Die schwere Krise der Printmedienbranche ist eng verknüpft mit der Übermacht US-amerikanischer Internetplattformen wie Google & Co. Erst kürzlich blockierte Facebook sämtliche Nachrichteninhalte für australische Nutzer, um gegenüber der dortigen Regierung seine Position im Streit um ein Mediengesetz zu untermauern. Um die Regulierung von Plattformkonzernen kreiste die jüngste Videokonferenz der Initiative „Innovative Wege zur Sicherung der Qualität und Vielfalt der Medien“ der Universität Dortmund.
Geladene Referenten waren Alexander Fanta und Ingo Dachwitz von netzpolitik.org. Im Auftrag des DGB und der Otto Brenner Stiftung veröffentlichten sie im Herbst 2020 die Studie „Medienmäzen Google“. Ihre Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Programme „Google News Initiative“ und „Google News Showcase“ nicht ganz so selbstlos in Qualitätsjournalismus investieren, wie der Suchmaschinenbetreiber gern glauben machten möchte .
Machtzuwachs bei Google
Googles Förderung, so resümierte Fanta zentrale Erkenntnisse der Studie, sei ein „strategisches Instrument für die Zwecke des Konzerns“. Nicht wenige Journalist*innen, die an Google-Fellowship-Programmen teilgenommen hatten, äußerten „Sorgen vor einer Korrumpierung“, obwohl die Forscher keine Anzeichen für eine direkte Einflussnahme des Konzerns registrierten. Die Förderungsmaßnahmen, so die Kritik, „stärken das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Medienbetrieben in Europa“, da sie vor allem Großverlagen zugutekämen. Die Förderung für Journalismusforschung und Medienkongresse sei „problematisch, weil es der Branche die Fähigkeit zu einer unabhängigen Selbstreflexion ein Stück weit nimmt“. Offen sei die Frage, „inwieweit Google gerade dabei sei, zur dominanten technologischen Plattform speziell für das Nachrichten-Ökosystem zu werden“. Auch lasse die Transparenz der Förderung zu wünschen übrig.
Man sei erstaunt gewesen über das Eingeständnis vieler Medienmanager, dass sie viele innovative Projekte ohne die Finanzierung durch Google nicht realisiert hätten, sagte Dachwitz. Das Geld Googles sei offenbar nötig gewesen, „um überhaupt diesen „Innovations- und Technologiediskurs“ in deutschen und europäischen Medien zu befördern. Der US-Konzern sei dabei „in eine Lücke gestoßen“.
Zum Vorteil der Etablierten
Ein „Beifang“ der Studie sei die Erkenntnis gewesen, dass aufgrund der ökonomischen „Schlagseite“ die Förderung massive Auswirkungen auf die Medienvielfalt habe. So seien nicht nur nichtkommerzielle Medien oder journalistische Neugründungen, sondern auch lokale und regionale Medien „total unterrepräsentiert“ gewesen. Im Grunde handle es sich um eine „Zementierung des Wettbewerbsvorteils“, ein „Konjunktur- und Subventionsprogramm für große, etablierte Verlage“ vor allem in Westeuropa. Eine am Gemeinwohl orientierte Zielsetzung des Förderprogramms sei nicht erkennbar. „Newswüsten verhindern helfen“ oder Versorgungslücken in Osteuropa schließen stehe ganz offensichtlich nicht auf der Agenda Googles.
Die Ankündigung des Programms „Google News Showcase“ mit einem Volumen von einer Milliarde Euro für drei Jahre bezeichnete Dachwitz als „strategische Meisterleistung“. Damit sei es dem Suchmaschinenkonzern gelungen, “die Front der Verlage gegen das verhasste Leistungsschutzrecht zu spalten“. Die daran beteiligten deutschen Verlage,– FAZ, Spiegel sowie einige regionale Medien – hielten sich jetzt in der Frage des Leistungsschutzrechts zurück (zumal die Zuwendungen nach dem „Showcase“-Modell monatlich kündbar seien). Zugleich erhalte Google auf diese Weise „ein neues tolles Produkt, das im Wettkampf mit Apple, Facebook und anderen um die Plattformisierung des Nachrichtengeschäfts einen Vorteil verschafft“.
Facebook gegen Australien
Ähnlich wie in Europa sei es auch beim aktuellen Konflikt in Australien darum gegangen, die Verlage an der Werbeeinnahmen zu beteiligen. Facebook sollte gesetzlich gezwungen werden, entsprechende Lizenzverträge mit den Verlagen abzuschließen. Auch dort sei der US-Konzern nach einer Teile-und-herrsche-Strategie verfahren. „Eine bekommen Brosamen, den anderen wird der Hahn abgedreht“, so Dachwitz. Jetzt sei auf dem Kompromisswege ein „freiwilliger Lizenzdeal“ zustande gekommen.
Auch in Europa bewegt sich einiges. Nach Darstellung von Alexander Fanta hat die EU-Kommission Voruntersuchungen zum Werbegeschäft der US-Tech-Multis gestartet. Geklärt werden soll die Frage, ob die Konzerne als bloße Vermittler dieser Geschäfte zu viel verlangten. In Arbeit sei auch das zweiteilige Plattformgesetz, der Digital Services Act (DAS) und Digital Markets Act (DMA). Dort seien spezielle Werbeauflagen für Gatekeeper-Plattformbetreiber vorgesehen, zum Beispiel mehr Preistransparenz. Erstmals habe die EU-Kommission unlängst eine direkte Presseförderung angekündigt, darunter Kredithilfe für Nachrichtenmedien, speziell für journalistische Kooperationen. Gedacht sei dabei an Förderung von „crossborder“-Kooperationen bei investigativer Nachrichtenrecherche, aber auch für die Distribution von Nachrichten in „Nachrichtenwüsten“.