Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
Dass bis Herbst ein einvernehmlicher Staatsvertragsentwurf vorliegen werde, glaubt der Jurist nicht. Zumal in den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch noch Landtagswahlen im September stattfinden. Bei dem Vorhaben gehe hier um schwierige Fragen und zwischen den Ländern bestünden „nicht unerhebliche Meinungsunterschiede“. Da der Reformstaatsvertrag grundlegende Reformen enthalten solle, müsste nach Ansicht von Dörr vielmehr der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelten.
Wenn die Bundesländer über ihre Rundfunkkommission einen neuen Staatsvertrag erarbeiten, sind in solche Beratungsverfahren auch die betroffenen Medienunternehmen eingebunden, beim geplanten Reformstaatsvertrag natürlich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber auch die Privatsender oder die Presseverlage. Über Anhörungen oder Konsultationen können sie zu den Plänen der Länder genauso Stellung nehmen wie auch beispielsweise Gewerkschaften, Kirchen oder weitere Verbände.
Vier bis sechs Wochen für Anhörungen
Soll eine Anhörung zum Reformstaatsvertrag sachgerecht ablaufen, spielt dabei für Medienrechtler Dörr wiederum der Zeitfaktor eine große Rolle: Es müsse „angesichts der Schwierigkeit der zu lösenden Probleme den anzuhörenden Organisationen genügend Zeit für mündliche und vor allem schriftliche Stellungnahmen“ eingeräumt werden. Dörr hält hier eine Zeitspanne von mindestens vier bis sechs Wochen für erforderlich. Zudem sei es sinnvoll, die Anhörungen vor der Unterzeichnung des Staatsvertrags durchzuführen, wenn er sich noch „im Stadium des Entwurfs und der parlamentarischen Vorabunterrichtung“ befinde. Dann könnten die Stellungnahmen noch bei der Erstellung der endgültigen Staatsvertragsfassung gegebenenfalls berücksichtigt werden. Haben die Ministerpräsidenten einen medienrechtlichen Staatsvertrag unterzeichnet, lässt sich dieser im weiteren Verfahren nicht mehr ändern.
In Kraft treten kann das Vertragswerk nur, wenn es von allen 16 Landtagen verabschiedet wird. Stimmt im Ratifizierungsverfahren ein Parlament nicht zu, ist der Staatsvertrag gescheitert. Damit die Landtage noch inhaltlichen Einfluss auf einen Staatsvertrag haben, müssen sie über die Fassung, die die Ministerpräsidenten unterzeichnen wollen, vorab informiert werden. Diese Phase beginnt, nachdem sich die Regierungschefs der Länder auf einen Staatsvertrag geeinigt und diesen beschlossen haben. Im Fall des Reformstaatsvertrags ist bisher vorgesehen, dass die Ministerpräsidenten bei ihrer Jahreskonferenz, die vom 23. bis 25. Oktober stattfindet, diesen Beschluss fassen.
Länder haben noch Eröterungsbedarf
Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, die die Rundfunkkommission der Länder koordiniert, spricht auf Nachfrage von einem „ehrgeizigen Zeitplan“, den sich die Rundfunkkommission bis Ende Oktober auferlegt habe. Die Länder kämen „im Reformprozess gut voran“. Zu einigen grundlegenden Eckpunkten der Reform habe man sich „bereits auf konkrete Maßnahmen verständigt und Regelungsvorschläge festgehalten“. Bei „einigen Themen“ gebe es „noch Erörterungsbedarf“, heißt es von der Staatskanzlei. Übersetzt bedeutet das: Hier liegen die Länder noch lange nicht auf einer Linie.
Die Rundfunkkommission hat sich bisher etwa darauf geeinigt, die Anzahl der Radioprogramme der ARD zu verringern und den Anstalten aufzuerlegen, Innovationen im Programm zu entwickeln. Außerdem sollen die Sender in ihren Angeboten mehr auf die Interaktion mit den jeweiligen Zielgruppen setzen. Dagegen gibt es noch keine Festlegungen, was grundlegende Punkte wie etwa eine Reform der ARD-Organisation betrifft. Erwartet wird bei der Rundfunkkommission auch noch ein Sondergutachten, das bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) in Auftrag gegeben wurde. Die KEF soll Auskunft darüber geben, zu welchen finanziellen Einsparungen bestimmte mögliche Reformen führen könnten. Wann die KEF das Gutachten vorlegen wird, ist unklar.
„Beteiligung der Öffentlichkeit gehört dazu“
Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei verweist darauf, die Rundfunkkommission plane auch beim Reformstaatsvertrag öffentliche Anhörungen. Hier gebe es „keine festen Fristvorgaben“. Für Anhörungen zu Medienstaatsverträgen existierten „keine rechtlichen Vorgaben“. Es gebe eine „gelebte Praxis und einen gewissen Gestaltungsspielraum“, so die Staatskanzlei: „Wir wollen ja gerade einen Raum eröffnen, der Feedback ermöglicht.“
Für Medienrechtler Dörr gehört bei den geplanten Reformen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch dazu, dass es „eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit“ gebe. Die Bürgerinnen und Bürger finanzierten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der damit eine Einrichtung der Gesellschaft sei. Eine solche Beteiligung sei, so sieht es die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, über die geplante öffentliche Anhörung möglich. Dann würden „interessierte Kreise eingeladen, ihre Ansichten zu den Vorschlägen zu teilen“.