Renaissance einer Redaktion in Guatemala

Die Zeitung "elPeriódico" hat ihren Nachfolger im Online-Portal "eP Investiga" gefunden. Foto: eP Investiga

Am 15. Mai 2023 stellte Guatemalas investigative Tageszeitung „elPeriódico“ ihr Erscheinen ein. Rund ein Jahr später sind die Köpfe hinter dem linken Leitmedium mit dem Online-Portal „eP Investiga“ wieder da. Die beiden Buchstaben eP erinnern an den alten Titel des Blattes, das sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hatte. Offiziell gibt es keine Verbindung zur Familie Zamora und dem nach wie vor in Haft sitzenden Zeitungsgründer José Rubén Zamora. Allerdings tritt das investigative Portal für sein journalistisches Credo ein. 

Am 7. April 2024 ging „eP Investiga“ in Guatemala an den Start. „Es hat etwas länger gedauert, bis sich die heute rund 20-köpfige Redaktion gefunden hat. Außerdem mussten wir das Geld zusammenbringen, um das Nachrichten-Portal auf den Weg zu bringen“, erklärt Julia Corado.

Sie ist eine von drei Ressortleiter*innen von „eP Investiga“. Die umtriebige Frau war lange Jahre Redaktionsleiterin von „elPeriódico“. Derzeit arbeitet sie noch aus dem Ausland ebenso wie Direktor des Projektes, Gerson Ortiz. „Gegen uns laufen derzeit noch Ermittlungsverfahren aufgrund falscher Verdächtigungen“, sagt Corado. Erst nach deren Ende könnten sie zurückkehren.  

Mit einer klaren Struktur wirbt das Portal um Abonnenten. Jeden Montag erwartet die Leser*innen eine investigative Hintergrund-Reportage. Die Wochenend-Ausgabe steht hingegen ganz im Zeichen der Kultur. Unter der Woche geht es vor allem um Politik. Folgerichtig kommt „eP Investiga“ etwas anders daher als der Vorgänger unter José Rubén Zamora, dem Gründer und langjährigen Direktor der Tageszeitung „elPeriódico“. Allerdings folgt die Redaktion seinem Credo eines investigativen und demokratiefördernden Journalismus. Dafür steht der heutige Direktor Gerson Ortiz, der lange Jahre gemeinsam mit Zamora und Corado die unbequeme Tageszeitung gelenkt hat. Davon zeugt auch das Banner unten auf der Website. Das gibt Auskunft darüber wie viele Tage Zamora in Haft sitzt – unschuldig. 

Am 29. Juli 2022 wurde Zamora von einer Spezialeinheit der Polizei wie ein Schwerkrimineller abgeführt. Seitdem sitzt der unbequeme Journalist auf der Mariscal-Zavala-Militärbasis in Isolationshaft und wartet auf ein faires und transparentes Verfahren.

Genau das ist trotz der Vereidigung von des neuen Präsidenten Bernardo Arévalo am 15. Januar wenig wahrscheinlich. Zwar zeigen die ersten sechs Monate der Regierung Arévalo, dass sie anderes als die Vorgängerregierung unter Alejandro Giammattei offen und kooperativ mit den Medien umgeht.

Aber: „Es fehlt eine Strategie, wie sie die korrupte Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras loswerden“, analysiert Corado. „Die Generalstaatsanwaltschaft ist zwar unabhängig. Aber sie ist de facto in den Händen einer Frau, die alle Hebel in Bewegung setzt, um ihre eigenen Interessen und die eines mächtigen Klüngels aus Militär, Politik, Unternehmerschaft und organisierter Kriminalität zu vertreten.“

Medien weiterhin im Fokus der Justiz

Nach Ansicht des guatemaltekischen Journalisten Carlos Ernesto Choc, der für und mit dem Recherche-Netzwerk „Forbidden Stories“ arbeitet, hat sich in Guatemala kaum etwas für die Berichterstatter*innen geändert. „Wir werden vom Staatsanwalt Rafael Curruchiche, der rechten Hand der Generalstaatsanwältin, nach wie vor als Aktivist*innen bezeichnet. Er akzeptiert nicht, dass wir Journalist*innen den Auftrag haben, die Gesellschaft zu informieren – und das kritisch. Das ist das Kernproblem“, sagt der 42-jährige Journalist, Er gehört der Ethnie der Maya Q’eqchi an. Lange durfte er das Land nicht verlassen, weil er von der Justiz kriminalisiert wurde. Das ist nach der Niederschlagung der beiden Ermittlungsverfahren erst einmal vorbei. Deshalb kann Choc derzeit in Deutschland auf Recherche sein. 

Viele kritische Journalist*innen leben derzeit im Exil, weil gegen sie in Guatemala ermittelt wird. Oft sind die Anschuldigungen fingiert. So lehrt Marvin del CID an der Universität in San José. Sein Thema dort: korrupte Strukturen. Gerson Ortiz feilt hingegen in den USA weiter am Konzept des Mediums. 

Dessen administrative Strukturen sind in Mexiko-Stadt angesiedelt, um vor dem Zugriff der guatemaltekischen Justiz geschützt zu sein. Kein Einzelfall. Immer öfter versuchen sich kritische Medien, darunter auch „El Faro“ aus El Salvador, vor dem Zugriff der eigenen Regierung in Sicherheit zu bringen. Zu Recht, denn „El Faro“, älteste digitale Tageszeitung der Region und Pionierin der investigativen Recherche, wird seit Jahren von Präsident Nayib Bukele angefeindet. Das hat es in Guatemala unter Alejandro Giammattei ebenfalls gegeben. 

Hoffen auf eine Rückkehr

Unter  Bernardo Arévalo ist das unvorstellbar. Allerdings kursieren Spekulationen, dass der gewählte und legitime Präsident bei einem Wechsel im Weißen Haus in Washington durchaus straucheln könnte. Das ist für kritische Medien wie „eP Investiga“ eine indirekte Bedrohung. Auch deshalb will das Portal schnell wachsen. Mit mehr Abonnenten sollen nicht nur die aufwändigen Recherchen, sondern auch eine wachsende Redaktion bezahlt werden. Fast 150 Journalist*innen hatte die 1996 gegründete Tageszeitung „elPeriódico“ in ihren besten Zeiten, 129 waren es zum Zeitpunkt der Verhaftung von José Ramón Zamora. 

Wann die Ikone der unabhängigen, kritischen Berichterstattung irgendwann die redaktionelle Arbeit wieder aufnehmen kann, steht allerdings in den Sternen. Im Frühjahr wurde Zamora mit dem wichtigsten Medienpreis der Region, dem Premio Gabo, ausgezeichnet. Der Preis könnte dazu beitragen, dass Zamora, Jahrgang 1956, nach mehr als zwei Jahren in Haft endlich freikommt. Das hofft zumindest seine ehemalige Redaktionsleiterin Julia Corado. Sie will im Spätsommer nach Guatemala zurückkehren und hofft auf eine bessere Lage dort.

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