Zwiespältig: Springer und die Plattformen

Foto: Jan-Timo Schaube

„Totale Transparenz endet immer totalitär“ – mit diesem starken Spruch warb Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner Ende Januar bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um Unterstützung gegen Google, Amazon, Facebook & Co. Sein Anliegen: Europa müsse die Daten-Absaugerei der US-amerikanischen (und chinesischen) Tech-Giganten stoppen. Kritiker registrierten schon da eine gewisse Widersprüchlichkeit in Döpfners Begehr.

Schließlich greift Springer selbst auf den Internetseiten etwa von „Welt“ und „Bild“ jede Menge Nutzerdaten ab, zwecks Maximierung seiner Werbeumsätze. Und damit nicht genug. Jetzt stellt sich heraus: Der Konzern, nach außen selbsternannter Vorkämpfer für ein wirksames Leistungsschutzrecht im Interesse bundesdeutscher Verlage, nimmt es selbst mit der Abgrenzung zu den bösen US-Multis nicht so genau.

Zwar ist Springer weder bei Google News Showcase noch bei Facebook News vertreten. Begründung: Es sei problematisch, wenn einige Plattformen versuchten, „einerseits selbst zu Nachrichten-Medien zu werden und andererseits einige zuliefernde Verlage mit unangemessen niedrigen Vergütungen abzuspeisen“. Die Geldausschüttung an Verlagshäuser erfolge geradezu „nach Gutsherrenart“, monierte Döpfner, in Personalunion auch Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger, etwa die Praxis von Google. Nun aber bestätigte der Verlag Verhandlungen mit Facebook News über eine Kooperation mit der eigenen News-App Upday.

Upday ist Produkt einer vor fünf Jahren geschlossenen „strategischen Partnerschaft“ zwischen Axel Springer und Samsung. Der Kniff: Millionen Besitzer von Samsung-Smartphones bekommen täglich Eilmeldungen von Upday aufs Handy. Ungefragt, denn die App ist auf den aktuellen Handymodellen vorinstalliert und lässt sich nicht ohne Weiteres löschen, allenfalls deaktivieren.

Upday produziert die News nicht selbst, sondern versammelt in einer App das, was auf anderen Nachrichtenseiten veröffentlicht wird. Sie ist also das, was neudeutsch als „Aggregator“ bezeichnet wird. Upday gliedert die News in zwei Rubriken: „Top News“ mit sechs bis acht aktuellen Nachrichten und „My News“ mit eher personalisiertem Angebot. Die monatlichen Visits übertreffen inzwischen die Marke von 100 Millionen – kein Wunder, dass Springer-Boss Döpfner die App einmal das „wichtigste Projekt“ seit der „Bild“-Gründung genannt haben soll.

In Großbritannien kooperiert Springer bereits via Upday mit Facebook News. Nach Angaben des Verlags ist Upday dabei „Dienstleister, der die Kuration von Artikeln übernimmt“. Dabei wählt eine eigene News-Redaktion aus, welche aktuellen Inhalte der Verlage wann ausgespielt werden. Fremde Inhalte, wohlgemerkt. Eine Art Schmarotzertum, die sich nur unwesentlich von dem Verhalten unterscheidet, das Springer seit Jahr und Tag bei den US-Tech-Konzernen beklagt. Datenklau(berei) inklusive. Wie kommentierte F.W. Bernstein so treffend? „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »

Putins neuester Schlag im Medienkrieg

Unabhängigen Journalismus gibt es in Russland schon lange nicht mehr. Nun sperrt das Regime von Wladimir Putin den Zugang zu 81 europäischen Medien. Und damit einer der letzten Zugänge zu unabhängigen Nachrichten in Russland. Treffen dürfte das vor allem die wenigen Kolleg*innen, die noch als Korrespondent*innen vor Ort sind.
mehr »

Von der Politik zum Journalismus und zurück

Der jüngste Wechsel von Anna Engelke in das ARD-Hauptstadtstudio wird viel kritisiert. Sie war zuvor bei NDR Info und davor fünf Jahre lang Sprecherin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ähnliche Seitenwechsel vollzogen auch Steffen Seibert vom ZDF zum Regierungssprecher, umgekehrt der ehemalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der Intendant beim BR wurde und die einstmalige stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung Ulrike Demmer, die heute an der Spitze des RBB steht.
mehr »

Kapituliert Madsack vor den Rechtsextremen?

Stell Dir vor, die AfD wird Volkspartei – und die einzig verbleibende Zeitung streicht ihre ohnehin schon ausgedünnte Redaktion zusammen. Warum den Rechtspopulisten noch eine voll besetzte Redaktion mit Journalistinnen und Journalisten entgegensetzen, wenn Demokratie, Meinungsvielfalt und Pressefreiheit sowieso gefährdet sind?
mehr »