Dies will Daimler mit einer Unterlassungsklage erreichen, die Ende Juli vor dem Stuttgarter Landgericht verhandelt wird. Das Argument des Konzerns: Der Journalist Jürgen Rose und sein Team hätten mit den heimlichen Filmaufnahmen gegen das Hausrecht verstoßen. Zudem sei der preisgekrönte Beitrag „manipulativ“. Nicht nur der Sender sieht das ganz anders.

Screenshot: youtube
Screenshot: youtube

„Daimler verkauft teure Luxusautos, lässt aber für Hungerlöhne arbeiten. Kann das sein?“ Dieser Frage ging der TV-Journalist mit dem erstmals im Mai 2013 ausgestrahlten Beitrag nach. Dafür heuerte Rose als Leiharbeiter an und wurde von der Werkvertragsfirma Preymesser im Mercedes-Werk Untertürkheim ans Band geschickt. Mit Hilfe einer versteckten Kamera belegte er unter anderem, dass Leiharbeiter als Billigkräfte für dieselben Tätigkeiten eingesetzt wurden wie teure Stammbeschäftigte – und dass sie entgegen der Gesetzeslage Anweisungen vom Daimler-Personal erhielten. Mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.220 Euro hätte er als Familienvater mit vier Kindern Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II gehabt, rechnete Rose vor.
Die Reportage hatte eine enorme Resonanz. Die Medien berichteten bundesweit. Die IG Metall verlieh Rose und seinem Kollegen Claus Hanischdörfer den Willi-Bleicher-Preis „für die Aufdeckung solcher neuen, extremen Ausbeutungs- und Subventionsverhältnisse in einem Industriekonzern, der nach wie vor seinen Aktionären hohe Dividenden zahlt“. Daimler sah sich gezwungen, die Werkverträge zu überprüfen und teilweise in Leiharbeitsverhältnisse mit dem Unternehmen selbst umzuwandeln.

Mehr Informationen

Faktencheck SWR

www.willi-bleicher-preis.de/2013/preistraeger.html

Prozesstermin Daimler gegen SWR wegen Unterlassung:
31. Juli 2014, 14 Uhr,
Saal 155,
Landgericht Stuttgart,
Urbanstraße 20

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

BVerfG stärkt Rundfunkfreiheit

Eine Hausdurchsuchung im Jahr 2022 bei einem Redakteur des freien Radios Radio Dreyeckland in Freiburg verstieß gegen die Pressefreiheit und war verfassungswidrig, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Damit kippt das höchste Gericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Aktivrente: Keine Option für Freie

Ein Bestandteil des derzeit kontrovers diskutierten “Rentenpakts” ist die sogenannte Aktivrente. Wer trotz Ruhestand weiter erwerbstätig ist, bekommt einen Steuerbonus. Doch das geplante Gesetz enthält eine Schieflage: Freie Journalisten oder Autorinnen sind wie andere Selbstständige von der Regelung ausgenommen.
mehr »