Bei Streit auf zum Ombudsmann

Lösungshilfen im „Haus der Selbstständigen“ in Leipzig

Das neue Layout ist abgeliefert und eigentlich abgenommen – aber dann denkt der Kunde um und man befindet sich in schier endlosen „Korrektur“-Schleifen? Ein bestellter Text ist geliefert – aber dann meint der Redakteur „gefällt mir nicht“ und verlangt „Nachbesserung“? Eine Reihe von Besprechungsterminen für ein Projekt sind vereinbart – aber dann dauern sie nicht jeweils eine, sondern mehrere Stunden? Vielen, die als Freie bzw. Solo-Selbstständige (SoloS) arbeiten, sind derartige Konflikte bestens bekannt. Deren Bewältigung ist eine der zentralen Herausforderungen in ihrem Berufsalltag. Das in Leipzig ansässige Haus der Selbstständigen (HDS) hat deshalb ein Angebot zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen SoloS und ihren Auftraggebenden aufgebaut.

Im Juli nahm die kostenfreie Ombudsstelle am HDS ihre Arbeit auf. „Absicht und Ziel ist es, Konfliktbetroffenen unparteiisch Gehör zu gewähren und gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten“, erklärt Dr. Sascha Weigel. Der Anwalt, lizensierter Mediator des Bundesverbandes Mediation fungiert als Ombudsmann für das HDS. Im Vorbereitungsprozess waren Expert*innen für Konfliktmanagement hinzugezogen worden; die im HDS tätigen Arbeitssoziologinnen und Partner*innen trugen ihre Kenntnisse bei. Ebenso wurden Solo-Selbstständige gefragt, welche Bedarfe sie in dieser Hinsicht haben. In einer Umfrage des HDS und einem Workshop zur Konzeption der zukünftigen Ombudsstelle brachten sie sich mit wichtigen Hinweisen und Ideen ein. Dabei wurde klar, dass SoloS neben der Konfliktberatungsstelle flankierende Informationen und Weiterbildungsangebote benötigen. Auch diese Angebote gibt es nun, unter anderem eine Weiterbildungsreihe zur Konfliktkompetenz mit insgesamt fünf Veranstaltungen, die bereits rege genutzt wird.

Dr. Sascha Weigel, Anwalt, lizensierter Mediator und Konfliktberater ist Ombudsmann im HDS. Foto: HDS

Seit Ende August bietet das HDS nun regelmäßig kostenfreie Infosessions der Ombudsstelle an (im Wechsel digital und in Präsenz). An diesen Terminen ist es möglich, sich im direkten Gespräch mit Ombudsmann Weigel unverbindlich zur Arbeitsweise und zur konkreten Konfliktbearbeitung zu informieren. Mittlerweile haben sich etliche SoloS mit der Ombudsstelle vertraut gemacht; der erste konkrete Fall ist gerade in der Mediation. Die häufigsten Probleme, weiß Weigel, sind Streitigkeiten zwischen SoloS und ihren Auftraggeber*innen. Sie sind oft die Folge von unklaren Absprachen, Missverständnissen und Interessenlagen. „Das Abhängigkeitsverhältnis und entsprechende Machtgefälle erschwert die Position von SoloS in solchen Konflikten“, berichtet er. „Dennoch ist es durchaus möglich, dass beide Seiten gestärkt aus einem Konflikt herauskommen, wenn sie grundsätzlich bereit sind, auch bei Spannungen konstruktiv zusammenzuarbeiten.“ Für SoloS ist wichtig und vorteilhaft, dass sie beim Ombudsverfahren in der Verantwortung bleiben. Wie auch bei anderen Dienstleistungen, ob nun beim Arzt oder Anwalt, die Probleme und Konflikte können nicht einfach abgeladen werden, sondern Mit- und Zuarbeit und ggf. Verhaltensänderungen sind essentiell für das klärende Gelingen eines Ombuds- bzw. Mediationsverfahrens.. Oftmals werden Konflikte in der Hektik des Alltags nicht bearbeitet, weil sie vor allem Zeit kosten, weiß Weigel: „Sich aber die nötige Zeit zu nehmen und wieder Klarheit herzustellen, eröffnet beiden Seiten die Chance, ihr Arbeitsverhältnis grundlegend zu regeln und spürbar zu verbessern.“

Aufeinander zugehen

Sowohl SoloS als auch ihre Auftraggeber sollten erkennen, dass sie einander brauchen, denn: „Drohungen und Befürchtungen sind zwar marktüblich, aber keine Lösungsstrategie“, erklärt Weigel. Dazu gehöre es auch, dass SoloS sich neben dem Streben nach Professionalität und Qualität beim Auftraggeber ein Standing erarbeiten. „Alles mit sich machen zu lassen kann also keine Option sein“, rät der Anwalt. Im Laufe einer Mediation sollte ein Lernprozess in Gang kommen, in dessen Verlauf beide Seiten die Schwierigkeiten und Herausforderungen der jeweils anderen Seite anerkennen und in Zukunft mitbedenken. „Die Erfolgsquote ist dann gut, wenn sich die Konfliktpartner entschlossen haben, aufeinander zuzugehen“, macht Ombudsmann Weigel Solo-Selbstständigen Mut, sich Konflikten zu stellen und sie gemeinsam mit ihren Auftraggebern zu bearbeiten. Im konkreten aktuellen Fall der HDS-Ombudsstelle könne das gelingen.

Im Wissenspool auf der HDS-Webseite zum Thema Konfliktklärung gibt es ausführliche Informationen und Best-Practice-Beispiele; im HDS-Podcast teilen interessante Gesprächspartner*innen ihre praktischen Erfahrungen und wissenschaftliche Expertise. Ganz im Sinne der Lotsenfunktion des HDS gibt es auch Hinweise auf bereits bestehende Unterstützungsangebote von Berufs- und Branchenverbänden, Kammern oder auch dem ver.di-Beratungsnetzwerk selbststaendigen.info.

„Wissen über bestehende Möglichkeiten und Angebote sowie die Gelegenheit, sich über eigene Erfahrungen und Herangehensweisen auszutauschen, sind häufig schon ausreichend, um selbst kompetent mit schwierigen Situationen umzugehen“, weiß Dr. Anne Röwer, die im HDS für das große Thema Konfliktklärung verantwortlich ist. Die Beratungs- und Schlichtungsleistung der Ombudsstelle des HDS wird als Deminimis-Beihilfe* gewährt. Im persönlichen Gespräch lassen sich Voraussetzungen und Anforderungen klären. Die Fälle werden selbstverständlich streng vertraulich behandelt.

*De-minimis-Beihilfe: Dabei handelt es sich um geringfügige Förder-Beträge („Bagatellbeihilfen“), die bei der EU-Kommission weder angemeldet noch genehmigt werden müssen.

 

Haus der Selbstständigen

Angebote, Informationen, Kontakt und vieles mehr:

https://hausderselbststaendigen.info/

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »