Die Video-App TikTok ist vor allem bei jungen und ganz jungen Leuten beliebt – und mittlerweile die am schnellsten wachsende Plattform der Welt. Eigentlich als reines Unterhaltungsmedium für lustige kurze Videos gedacht, werden auf TikTok jetzt zunehmend auch politische Statements geteilt. Ob es sich dabei um persönliche Meinungsbeiträge oder Parteienwerbung handelt, ist für die Zuschauer*innen nicht erkennbar. Im Wahlkampf könnte das zum Problem für die demokratischen Parteien werden.
TikTok gehört dem chinesischen Konzern Bytedance und wurde zur ersten globalen Online-Plattform in der Hand eines nicht-amerikanischen Konzerns. Nutzer*innen teilen dort Videos, die nicht länger als eine Minute lang sind. Mit der sogenannten „Duet“-Funktion kann man ein bestehendes Video mit einem eigenen Video kommentieren. Bis Februar 2021 wurde die App in Deutschland insgesamt rund 33 Mio. mal heruntergeladen. Seit Mitte 2018 hat sich das Wachstum stark beschleunigt. In den zwölf Monaten von März 2020 bis Februar 2021 gab es rund 10 Mio. neue Downloads.
Mit Politik möchte die lustige Plattform eigentlich nichts zu tun haben. Nach Ansicht von TikTok passe Wahlwerbung nicht zu den eigentlichen Inhalten der Plattform, die eher einen unterhaltsamen Charakter haben. Deshalb schloss das Unternehmen 2019 bezahlte politische Anzeigen in seinen Werbe-Richtlinien aus. TikTok verbietet seither bezahlte Werbung für Kandidat*innen, politische Amtsinhaber*innen und politische Parteien.
Intransparente Regeln
Doch auf der Plattform gibt es unterschiedliche Regeln, je nachdem, ob Werbung über die TikTok-Anzeigenplattform oder als gesponserte Influencer-Posts gekauft wird. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Modzilla Foundation kritisiert die Stiftung die mangelnde Transparenz. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Anzeigen, die direkt über die Anzeigenplattform von TikTok geschaltet werden, intern als Werbung gekennzeichnet und überwacht werden, während bezahlte Posts von Influencern dies nicht tun.“ TikTok verlange von Influencern lediglich, dass sie die bezahlte Partnerschaft eigenverantwortlich durch Hinzufügen des Hashtags #ad kennzeichnen, ohne, dass ein zusätzlicher Prozess oder eine Überprüfung durch die Plattform selbst erforderlich ist. Insbesondere im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf kann die fehlende Kennzeichnung von politischer Werbung zum Problem werden.
Theresa Lehmann ist Leiterin des Projektes Demokratiktok bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Auch sie kritisiert die lückenhafte Kennzeichnung: „Es ist allerhöchste Zeit auch für den digitalen Raum Rahmenbedingungen zu definieren. Eine einheitliche Kennzeichnungspflicht von politischer Werbung und “Polit Influencing” und mehr Transparenz bei „Targeted Advertising“ von politischen Inhalten würden der Bekämpfung von Desinformation dienen.“
Dabei lohnt es sich, ausgerechnet TikTok zu betrachten: Denn die 100 reichweitenstärksten deutschen TikTok Accounts konnten im Zeitraum Februar bis Juni 2021 ein Follower-Wachstum von 20 Prozent erzielen. Im Juni 2021 erreichten die Top 100 TikTok Accounts zusammen 281 Mio. Follower. Zum Vergleich: Die Top 100 YouTube Kanäle kommen (Stand 02/2021) auf rund 300 Mio. Abonnentinnen und Abonnenten.
TikTok erreicht junge Leute
Weil die Videoplattform so beliebt ist und eine junge Zielgruppe erreicht, spielt sie in der politischen Kommunikation, trotz des Werbeverbots, eine wachsende Rolle. Unter den deutschen Nutzer*innen befinden sich immer mehr Accounts von Parteien und Politiker*innen. „Zahlreiche Abgeordnete sind mittlerweile auf TikTok aktiv und versuchen ihre Positionen im kurzen Videoformat rüberzubringen. Diese geben für gewöhnlich ihre Parteizugehörigkeit an,“ sagt Lehmann im Gespräch mit M. Die Grenzen zwischen Aktivismus, Influencing und Parteiengagement seien in manchen Fällen allerdings fließend, beschreibt Lehmann die Inhalte auf TikTok. Das Interesse an politischen Inhalten nehme bei der jungen Generation wieder zu und das mache sich auch in den Inhalten bemerkbar.
„Politische Inhalte werden spielerisch verhandelt. Dabei ist nicht immer auf den ersten Blick auszumachen, ob es sich um indirekte Parteiwerbung handelt. Da wäre eben eine Kennzeichnung oder ein Infobanner angebracht,“ fordert Lehmann. Auch die Modzilla Stiftung schlägt vor, dass TikTok Mechanismen einführt, mit denen Nutzer*innen bezahlte Partnerschaften offenlegen können. Eine weitere Maßnahme sei die Einführung einer Datenbank, in der bezahlte politische Werbung aufgelistet wird.