Vom aktuellen Umgang deutscher Verlage mit Scheinselbstständigkeit
Plötzlich werden Pauschalisten bundesweit Festanstellungen in Zeitschriften- und Zeitungsverlagen angeboten, Freie müssen gehen oder andere Vertragsklauseln akzeptieren. Auslöser sind gezielte Kontrollen von Behörden und Zoll. Auch die Ankündigung der Bundesarbeitsministerin, Gesetze zu verschärfen, scheucht die Branche auf. Man sucht Lösungen für das Problem Scheinselbstständigkeit. Mit mehr Rechtskonformität bei Beibehaltung größtmöglicher Flexibilität. Problematisch wird das da, wo zu lausigen Bedingungen eingestellt wird oder Neuregelungen dazu führen, dass Freie auf der Strecke bleiben.
Vor Jahreswechsel war ultimo: Alle, die man getrost als „feste Freie“ eines Funke-Lokalmediums im Norden der Republik bezeichnen kann, erhielten ein eiliges Angebot. Es sollte ihren Status und die Bedingungen der Zusammenarbeit neu regeln. „Die ganz überwiegende Zahl hat ‚Rahmenverträge’ angeboten bekommen, einige auch eine Festanstellung“, erzählt ein Insider. Statt nach Arbeitszeit werde mit den neuen Verträgen nun „werksweise“ abgerechnet. Etwa 20 verschiedene Artikelpauschalen gebe es jetzt, die sich grob an die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie Texter und Fotografinnen an Tageszeitungen anlehnen. Vorher gültige Abreden für Urlaub und freie Tage, zu Wochenendzuschlägen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind passé. Stattdessen sollten die Freien dem Verlag diverse Zusicherungen machen: Dass sie von zu Hause aus arbeiten, keine Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt bekommen und noch andere Auftraggeber haben. Auch müssen sie für gelieferte Fotos nun die individuelle Haftung übernehmen, dass die Persönlichkeitsrechte Abgebildeter gewahrt sind.
Über Weihnachten blieb kaum Zeit und Gelegenheit, sich umfassend zu beraten. Zähneknirschend unterschrieb auch unser Kollege: „Nachdem ich erfahren habe, wie die Bedingungen für die Festanstellung aussehen, habe ich den Gedanken fallengelassen, mich einzuklagen.“ Das Jahresgehalt läge deutlich unter der tariflichen Einstiegsgehaltsgruppe für Redakteure an Tageszeitungen. Aber Tarife gelten bei dem Funke-Blatt eh nicht. Die nun festgezurrten Konditionen bedeuten für unseren Mann „ein Minus von 20 bis 25 Prozent“ gegenüber den zuvor erzielten Monatshonoraren. Das könne selbst ein „Vielschreiber“ wie er, der von Terminen auch Fotos mitbringt, nicht ausgleichen. Die „Richtlinien“, die bei Funke ab 1. Januar 2016 für die freie Mitarbeit in den Redaktionen der Mediengruppe gelten sollen, hat keiner der Betroffenen zu Gesicht bekommen. Dass, wie es hieß, kein Freier gegenüber seinen bisherigen Abreden schlechter gestellt werden sollte, kann niemand einfordern. Vielmehr habe gegolten: Friss Vogel oder stirb.
Lange Zeit ein stumpfes Schwert
Eine Erfahrung im aktuellen Mediengeschäft. Die Konditionen, unter denen Freie, speziell Feste oder Pauschalisten, bisher in Redaktionen beschäftigt wurden, stehen vielerorts „auf dem Prüfstand“ (Funke) und sollen „rechtssicher“ gemacht werden, wie es im Hause DuMont heißt. Plötzlich schaut man auf das Damoklesschwert, das über den Freien schwebt, lange Zeit aber eher als stumpf und gefahrlos galt: die Scheinselbstständigkeit. Denn inzwischen hat sich die Lage auch für die Verlage geändert. Was jahrzehntelang ein effizientes Geschäftsmodell war und – speziell auch im Online-Bereich – regelrechte Blüten trieb, scheint nun obsolet: die massenweise Einbindung „freier“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Redaktionsbetrieb dergestalt, dass diese dort – oft am redaktionseigenen Arbeitsplatz, eingetaktet in Dienstpläne und Weisungsrecht – eigentlich die Arbeit von Festangestellten erledigen.
Eine Untersuchung zu „Scheinselbstständigkeit bei Journalisten in NRW“ kam 2015 zu dem Schluss, dass nur 36 Prozent derer, die als „Freie“ gelten, dafür die rechtlich fundierten Kriterien erfüllten. Stattdessen sei nach der (nicht-repräsentativen) Studie aus dem Dortmunder Institut für Journalistik etwa jede_r Dritte befragte freie Journalist_in in Nordrhein-Westfalen als scheinselbstständig einzustufen, weitere 31 Prozent wurden als „semi-abhängig“ klassifiziert. Rund 23 Prozent der Befragten haben nur einen einzigen Auftraggeber. Fast vier Fünftel gaben an, dass sich ihre Tätigkeiten mehr als zur Hälfte mit denen von Festangestellten decken. Gegeben scheint auch, dass ein beträchtlicher Teil der Selbstständigen nicht freiwillig in diesem Status arbeitet, dass viele mit ihrem Job dennoch recht zufrieden sind, auch wenn sie insgesamt weniger Brutto-Vergütung erhalten.
Freie Journalist_innen sind bekanntlich nicht gegen Kündigung geschützt, erhalten weder Urlaubsgeld noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie müssen sich selbst renten-, pflege- und krankenversichern. Sofern sie bei der Künstlersozialkasse versichert sind, übernimmt die quasi den „Arbeitgeber“-Anteil – das gilt aber nur dann, wenn die Freien „die Ausübung einer auf Dauer angelegten selbstständigen künstlerischen und/oder publizistischen Tätigkeit in erwerbsmäßigem Umfange“ nachweisen können. Die Zuzahlungen der KSK werden dann zu 20 Prozent aus einem Zuschuss des Bundes und zu 30 Prozent aus der Künstlersozialabgabe von Unternehmen finanziert, die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten.
Das schützt freie Journalist_innen mehr als andere Soloselbstständige vor ganz prekären Verhältnissen und macht sie zugleich für Auftraggeber interessant: Sofern Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ihr redaktionelles Kerngeschäft nicht durch Angestellte, sondern durch „Freie“ erledigen lassen, „sparen“ sie dreifach: sie zahlen keine (Tarif)Gehälter und enthalten den Sozialkassen die eigentlich fälligen Abgaben vor. Zusätzlich lassen sie sich Personal durch KSK-Abgaben – und damit auch durch den Steuerzahler – subventionieren. Klar formuliert: Sie betreiben Sozialbetrug. Das ist ein Straftatbestand (§ 266a StGB), für den Arbeitgebern mehrjährige Freiheitsstrafen drohen. Während ein durch die Versicherungsträger der Scheinselbstständigkeit überführter „Freier“ maximal drei Monate Sozialabgaben nachzahlen muss, verjähren Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber erst nach vier Jahren, bei Vorsatz noch später. Doch lange galt: wo kein Kläger, da kein Richter. Auch viele Freie hielten still.
Verschwiegen oder im Licht der Öffentlichkeit
Dabei listet die Deutsche Rentenversicherung seit Langem „Merkmale einer Scheinselbstständigkeit“ auf und rät, sich im Zweifelsfall an die dortige Clearingstelle zu wenden. Dennoch wurde Erwerbstätigkeit vielfach hart am Rand oder über die Grenze des Legalen hinaus organisiert. Aus dem Hause Axel Springer war dann im vergangenen Februar zu hören: Im Rahmen einer internen Compliance-Untersuchung sei man auf den Verdacht gestoßen, dass „branchentypisch eingesetzte freie Mitarbeiter in der Vergangenheit arbeitsrechtlich nicht richtig eingeordnet waren“. Darüber habe man die zuständigen Finanz- und Sozialversicherungsbehörden informiert. Was seither aus der „Selbstanzeige“ geworden ist, darüber schweigt der Konzern; die Rentenversicherung erteilt keine Auskünfte.
Weniger aufgefallen war, dass bei der „Hessischen/ Niedersächsischen Allgemeinen“ (Ippen) schon 2014 nach Prüfung durch die Rentenversicherung etwa ein Dutzend Freiberufler fest angestellt wurde. Bei Spiegel online mussten 2014 fast alle Freien gehen, die schon länger als zwei Jahre beschäftigt wurden – wohl auch, weil Klagen auf Festanstellung befürchtet wurden. Eher schleichend wandelte sich die Personalpolitik von Zeit online oder beim Berliner „Tagesspiegel“, die jüngst ebenfalls Pauschalist_innen einstellten.
Andere Verlage gerieten mächtig in die Schlagzeilen. So 2015 das Kölner Stammhaus von DuMont Schauberg durch großangelegte Kontrollen des Zolls. Ein Whistleblower soll über 100 Namen aufgelistet haben. „In großem Stil“, so berichteten Branchenblätter im vergangenen April, wurden ehemalige und aktuelle freie Mitarbeiter_innen daraufhin vernommen, um festzustellen, ob mit ihnen „genauso umgegangen wird wie mit festangestellten Redakteuren“. MEEDIA vermeldete: „In Köln setzt man offenbar seit Jahren auf freie Mitarbeiter, die monatlich pauschal abgerechnet werden, teils sogar auf Tagelöhner.“ Monate später bot das Medienhaus Kölner Pauschalist_innen Festanstellungen an. Die Konditionen lösten Empörung aus. Auch auf einer ver.di-Zusammenkunft Mitte Dezember 2015 machte sich Unmut Luft. Vor allem die Befristung von Verträgen auf ein Jahr bei „branchenüblichen“ Probezeiten von sechs Monaten wurde als Zumutung gesehen. Individuelle Angebote sollten unter 1900 Euro für einen Vollzeitjob betragen oder auch 20 bis 30 Prozent unter den bisherigen Honoraren liegen. Inzwischen ist man bei DuMont zurückgerudert. Von Befristung ist keine Rede mehr. In allen drei Redaktionsfirmen wurden weiter Festanstellungen verhandelt. In der 2014 gegründeten tariflosen Rheinischen Redaktionsgemeinschaft, wo fünf Regionalausgaben für die „Kölnische Rundschau“ und den „Kölner Stadt-Anzeiger“ produziert werden, hat man den meisten der fünfzehn Pauschalisten Anstellungen bei einem Monatsgehalt bis 3300 Euro angeboten – ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ohne Presseversorgung. Kilometergeld für Dienstfahrten und Zuschläge für Sonntagsdienste gibt es. Ein Knackpunkt dürfte allerdings die 40-Stunden-Woche sein, zu der noch unbezahlte Mehrarbeit kommen könne. Doch sind erste Einstellungen auf dieser Basis inzwischen erfolgt. In der neugegründeten Media24 Rheinland-Tochter, in der zu Jahresbeginn alle Kölner Onliner zusammengefasst wurden, verfahre man ähnlich, auf noch etwas niedrigerem finanziellen Niveau. Doch 1800-Euro-„Angebote“ seien definitiv vom Tisch.
Unterschiede zwischen Print-Redakteuren und Onlinern macht man auch bei der „Süddeutschen“ in München. In der Süddeutschen Zeitung GmbH gilt der Tarifvertrag als Grundlage für Gehaltsverhandlungen. Von potenziell mehr als 100 festen Freien wolle man, so wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, eine „höhere zweistellige Zahl“ von Einstellungen vornehmen – über einen längeren Zeitraum und nach individueller Prüfung jedes Einzelfalls. Anfang Februar waren mindestens zehn Festeinstellungen bereits erfolgt, in der Regel mit einer Anerkennung von drei Berufsjahren für die freiberufliche Tätigkeit. Auch im tariflosen SZ Magazin und bei den Onlinern in der ebenfalls tariflosen SZ Digitale Medien GmbH soll schrittweise eingestellt werden. Zahlen will man keine nennen. Online-Redakteure werden bislang „in Anlehnung an den Tarif bezahlt“, das gelte auch für die Neueinstellungen. „Im Großen und Ganzen wurde uns Zufriedenheit übermittelt“, heißt es aus der Interessenvertretung über die Vertragsverhandlungen.
Gesucht: die kollektive Lösung
Anders bei Gruner + Jahr. Gerüchteweise hieß es am Hamburger Baumwall vor Monaten, dass gar nicht mehr mit Freien gearbeitet werden solle. Dabei waren gerade vor Jahresfrist nach einer Entlassungswelle bei Festangestellten viele Stellen mit Freien „besetzt“ worden. An die 250 von ihnen organisierten sich nun über Listen und Treffen. 180 füllten einen Fragebogen aus, mit denen Status-„Fallgruppen“ ermittelt werden sollen. Ziel ist eine „kollektive Lösung“, sind generelle Absprachen mit dem Management, auf die bei individuellen Verhandlungen gebaut werden kann. Und die Freien wollen Antworten. Auf einer Zusammenkunft Anfang Februar versicherte Personalchef Dr. Stefan Waschatz, dass man „weiterhin mit einer großen Zahl freier Mitarbeiter zusammenarbeiten“, aber „auch viele fest anstellen“ wolle. In einem „hochkomplexen Prozess“ gehe es um „größtmögliche journalistische Qualität bei der größtmöglichen Flexibilität“, wird „Stern“-Herausgeber Andreas Petzold zitiert. Fünf Forderungen übermittelten die Freien dann an Geschäftsführerin Julia Jäkel: Neu abzuschließende Verträge sollen für die Einzelnen “die bisherigen Arbeitsumfänge“ – die sich auch aus Aufträgen für verschiedene Redaktionen zusammensetzen können – „zeitlich widerspiegeln“. Außerdem will man Bezahlung und Arbeitszeit gemäß den Zeitschriften-Tarifverträgen, Ausschluss von Befristungen, die Nennung eines Stichtages und Überbrückungsgelder für diejenigen, die nicht in ein festes Arbeitsverhältnis wechseln. Die Freien wollen ¬– wie sie sagen – „das wirtschaftliche Risiko“ der geplanten Maßnahmen nicht allein aufgebürdet bekommen. Auch dass sie sich gegen „Zweiklassenredaktionen“ wenden, ist nachvollziehbar: Wurde doch bereits erläutert, dass Festanstellungen über die neue G+J Medien GmbH erfolgen sollen. Die wurde gegründet, um keine Tarifgehälter zahlen zu müssen. Einstellungen sollen meist befristet erfolgen. Doch wolle man Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie 30 Urlaubstage im Jahr sichern. Die Chefredakteure seien gefragt, Angebote zu machen und Einzelentscheidungen zu treffen. Vereinzelt passiere das bereits, hört man. Offenbar wurde auch in der Chefetage nachjustiert. In der zweiten Märzwoche soll das Ergebnis bekannt werden.
Eine Chance vertan?
Verlagspolitik im digitalen Zeitalter läuft oft genug darauf hinaus, Renditeerwartungen mit Rotstift am Personal, Tarifflucht und Auslagerung in Billigtöchter zu bedienen. Die Eile, mit der Medienhäuser jetzt versuchen, die selbst genährte Schlange Scheinselbstständigkeit zu bändigen, hängt auch mit einer geplanten Gesetzesnovelle zu Leiharbeit und Werkverträgen zusammen. Mit einem Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vom vergangenen November sollten Kriterien für die Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen auch gesetzlich festgeschrieben werden. Ein Arbeitsvertrag sollte, unabhängig von Bezeichnung und formalem Inhalt, dann vorliegen, „wenn dies der tatsächlichen Vertragsdurchführung entspricht“. Andrea Nahles wollte das Bürgerliche Gesetzbuch ändern. Schluss mit lustig? Darin sah wohl so mancher Verlagsmanager, aber auch dieser oder jene Freie das eigentliche Übel: Das Gesetzesvorhaben sei womöglich für Pflegekräfte oder Postfahrer ein Segen, für freie Grafiker, Schlussredakteure und Journalisten jedoch eine Katastrophe, da es vielen die existenzsichernde Berufsausübung unmöglich mache. Wer so argumentiert, stößt mit zweifelhaften Jagdgenossen ins Horn: Mächtige Wirtschaftsverbände liefen Sturm gegen die Gesetzesintiative, auch Selbstständigenverbände, etwa der IT-Branchen, forderten „Schluss mit der Hexenjagd“. Kanzlerin Merkel bemängelte, dass der Nahles-Entwurf über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinausginge. Die Überarbeitung aus dem Bundesarbeitsministerium – die nun ganz auf Eis liegt – schwächt wohl auch die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und Scheinselbstständigkeit ab. „Eine große Chance wird vertan“, meint Veronika Mirschel, Leiterin des ver.di-Referats Selbstständige. „In der ersten Fassung wäre das Gesetz allen Kolleginnen und Kollegen eine große Hilfe gewesen, die sich – in die Scheinselbstständigkeit gedrängt – individuell schlecht wehren können, weil sie um ihre ökonomische Existenz fürchten müssen.“ Nun sind Selbstständige bei Statusklagen wieder allein auf die Rechtsprechung angewiesen. ver.di stehe zu echter Selbstständigkeit als „wunderbare Erwerbsform“, wenn sie in entsprechendem Rahmen gestaltet sei. „Doch wir sind auch für die Stärkung solidarisch finanzierter Sozialsysteme und wehren uns dagegen, dass sich vermeintliche Auftraggeber oder gut verdienende Scheinselbstständige den für abhängige Arbeit geltenden Regeln entziehen wollen“, so Mirschel.
Wenn in Verlagen jetzt Statusfragen geklärt und Fotografinnen, Grafiker oder Journalistinnen aus der Schattenzone geholt und zu ordentlichen Konditionen fest angestellt werden, ist das zu begrüßen. Legitim sind auch faire und rechtskonforme Regelungen einer Zusammenarbeit auf freier Basis. Jede_r Freie, die oder der nicht mehr als Rädchen in Wirtschaftsmechanismen der Grauzone fungiert, hilft den ramponierten Ruf des Berufsstandes aufzubessern. Doch wo zu lausigen Bedingungen eingestellt wird, neue Verträge dazu führen, dass Freie gehen müssen oder weniger Aufträge bekommen, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, wird das für Freischaffende schnell existenziell. Die sollten immer prüfen, ob es lohnt, sich einzuklagen und wie es gelingen kann, durch Vernetzung Druck aufzubauen. Die Verleger sind in der Pflicht, in Journalismus – mit dem sie ihre Gewinne erzielen – auch entsprechend zu investieren.
Helma Nehrlich
Merkmale für Scheinselbstständigkeit:
Dass Sie kein echter Selbstständiger, sondern nur scheinbar selbstständig sind, dafür sprechen folgende Kriterien:
o die uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten
o die Verpflichtung, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten
o die Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen zu lassen
o die Verpflichtung, in den Räumen des Auftraggebers oder an von ihm bestimmten Orten zu arbeiten
o die Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind
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Gesetzesnovelle sollte klarer abgrenzen
Der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums sah vor, dass in das BGB ein § 611a eingefügt wird. Dieser bestimmt „Vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag“:
„Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingeliedert ist und Weisungen unterliegt.“ Zur Beurteilung sei eine „wertende Gesamtbetrachtung“ erforderlich. Zu den explizit aufgeführten acht Kriterien zählt auch, ob Arbeitszeit und Arbeitsort frei zu gestalten sind, ob in Räumen eines anderen regelmäßig Mittel eines anderen genutzt werden oder ob in Zusammenarbeit mit Personen gearbeitet wird, „die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind“.
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