Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
„Viele Medien und Redaktionen verstecken sich hinter ihrer vermeintlichen Neutralität, die dann zur ‚False Balance‘ wird“, erklärt Neue Zukunft-Mitgründer Oliver Classen aus Zürich. Für ihn und seine Mitstreiter*innen ist klar: Diese Position wird der Klimakrise und ihren Konsequenzen nicht mehr gerecht. Denn die immer größer werdenden Informationslücken blockieren auch diejenigen, die sich angesichts der existenziellen Bedrohung engagieren und Vorschläge umsetzen wollen.
Die „Neue Zukunft“ will eben diesem Kreis explizit einen Ort bieten: „Wir betrachten die Klimagerechtigkeitsbewegung als wichtigsten Treiber für die notwendige gesellschaftliche Transformation“, so Classen. Man wolle mit dem Projekt näher an die hier relevanten Gruppen und Akteur*innen heranrücken, sie journalistisch begleiten und miteinander ins Gespräch bringen.
Dass das inzwischen dringend notwendig geworden ist, wird zur Zeit kaum jemand in Frage stellen. Zwar hat die noch bis vor etwa fünf Jahren stetig wachsende weltweite Protestbewegung mit globalen Demonstrationen und Aktionen von Gruppen wie Extinction Rebellion, Fridays for Future, Just Stop Oil! in Großbritannien, Les Soulèvements de la Terre in Frankreich, oder der Letzten Generation in Österreich und Deutschland für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auch die Räumung des nordrhein-westfälischen Dorfes Lützerath zur Erweiterung des RWE-Tagebaus Garzweiler brachte ungeahnt viele Gruppen und Menschen auf die Beine.
Klima und Bewegung
Gleichzeitig sind im Zuge von Pandemie-Maßnahmen, heftiger Repression, politischem Rechtsruck aber auch aufgrund von Diskussionen um Strategien oder zuletzt um die Haltung zum aktuellen Krieg im Nahen Osten ganze Teile der Bewegung diffundiert oder unter Druck geraten. Manche haben, wie beispielsweise der Verein für ein Klimavolksbegehren in Berlin, ihre Ziele verfehlt. Es kann sogar der Eindruck entstehen, der Protest gegen die Verantwortlichen von Erderhitzung und Extremwetter sei so geschwächt, dass er keine politische Wirkung mehr entfaltet.
Das zu validieren, hat sich das Team der „Neuen Zukunft“ deshalb als erstes vorgenommen. Der Titel der ersten Ausgabe des Video-Magazins lautete „Wie geht es weiter mit der Klimabewegung?“ – und neun befragte Expert*innen aus den drei deutschsprachigen Ländern gaben für die Sendung Auskunft über ihre Eindrücke und Analysen, darunter der Publizist Marcel Hänggi von der Schweizer Gletscherinitiative, der österreichische Skirennfahrer und Klimaaktivist Julian Schütter oder die Wissenschaftlerin und Mitgründerin der Letzten Generation in Deutschland, Lea Bonasera. Vor der zweiten Ausgabe soll in einem Online-Panel mit weiteren Akteuren diskutiert werden, wie sich die Situation aus ihrer Sicht darstellt.
Sechs Monate haben die beteiligten Journalist*innen und Campaigner*innen an dem Format gearbeitet, dass neben der Videosendung weitere Informationsangebote umfasst: Zum Beispiel einen Podcast im Reportageformat sowie die interaktive Visualisierung „Newsmonitor“. Mit diesem lässt sich die aktuelle Berichterstattung zur Klimakrise auf den Websites von 12 deutschsprachigen überregionalen Medien beobachten. Darüber hinaus soll ein regelmäßiger Newsletter zur Auseinandersetzung von Geistes- und Sozialwissenschaften mit der Klimabewegung und ihren Themen erscheinen.
Newsmonitor für Berichterstattung
Themen dürfte die „Neue Zukunft“ auf Jahre hinaus genügend haben – nicht nur angesichts von Fluten, Hitzewellen und Dürren sondern auch im Hinblick auf eine enorm heterogene und wandelbare Bewegung gegen die Klimakrise. Denn neue Bündnisse – wie beispielsweise die Kampagne „Wir fahren zusammen“ bleiben vielleicht unter dem Radar vieler Medien, aber entfalten inzwischen in über 40 deutschen Städten eine Zusammenarbeit zwischen ver.di und Fridays for Future. Ein Hinweis, dass eine andere Zukunft möglich ist – oder eben eine „Neue Zukunft“.
Hinweis: Claudia Krieg ist Mitglied der zur Zeit ehrenamtlich arbeitenden Redaktion der „Neuen Zukunft“