Entlarven und kontern auf TikTok

TokTok-App auf Smartphone

TikTok ist ein soziales Netzwerk, um kurze Videos hochzuladen Foto: Unsplash

Rechte und Rechtsextreme verfügen über große Reichweiten auf sozialen Medien, insbesondere auf TikTok. Dort trenden populistische Inhalte und fremdenfeindliche Hashtags. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand. Politiker*innen und Institutionen wollen das digitale Feld nicht der AfD überlassen. Doch warum gelingt es den Demokratiefeinden dort offenbar so mühelos, junge Menschen anzusprechen? Antworten erhoffen sich Nachwuchsjournalist*innen der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft mit ihrem Medienprojekt „Im rechten Licht“.

Das 20-köpfige Team checkt nicht nur Fakten, sondern analysiert auch die Gründe für den Erfolg der neuen Rechten. Der journalistische Nachwuchs startete eine eigene Kurzvideo-Serie auf TikTok und Instagram. Darin erklären sieben Moderator*innen aus den eigenen Reihen Begriffe wie Desinformation, Rechtspopulismus, den Ursprung von Rechts und Links, Deepfakes oder pflücken Falschinfos wie etwa zum Bürgergeld auseinander. So wollen sie aufklären, sensibilisieren und fordern zum Kommentieren auf.

Studierende der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft betreiben das Medienprojekt „Im rechten Licht“ / Foto: KJS

Das Feedback im Netz ist allerdings nicht nur positiv. Man müsse lernen, die Kommentare unter den Videos nicht persönlich zu nehmen, das zu trennen, sagt Christian Düring. Sie zeigten schließlich, dass sie die Zielgruppe erreichten und „in der richtigen Ecke gelandet“ seien. Manche Kommentare basierten so wenig auf Fakten, dass eine sinnvolle Antwort fast unmöglich sei. Zuständig für das Community-Management ist das Marketing-Team der Gruppe, neben dem Recherche- und dem Produktionsteam eine der drei Gruppen im Projekt.

TikTok verschlafen oder unterschätzt?

Aber was machen die Rechten anders? Das wollen die Studierenden in dem vierwöchigen Projekt erkunden. Vieles wissen Christian Düring und Bastian Prockner, der wie Düring im Rechercheteam aktiv ist, schon jetzt. Die AfD habe auf TikTok 408.700 Follower, alle anderen Parteien nur 202.100 Follower zusammen. Die demokratischen Parteien hätten ihre Präsenz auf dem Kanal „verschlafen oder unterschätzt“, sagen Christian Düring und Bastian Prockner. „Sie haben das Potenzial von TikTok zu spät erkannt“, erklärt Prockner.

Ihre Zielgruppe sind vor allem die 15- bis 25-Jährigen, die TikTok konsumieren und Rechtspopulismus kaum von demokratischen Aussagen trennen können. Die beiden hoffen darauf, durch Hintergrundinfos ein Nach- und Umdenken zu ermöglichen. Allerdings erzielten die aufwändig produzierten Videos nur überschaubare Clickzahlen, während das voll auf den TikTok-Trend zugeschnittene Video mit dem traurigen Hamster ein Vielfaches der Zugriffe abräumt. Diese Form der TikTok-Nutzung hätte die AfD gut raus, so die Studenten.

Auf der Video-Plattform präsentiere sich die vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD als ganz normale Partei. „Sie sind sehr viel besser darin, Aussagen zu verkürzen, polemisch dazustellen, zu emotionalisieren. Der TikTok-Algorithmus belohnt und befeuert diese kurzen, scharfen Aussagen“, sagt Düring. Hingegen versuchten Regierungsparteien oft, komplizierte Zusammenhänge zu erklären. Das belohne der Algorithmus nicht.

Differenzieren belohnt der Algorithmus nicht

Grautöne kämen in den sozialen Medien nicht gut an, sagen die beiden. Prockner und Düring sehen die Gefahr, dass „in den kurzen Videos nur die eigene Meinung dargestellt und die Gegenseite herausgeschnitten wird. Die AfD ist skrupelloser dabei.“

Bastian Prockner präsentiert seine Rechercheergebnisse vor der Kamera. So hat er gemeinsam mit dem Team die Kanalstrategie von Philip Hopf und Kiarash Hossainpour im Podcast „Hoss & Hopf“ unter die Lupe genommen. Die Studenten haben sich gefragt, warum so viele Versionen davon bei TikTok auftauchen. Ihr Ergebnis: Es wird Geld fürs Reposten  verlost. „Leute aus dem rechten Spektrum nutzen sehr viel cleverer den Algorithmus von TikTok“, sagt Düring. Er und Prockner sprechen von einer „Fan-Armee“ oder „Newsfluencern“, die die AfD forme und das offenbar mit Erfolg. Sie posten und reposten AfD-Videos.

Und die AfD habe Leute wie Erik Ahrens, der die Kampagne für den Europa-Kandidaten Maximilian Krah entworfen hat. Der hatte in einem viel geklickten Video erklärt, echte Männer seien rechts. „Schau keine Pornos, wähle nicht die Grünen, (…) und vor allem, lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts.“ Für solche einfachen, klaren Botschaften seien viele junge Menschen empfänglich, resümieren Prockner und Düring.

Ein anderes Beispiel führt die Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, Deborah Schnabel, an: Weidel zeige sich im Auto, wie sie rasch einen Lidstrich nachziehe. Sie habe das Medium richtig verstanden, erklärte Schnabel in der Süddeutschen Zeitung.

Oftmals werde dann zu den Videos von Parteichefin Alice Weidel „so menschlich“ kommentiert. Unter dem Hashtag „Weidelknecht“ würden Weidel und Sahra Wagenknecht mit vielen Klicks belohnt. Wenn dabei dann politische Äußerungen eingestreut würden, dann wirke das, so Düring.

Paroli von Lauterbach?

Dieser digitalen Macht will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun Paroli bieten: „Wir dürfen einflussreiche soziale Medien nicht der AfD überlassen“, sagte Lauterbach dem Nachrichtenportal t-online. „Ich werde versuchen, dort auch ein gutes Gegengewicht zur AfD zu bilden. Über TikTok erreicht man besonders junge Menschen sehr gut. Das Medium ist eine besondere Herausforderung, aber auch eine große Chance.“

Den Schritt Lauterbachs sehen die beiden Kommilitonen eher skeptisch. Er sei für die Rechten ein „großes Feindbild“. Ob er im Netz gut ankomme ist ohnehin fraglich, zumal es auf TikTok auch auf Anschlußfähigkeit ankommt.

Der Minister will den jungen Menschen erklären, „was wir eigentlich machen – und zwar in einer Sprache, die sie verstehen.“ Auch der Bundeskanzler kündigte an, die Regierung wolle auf TikTok aktiv werden. Das hatte Olaf Scholz (SPD) während eines Bürgerdialogs Ende Februar in Dresden versprochen. Lange war das von Überlegungen zum Datenschutz überlagert. Die chinesische Plattform sei nicht ausreichend sicher. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte abgeraten, die App auf Diensthandys zu nutzen. Politikberater Johannes Hillje sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die westlichen Regierungen steckten in einem Dilemma. Einerseits wolle man nicht die Plattform aus einem autoritären Land verwenden. Andererseits nutzen Zweidrittel der 14- bis 18-Jährigen TikTok.

Das Kampagnennetzwerk Campact schlägt einen anderen Weg ein: Mit einer Petition sollen die AfD-Accounts auf TikTok gesperrt werden. Sobald mit der am 12. März gestarteten Aktion über 200.000 Unterschriften zusammenkämen, werde man diese in der TikTok-Zentrale in Berlin überreichen.

 

 

 

 

 

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