Ver.di im NDR verurteilt den Versuch von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und anderen Unionspolitiker*innen, sich unrechtmäßig in die Programmentscheidungen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) und die Angelegenheiten seines Kontrollorgans, des Rundfunkrats, einzumischen. Dies, so ver.di. sei ein „No-Go in unserer Demokratie nach den Erfahrungen der Vergangenheit“.
In der NDR-Belegschaft fühle man sich an die repressive Medienpolitik von Donald Trump erinnert, heißt es in einer am 25. September 2025 veröffentlichten Pressemitteilung. Bayerns Ministerpräsident Marcus Söder (CSU) und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hätten Daniel Günther bei seiner Attacke „Schützenhilfe“ geleistet. Zu dritt hatten sie in den vergangenen Tagen den NDR öffentlich schnell und scharf kritisiert, weil der nach drei Pilotfolgen des gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk produzierten Magazins KLAR für seine künftigen Folgen neue Moderator*innen verpflichten wollte, um die Sendung nach eigenen Angaben vielfältiger aufzustellen.
Konservative Journalistin sieht sich gecancelt
Die Moderatorin der drei Pilot-Sendungen, Julia Ruhs, bekennende Konservative, soll im ÖRR künftig weiterhin die Ausgaben präsentieren, die der BR verantwortet. Doch Ruhs sah sich wegen ihrer politischen Haltung vom NDR gecancelt. Auf der Plattform „X“ behauptete sie, vom NDR rausgeworfen worden zu sein, weil sie zu rechts sei und nannte es ein „Armutszeugnis“, dass der NDR sie nicht mit weiteren Moderationen beauftragt habe.
Daniel Günther war ihr danach sofort zur Seite gesprungen und kritisierte den NDR für seine Personalentscheidung scharf. Linnemann drohte gleich mit dem Einfrieren der Rundfunkbeiträge. Nur einen Tag später gab der NDR den Namen einer neuen Moderatorin bekannt: Tanit Koch, Ex-Chefin von BILD und ehemals CDU-Wahlkampfberaterin. Koch hatte der NDR offenbar nicht wegen der Kritik an der Personalentscheidung Ruhs aus dem Hut gezaubert, sondern gut vorbereitet und schlüssig begründet. Zu spät: Die Unionspolitiker hatten ihre Einmischung in die Rundfunkfreiheit bereits lautstark losgetreten.
Man fühle sich, so ver.di, an die Staatsvertragskrise in Schleswig-Holstein von vor über 40 Jahren erinnert. Schon 1978 hatte der damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) den NDR-Staatsvertrag gekündigt, weil ihm die NDR-Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Bau des AKW Brokdorf ein Dorn im Auge war. Stoltenberg und sein niedersächsischer Amtskollege Ernst Albrecht behaupteten, der NDR halte den Staatsvertrag nicht ein, sei zu linkslastig, berichte zu viel aus Hamburg und zu wenig aus den Regionen. Niedersachsen zog mit einer Kündigung nach. Damals verhinderte das Bundesverfassungsgericht die Zerschlagung des NDR, denn eine der Kündigungen kam nicht fristgerecht.
Rechte Kampagne richtet Schaden an
„Die in Sachen KLAR von Politikern geschürte Empörung schädigt nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung in den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Es werden auch zu Unrecht viele Kolleg*innen öffentlich an den Pranger gestellt, die sich in einem internen Schreiben mit den inhaltlichen und handwerklichen Schwächen der ersten Pilotfolge von KLAR auseinandergesetzt haben. Ihnen wird von Medien – vom NDR leider unwidersprochen – Mobbing gegen Julia Ruhs unterstellt“, so die ver.di-Erklärung weiter.
Die somit „hochgepeitschte Berichterstattung über den Moderationswechsel bei KLAR“ gefährde damit auch die Arbeit des Rundfunkrats, der darüber wachen soll, dass der NDR seinen Programmauftrag erfüllt. Rechte Medien werfen demnach Rundfunkrätin Sandra Goldschmidt vor, an einer „senderinternen Kampagne“ gegen Julia Ruhs beteiligt gewesen zu sein. Durch Fakten werde dies aber nicht belegt. „Die Folge: Bedrohungen von Goldschmidt durch Rechtsextreme, die im Netz dazu aufrufen, ihre Privatadresse zu recherchieren.“ Auch in ihrer beruflichen Aufgabe als Landesbezirksleiterin von ver.di in Hamburg werde Goldschmidt seit vergangener Woche bedroht. „Das Engagement eines ver.di-Landesbezirks mit zigtausend Mitgliedern, die sich für faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen einsetzten, wird damit gefährdet.“
NDR ist gefordert
Der NDR sei gefordert, Eingriffe in sein Programm durch Politiker*innen deutlich abzuwehren, erklärt ver.di im NDR. Zudem müsse eine Unternehmenskultur gefördert werden, „die eine redaktionsübergreifende Diskussion über die Qualität von Sendungen ermöglicht und interne fundierte Kritik wertschätzt“. Es sei auch an den Verantwortlichen, öffentlich zu kommunizieren, dass die Unterzeichner der Kritik an der ersten Folge von KLAR sich nicht gegen Julia Ruhs persönlich positioniert hätten. Die eigenen Aufsichtsgremien müssten gegen Angriffe von außen geschützt werden, wenn sie interne sachliche Kritik an der Qualität des Programms übten.

