Aufklären über die Trennschärfe zwischen Terrorismus und Islam, über Religionen, gemeinsam den aktuellen Diskurs führen, politische Antworten einfordern: Ergebnisse einer Diskussion um „Medien- und Kunstfreiheit im Dialog der Kulturen“ am 7. Februar mit Künstlern, die sich zu ihren diesjährigen Wahlkonferenzen im Berliner ver.di-Haus trafen.
Als „ein eindrucksvolles Zeichen der Verbundenheit“, bezeichnete der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, die Kundgebung der muslimischen und der türkischen Gemeinde gemeinsam mit vielen Verbänden am Brandenburger Tor nach den Anschlägen in Paris. Gleichfalls stiegen die Übergriffe auf muslimische Einrichtungen. Es habe noch mehr Hakenkreuzschmierereien, tätliche Angriffe in Deutschland und noch mehr in Frankreich gegeben. Bei Muslimen löse das Angst und Betroffenheit aus. Man wolle einen Keil in die Gesellschaft treiben. „Das dürfen wir nicht zulassen“, rief Mazyek Gewerkschafter auf.
Aufklärung und Diskurs sind notwendig, da es viele unterschiedliche Auffassungen –
auch zur Karikatur als ein Mittel der Satire – gebe. Missverstehen von Meinungsäußerungen, Unwissen über die Historie von Religionen und Weltanschauungen kämen hinzu. Das belegte die Debatte der Künstler mit Aiman Mazyek und dem dju-Vorsitzenden Ulrich Janßen sowie dem ver.di-Kunstbereichsleiter Heinrich Bleicher-Nagelsmann. Auftrag der Karikatur sei es Kritisches offen zu zeigen, so Mazyek. Deshalb sei es ein „falsches Signal und falsch verstandene Toleranz und Rücksichtnahme“, den Motivwagen beim Kölner Karneval – auf dem ein Terrorist durch den spitzen Stift eines Karikaturisten zur Strecke gebracht wird – zurück zu nehmen. „Gerade jetzt ist es wichtig, das darzustellen.“
Was darf Karikatur, gibt es Grenzen auch für die Freiheit der Kunst, fragte Moderator Bleicher-Nagelsmann. Oft werde Meinungsfreiheit an den Befindlichkeiten etwa der Muslime festgemacht, das sei der falsche Weg, antwortete Mazyek. Das gelte es abzukoppeln. Man müsse auf das Grundgesetz schauen. Trotzdem könne sich jemand verletzt fühlen, und es gehöre zum gesellschaftlichen Diskurs, das dann auch sagen zu dürfen. Satire müsse überzeugen und wehtun, so eine Teilnehmerin. Dennoch gebe es auch Taktgefühl und Achtung vor anderen im Sinne einer Gewaltprävention und damit Grenzen, hielt jemand dagegen. Satire dürfe, muss aber nicht alles, das sei auch eine persönliche Gewissensfrage. Niemals jedoch dürfe es dazu führen, dass Menschen umgebracht, attackiert und unter Druck gesetzt werden, fasste eine Kollegin zusammen, was offenbar alle im Saal einte.
„Was mir mehr zu denken gibt, mich sehr beunruhigt, sind weniger die religiösen Themen. Sie werden vorgeschoben, von Täten, Politikern, religiösen und anderen Einrichtungen. Ich sehe eine große Gefahr in der Stärkung des Faschismus“, sagte Imre Török, Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller in ver.di. Sie ginge hierzulande einher mit Pegida, NSU … „Das ist eine politische Entwicklung, die nichts mit Religion zu tun hat.“ Die Trennung von Terror und Religion wurde in der Debatte vielfach betont. Religion werde missbraucht, um Terror zu begründen, hieß es. Das gelte, wie wir aus der Geschichte wissen, auch für andere Weltanschauungen. Und gewaltbereite Fundamentalisten seien überall anzutreffen. Betont wurde, dass Rassismus und Gewalt, aber auch Angst um eigene Lebensverhältnisse vor dem Hintergrund schlechter sozialer Bedingungen vieler Menschen gedeihen.
Zu den brutalen Ereignissen in Paris habe natürlich auch die dju schnell und klar Position für Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit bezogen. Leider sei jedoch auch in Deutschland das Ringen um Pressefreiheit kein Brachland, sagte Ulrich Janßen. Die Angriffe auf Journalisten häufen sich. Es gibt Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Fotografen anrempelt, behindert und nicht schützt wie jüngst in Hamburg. Zudem, so Janßen, habe Pressefreiheit auch etwas mit Pressevielfalt zu tun, der die aktuelle Entwicklung etwa von Zeitungsfusionen entgegenwirkt. Sparkonzepte sorgen für schlechtere Arbeitsbedingungen, vor allem Freie können von ihrer Arbeit häufig nicht mehr leben. Geschrei wie das von der „Lügenpresse“ befördere ein Klima, dass mit sachlicher Medienkritik nichts zu tun habe. Der dju-Vorsitzende warnte: „Diese Rufe schwimmen an der Oberfläche. Wenn sie abebben, dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass es vorbei ist.“ Viele Kräfte, die sich gegen die Grundrechte der Pressefreiheit, der Kunstfreiheit und der Religionsfreiheit richten, wirken auch hinter den Kulissen und seien deshalb nicht auf den ersten Blick erkennbar. Dies zu entlarven, was sich im Verborgenen abspiele, sei Aufgabe der Medien, sagte der dju-Vorsitzende. Dazu brauche es gute Arbeitsbedingungen und personell gut ausgestattete Redaktionen: „Pressefreiheit geht nicht ohne gute Arbeitsbedingungen. Insofern gehören Berufspolitik und Tarifpolitik der dju in ver.di zusammen.“
Ein Gedicht des kurdischen Schriftstellers Adel Karasholi, der 1959 nach Deutschland emigrierte und heute in Leipzig lebt. Er musste wegen einer Erkrankung die Teilnahme an der ver.di-Veranstaltung kurzfristig absagen.
die ausgestreckte hand
nimm also meine hand
in die deine, nimm mich einmal,
nur einmal so, wie ich bin mit meiner sonne
im gepäck, meine zellen tranken diese glut einst
mit der muttermilch, sie brannte mir
in die stirn ihr mal, nimm
meine hand und sieh meine finger blaugekühlt
vom frost, nimm
meine hand, ich friere mich zu tode noch, nimm
zwischen deine hände
meine hand