Beruf Cutterin: Claudia Lenggu

Cutterin Claudia Lenggu
Foto: Tanja Luther

Eine Bildsprache gestalten

Seit zwanzig Jahren arbeitet Claudia Lenggu als Cut­terin für aktuelle Nach­richten und Magazinsendungen beim Hessischen Rundfunk (HR). Nur in wenigen TV-Sendern werden Beschäftigte im Schnitt noch so bezeichnet, heute heißen sie meist Film­editoren oder „Mediengestalter Bild und Ton“. Der Wandel macht sich auch im Arbeitsalltag bemerkbar. Die Zeitverdichtung der Arbeitsabläufe ist hoch.

Seit 2018 schneidet Lenggu Beiträge für Magazinsendungen wie „Defacto“ und „Service: Reisen“. Sie arbeitet eng mit den Journalist_innen zusammen, die ihr direkt am digitalen Schnittplatz das Konzept für den Beitrag präsentieren. Lenggus Aufgabe ist, für diese Idee eine passende Szenenfolge zu gestalten. Hinzu kommen weitere Arbeitsschritte, so legt Lenggu Ton und Musik parallel zu den Bildern an und setzt Effekte wie zum Beispiel Slow Motion.

Zuvor hatte Lenggu hauptsächlich aktuelle Nachrichtenformate geschnitten, meist Filmberichte von zwei bis fünf Minuten. „Hier ist der Stresspegel wesentlich höher. Das Zeitfenster bei den Nachrichten ist enger geworden, weil wir zusätzlich das Internet bedienen müssen.“ Aufgrund des Zeitdrucks spiele die Bildgestaltung eine geringere Rolle, es ginge eher darum, dass Cutter_innen das Bildmaterial technisch schnell umarbeiten. „Böse formuliert hat sich das Aktuelle zum bebilderten Hörfunk entwickelt“ meint Lenggu.

Für Lenggus Berufswahl war eigentlich gerade die kreative Seite des Filmschnitts ausschlaggebend. Ungewöhnlich, denn ihr vorheriger Berufsweg war rein technisch orientiert. Es begann 1979 mit einer Ausbildung zur Radio-und Fernsehtechnikerin – als erste Frau in Hessen. Nach einer zusätzlichen Ausbildung zur Elektronikerin qualifizierte sie der HR zur Bildtechnikerin. Sie kam vor allem in der Filmfarbkorrektur zum Einsatz. Lenggu gehört zur „Old School“, denn sie durfte noch mit Zelluloid arbeiten: 35mm-Kopien für den Spielfilm und 16mm für die Repor­tagen. Später kamen MAZ-Formate wie Betacam SP hinzu. Mit der technischen Entwicklung hin zum Digibeta und einem Programmausbau brauchte der Sender weitere Film- und Videoeditoren. Lenggu ergriff die Gelegenheit und schloss innerhalb des HR eine entsprechende Ausbildung ab. Seit zwanzig Jahren arbeitet sie nun in der Abteilung Cutterei. Von einem Männerberuf in einen typischen Frauenberuf? „Nein, seit der starken Technisierung im Schnitt arbeiten bei uns zur Hälfte Männer“, sagt Lenggu.

Die Entscheidung für diesen Beruf hat sie nicht bereut, denn nun kam neben ihrem kreativen Interesse ein weiteres zum Tragen: „Im aktuellen Schnitt ist es wichtig, dass wir politisch gut informiert sind“ sagt Lenggu und ergänzt: „Wir müssen im Aktuellen innerhalb kürzester Zeit als Dolmetscher fungieren, das heißt wir übersetzen das was der Autor sagen will in eine verständliche Bildsprache.“ Und dazu bedarf es einer guten Allgemein­bildung.

Im Jahre 2000 wurde Lenggu als ver.di-Mitglied in den Personalrat gewählt und ist dort bis heute aktiv. Sie widmet sich zurzeit vor allem den veränderten Workflows in der Produktion: Mehr parallele Arbeitsprozesse und ein höheres Arbeitsvolumen in weniger Zeit. Die schwierigen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten möchte sie unbedingt verbessern. Zuletzt engagierte sie sich auch für die Entwicklung einer Roadmap im HR: Freie Cutter_innen auf Honorarbasis, die weisungsgebunden arbeiten, erhalten nach und nach eine Festanstellung. Mittlerweile wurde dies bei Vielen umgesetzt, heute sind zwei Drittel in der Cutterei fest angestellt. Einige der Bewerber_innen hat Lenggu auf dem Weg dorthin beraten. „Ich habe mich mit den Lebensläufen der Kollegen beschäftigt und war überrascht, wie viele Quereinsteiger, sogar mit einem abgeschlossenen geisteswissenschaftlichen Studium, Cutter geworden sind.“

In der Zukunft möchte sie sich dem Generationenwechsel in ihrem Beruf widmen und Ansprechpartnerin auch für die jungen Kollegen_innen sein. „Für die Story eines Beitrags ist die Bildgestaltung ungeheuer wichtig. Die Jüngeren nehmen sich hier immer mehr zurück“, so Lenggu. Durch den heutigen Stress am Schnittplatz würden sie es gar nicht anders kennen, und zögen es gar nicht in Betracht, sich über das Technische hinaus kreativ einzubringen. „Das betrifft auch die jungen Autoren. Sie freuen sich, wenn wir ihnen dabei helfen, eine wirkliche Geschichte zu erzählen.“

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Leipzig: Rechtswidrige Durchsuchung

Ein 19-jähriger Journalist hatte im Juni vergangenen Jahres Fotos einer Antifa-Demonstration im Internet veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig durchsuchte daraufhin seine Wohnräume und beschlagnahmte mehrere Datenträger. Seine nachgewiesene journalistische Tätigkeit wurde dabei ignoriert. Das Landgericht Leipzig bezeichnet das Vorgehen nun als rechtswidrig.
mehr »

Fake oder Fiktion: Wer darf was?

Bei Fake News dreht es sich meist um Falschaussagen, Lügen, die als Journalismus getarnt sind oder Angriffe auf die Pressefreiheit. In der Literatur hat Wahrheit und Authentizität einen ganz anderen Stellenwert. Bei der Gesprächsrunde „Fake News oder Fiktion?“ auf der diesjährigen Buchmesse im Leipzig loteten die Teilnehmer*innen die Grenzen zwischen journalistischen und belletristischen Formaten aus.
mehr »