Die vergessenen Nachrichten 2018

Foto: Pixabay/ Montage: screenshot derblindefleck.de

Welche Themen sind für die Öffentlichkeit relevant und sollten unbedingt von den Medien aufgegriffen werden? Eine Entscheidung, die täglich, stündlich … getroffen werden muss. Und oft werden wichtige Themen dabei übersehen. Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. stellte am 27. Februar die Top Ten der Vergessenen Nachrichten des Jahres 2018 im Rahmen ihrer Jahrespressekonferenz im Deutschlandfunk in Köln vor. 

Den ersten Platz im Ranking belegt das Thema: „JEFTA: Japan-EU Free Trade Agreement“. Die Öffentlichkeit habe davon nahezu nichts mitbekommen. „Die EU machte ihre Textvorschläge für das JEFTA-Abkommen erst öffentlich, als das Abkommen weitgehend ausgehandelt war und einzelne Dokumente bereits durch Leaks bekannt waren“, heißt es in der Begründung. JEFTA ist ein sogenanntes „EU only“-Abkommen. Anders als zum Beispiel beim EU-Kanada-Abkommen (CETA) müssen die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten nicht zustimmen. „Es ist unglaublich, dass so wichtige Themen wie das JEFTA eine so geringe Resonanz in den Medien gefunden haben. Wenn man bedenkt, dass es ein Freihandelsabkommen zwischen zwei der größten Wirtschaftsräume der Welt ist, kann man hier schon von journalistischem Systemversagen sprechen“, sagt INA-Geschäftsführer Dr. Hektor Haarkötter.

Auf Platz 2 steht das Flugdatengesetz von 2018. Damit hat Deutschland 2018 eine EU-Richtlinie mit weitreichenden Folgen umgesetzt. Sie legt fest, dass bei jedem Flug persönliche Informationen an staatliche Behörden übermittelt, fünf Jahre lang gespeichert und gegebenenfalls auch weitergegeben werden. „Über die Speicherung solcher Daten bei Flügen in die USA wurde vor einigen Jahren noch sehr kontrovers diskutiert, wohingegen es über die neue innereuropäische Regelung nur sehr wenig Berichterstattung gab – obwohl sie die meisten EU-Bürger deutlich stärker betrifft“, begründet INA die Einstufung des Themas.

Die Frage, ob die Anerkennung des Interimspräsidenten Guaidó in Venezuela mit dem Völkerrecht vereinbar war, schafft es INA zufolge auf Platz 3. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages habe die Anerkennung des Oppositionspolitikers als Interimspräsident durch die Bundesregierung und weitere westliche Staaten hinterfragt. Es gebe „starke Gründe“ für die Annahme, dass es sich bei der Anerkennung Guaidós um eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ handelt, heißt es in einer zehnseitigen Ausarbeitung der Bundestagsjuristen.

Weitere vergessene Themen sind: Arzneimittelrückstände im Trinkwasser, fragwürdige finanzielle Steuerentlastungspraktiken durch Stiftungen, Cybercrimes und Genitalbeschneidungen. Die komplette Liste jener Nachrichten, die bislang nicht oder nur ungenügend ihren Weg in die deutschen Medien gefunden haben, findet sich auf der Website der Initiative Nachrichtenaufklärung.

Alle und jeder haben die Möglichkeit, bei der INA Themenvorschläge einzureichen. (unter http://www.derblindefleck.de/thema-einreichen/). Diese Themenvorschläge werden dann von studentischen Rechercheteams an verschiedenen Hochschulen im ganzen Bundesgebiet recherchiert. Eine Jury aus Journalisten und Wissenschaftlern stimmt einmal jährlich über diese Themenvorschläge ab und kürt die Top Ten der vergessenen Nachrichten. Vorbild für die INA ist die amerikanische Partnerorganisation Project Censored.


Am 14. Juni 2019 veranstaltet die INA gemeinsam mit der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und der Hochschule Bonn-Rhein-Seig das 5. Kölner Forum für Journalismuskritik und verleiht auch zum fünften Mal den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik.

Weitere aktuelle Beiträge

Digitalabgabe könnte Schieflage ausgleichen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die vom Staatsminister Wolfram Weimer geäußerten Pläne für eine Digitalabgabe, die Big-Tech-Unternehmen mit digitalen Plattformdiensten in Deutschland zu entrichten hätten. Wie unter anderem der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung, eine Digitalabgabe einzuführen. Diese könnte Unternehmen wie Google und Meta dazu verpflichten, einen festen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen abzuführen.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »