Guatemala: Aus für „elPeriódico“

ElPeriodico aus Guatemala macht dicht: Foto: elperiodico

Heute erscheint die letzte Ausgabe der guatemaltekischen Tageszeitung „elPeriódico“. Sie war 26 Jahre lang das Flaggschiff der investigativen Printmedien Guatemalas. Die Zeitung erscheint schon seit November nur noch online. Denn zuletzt wurde die staatliche Repression immer stärker. Nach der Verhaftung des Direktors und der Sperrung der Verlagskonten hat die Restredaktion nun endgültig aufgegeben.

Am Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, forderte „Reporter ohne Grenzen“ die Regierung Guatemalas zuletzt auf das Verfahren wegen Geldwäsche gegen „elPeriódico“ und dessen Direktor José Rubén Zamora einzustellen. Die Regierung solle die „juristischen Schikanen“ gegen Zamoras Anwälte und neun Journalist*innen von „elPeriódico“ beenden. Genutzt hat der Appell offenbar nicht mehr. Am vergangenen Freitag erklärte die von Julia Corado vertretende knapp zehnköpfige Restredaktion das Ende der renommierten investigativen Tageszeitung: „Mit großer Traurigkeit sehen wir uns dazu gezwungen, die tägliche Ausgabe des „elPeriódico“ einzustellen. 287 Tage haben wir der Verfolgung und dem politischen sowie wirtschaftlichen Druck widerstanden“, hieß es.

Rangliste der Pressefreiheit: 127 von 180

In Guatemala müssen Journalist*innen, die über Korruption, organisierte Kriminalität oder Menschenrechtsverbrechen während der Zeit des Bürgerkriegs berichten, mit Einschüchterungsversuchen und Drohungen rechnen. Immer wieder werden Journalist*innen ermordet. Bei Kritik an ranghohen Politiker*innen drohen Verleumdungsklagen und der Entzug lukrativer Werbeanzeigen. Die Medienlandschaft ist stark konzentriert. (Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de)

Der Korruption im Wege

Am 29. Juli 2022 war der Direktor und Gründer von „elPeriódico“, José Rubén Zamora, wegen Geldwäsche verhaftet worden. Journalistenverbände und Menschenrechtsverteidiger*innen betrachten die Vorwürfe als konstruiert, sehen in der Anklage einen Vorwand, um gegen die seit 1996 existierende regierungskritische Tageszeitung vorzugehen. Vieles spricht dafür, dass das Medium denjenigen, die in Guatemala die Macht innehaben zu unbequem geworden war. Die Tageszeitung hatte immer wieder bedeutende Korruptionsfälle aufgedeckt, nicht nur 2015 detailliert über das Korruptionsnetzwerk rund um den ehemaligen Präsidenten Otto Pérez Molina berichtet, sondern auch im Umfeld des amtierenden Staatschef Alejandro Giammattei recherchiert. Zu kritisch, zu nah dran war die rund 150-köpfige Redaktion am „Pakt der Korrupten“, einem Netzwerk aus Politik, Militär, organisierter Kriminalität und Unternehmen, die Guatemala mittlerweile lenken, so der ehemalige „elPeriódico“-Redakteur Marvin del Cid: „Das ist ein massiver Schlag für die Pressefreiheit, der den mafiösen Gruppe in Guatemala in die Karten spielt.“

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