Demokratie besser demokratisch schützen

Portrait Tina Groll

Tina Groll, Redakteurin bei Zeit Online und Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Foto: Julia Krüger

Meinung

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das als rechtsextremistisch eingestufte Magazin “Compact” verboten. Es sei ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremen Szene, heißt es in der Erklärung dazu. Das Verbot betrifft nicht nur das gedruckte Heft, sondern die gesamte Compact Magazin GmbH und die Conspect Film GmbH – und somit sämtliche Verbreitungskanäle.

Die Webseiten sind bereits gesperrt. Die Social-Media-Kanäle des Medienunternehmens abgeschaltet, alle verstoßen laut Ministerium gegen das Grundgesetz und das Vereinswesen. Ministerin Faeser hält die Entscheidung für einen “harten Schlag” gegen die Szene. Der rechtsextreme Verleger Jürgen Elsässer spricht von einem ungeheuerlichen Eingriff in die Pressefreiheit und kritisiert undemokratisches Verhalten.

Elsässer war aber schon immer mehr als ein Verleger. Er ist mit einer rechtsextremen politischen Agenda versehen, für die er Journalismus im Grunde missbraucht. Publizistisch tätig zu sein, ist für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Kern des Verbots ist seine Aussage, dass er das Regime stürzen wolle. Darauf reagiert die Innenministerin nun, sie hat dazu das Recht auf ihrer Seite.

Und dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack: Denn Compact ist keine Partei, Jürgen Elsässer ist kein Politiker. Holger Stark schreibt in der ZEIT: “Elsässer aber tritt im Gewand eines Journalisten auf, und das macht die Sache ein klitzekleines bisschen komplexer, selbst dann, wenn er mit seinem Journalismus Politik betreibt.”

Stark hat Recht. Denn der Journalismus steht aus guten Gründen unter einem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Das Verbot – begründet mit dem Vereinswesen – wirkt befremdlich, auch wenn es für ein gutes demokratisches Ziel benutzt wird. Journalismus und auch Compact hat wenig mit Vereinswesen zu tun. Elsässer kann sich wohl leider zu Recht auf die Pressefreiheit berufen. Und das macht es geradezu grotesk. Denn damit könnte ein Rechtsstreit über ganz grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen beginnen. Was wiegt schwerer – der Kampf gegen Extremismus oder das hohe Gut der Pressefreiheit?

Hinzu kommt: Weder das Verbot noch ein Rechtsstreit über verfassungsrechtliche Fragen wird dazu beitragen, Compact und das dort verbreitete Gedankengut aus der Welt zu bekommen, ganz ähnlich übrigens wie bei einem Parteienverbot. Das Gegenteil könnte am Ende sogar der Fall sein: Compact könnte noch größer, noch einflussreicher werden.

Bis zum Verbot hatte das Magazin eine Auflage von 40.000 Exemplaren, der Videokanal Compact-TV erreichte bis zu 100.000 Klicks am Tag.

Ein Verbot, das auf wackeligen rechtlichen Argumenten fußt, könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass es von den Gerichten kassiert wird – und der rechtsextreme Elsässer mit dem Argument der Pressefreiheit triumphieren kann. Und dann nur noch einflussreicher wird.

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