Betriebsrätin bei CinemaxX in Bielefeld

Betriebsrätin Kristin Müller vom CinemaxX in Bielefeld Foto: Michael Greve-Röben

Turnusgemäß werden auch in der Medienbranche noch bis zum 31. Mai die Interessenvertretungen gewählt. M stellt in den nächsten Wochen einige engagierte Betriebsräte vor. Kristin Müller ist eine von ihnen. Während ihres Studiums jobbte sie als Filmvorführerin und nun ist sie schon 23 Jahre lang Betriebsrätin im CinemaxX-Kino in Bielefeld. Bei der aktuellen Wahl kandidiert die Verdianerin wieder für den Betriebsrat – während sie gleichzeitig in der laufenden Tarifrunde am Verhandlungstisch sitzt. Ihre Motivation: „Missstände beseitigen!“ 

Kristin Müller hat einen 30-Stunden-Vertrag als Servicekraft und wird vom Arbeitgeber freigestellt für die Zeit, die sie für ihre Arbeit als Betriebsrätin braucht. „Wenn’s eng wird – etwa bei krankheitsbedingten Ausfällen“ – mache sie „eine Schicht im Service“, so etwa zehnmal im Jahr. „Das ist auch ganz schön, da ist man noch verwachsen mit der Arbeit und kann feststellen, wo etwas schiefläuft.“ 

CinemaxX ist ein Tochterunternehmen der international tätigen britischen Kinokette Vue mit 31 Häusern in Deutschland. Das Kino in Bielefeld wurde 1998 eröffnet und fusionierte mit vielen kleinen traditionellen Kinos, die nach und nach geschlossenen wurden. Die Studentin Kristin Müller arbeitete damals bereits in einem der kleinen Kinos als Filmvorführerin und wurde 1999 gleich in den gemeinsamen fünfköpfigen Betriebsrat gewählt. Als die Filmvorführung digitalisiert wurde, wechselte sie in den Service. Aktuell besteht der Betriebsrat aus drei Frauen und zwei Männern. Außer Kristin Müller sind noch zwei weitere ver.di-Mitglieder, zwei nicht gewerkschaftlich gebunden. 

Hohe Fluktuation ist eine „Herausforderung“

Das Kino hat 41 Beschäftigte, darunter 18 männliche. Nur wenige arbeiten hier schon so lange wie Kristin Müller. Etwa 70 Prozent der Belegschaft sind kürzer als fünf Jahre dabei und zumeist zwischen 18 und 21 Jahre alt. Die Fluktuation ist hoch, ein Drittel des Personals sind Studierende, die nach zwei, drei Jahren wieder aufhören. Da sei es „eine Herausforderung zu mobilisieren, ver.di-Mitglieder zu finden und gerade für Tarifverhandlungen ist das immer schwierig, da muss man dann halt gut argumentieren und sich sehr engagieren“. Die anderen zwei Drittel der Servicekräfte arbeiten in Teilzeit oder haben einen Minijob, während nur die Betriebsleitung Vollzeit-Stellen hat.

Der Betriebsrat tagt immer montags, nimmt Wochendienstpläne ab und versucht, Betriebsvereinbarungen zu bestimmten Themen zu schließen. Zurzeit gehe es um neue Dienstkleidung, erzählt Kristin Müller: „Diese langärmeligen weißen Hemden sind gerade im Sommer sehr warm, Flecken sieht man sofort und man kann auch nicht alle Nase lang das Hemd wechseln.“ Das sei ein Thema für die Betriebsratswahl, ansonsten habe das Gremium wegen Corona „nicht allzu viel umsetzen“ können, weil es sich lange wegen der Lockdowns mit Betriebsvereinbarungen zu Kurzarbeit beschäftigte: „Unser Arbeitgeber hat das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent aufgestockt und das im Gegensatz zu anderen Kinoketten die ganze Zeit durchgehalten und Studenten und Minijobber mitgenommen.“

Corona: Arbeitsschutz wieder oben auf der Agenda

Trotzdem hätten sie durch die Pandemie viel Personal verloren, berichtet Kristin Müller – wie andere Niedriglohnsektoren auch. So stellten Minijobber*innen und Studierende fest, dass sie plötzlich auf der Straße standen. Sie suchten einen anderen Job mit besserer Absicherung. CinemaxX habe zwar auch Studierende weiterbezahlt, die hätten das genutzt, um für ihren Studienabschluss zu arbeiten, wurden schneller fertig und „wir haben sie wieder verloren und wahnwitzig viel neues Personal gebraucht“. Während der Coronazeit tagte der Betriebsrat online und jetzt immer noch hybrid, so Kristin Müller, „weil unser Raum ja nicht so groß und mit fünf Leuten schon recht voll ist. Zwei sind vor Ort und drei per Videokonferenz zugeschaltet. So langsam können wir wieder raus, aber erstmal war es für uns so eine gewisse Sicherheit.“

Seit der Wiederöffnung seien Hygieneregelungen im Haus wichtiges Thema. Nachdem die Maskenpflicht wegfiel, trage nur noch die Hälfte der Kinobesucher*innen einen Mund-Nasen-Schutz. Bei den Kolleg*innen seien es weit mehr und die bekämen jetzt auch FFP2-Masken vom Arbeitgeber gestellt. „Wir hatten große Diskussionen im Betriebsrat, ob wir eine Maskenpflicht übers Hausrecht durchsetzen wollen, aber insgesamt war’s für die Kollegen nicht zumutbar, immer wieder diese Streitgespräche zu führen.“ Etwa zehn Gäste pro Tag würden einen „Streit vom Zaun brechen. Ein Kollege in der Betriebsleitung, der mal als Mediator arbeitete, hat dann Ansprachen geübt. Irgendwann hat man’s gleich an die Betriebsleitung weitergegeben.“ Durch die Auseinandersetzung mit den Gästen sei auch ein Thema wieder akut geworden, das schon lange auf der Agenda des Betriebsrats steht: Arbeitsschutz – Gesamtbeurteilung für psychische Gefährdung. Das stehe nun für die nächste Wahlperiode an, genauso wie eine Betriebsvereinbarung zum Dienstplan, der seit über zehn Jahren unverändert sei. 

Betriebsratswahl: Tarifrunde kann vorteilhaft sein

„Das Wahlausschreiben hängt seit über einer Woche, ich habe jetzt gerade angefangen, eine Vorschlagsliste zu machen“, erzählt Kristin Müller. Im Hause sei es bisher so, dass „der Betriebsrat eine Liste vorbereitet, in die sich jeder, der möchte, eintragen kann“. Letztes Mal habe es 13 Kandidat*innen für die fünf Posten gegeben. Die Bewerber*innen können sich am 12. Mai auf einer Betriebsversammlung vorstellen und erzählen, was sie vorhaben. Danach finden zwei Wahlversammlungen statt und am 25. Mai werden die Stimmen ausgezählt.

Die Betriebsratswahl fällt diesmal zusammen mit den Tarifverhandlungen. „Das ist für mich und meine Kollegin wohl vorteilhaft, da wir in der ver.di-Tarifkommission sind und bei Betriebsversammlungen berichten können. Es kommt drauf an, wie’s läuft“, so Kristin Müller, aber man sei stärker im Gespräch mit den Kolleg*innen. Inzwischen gibt es eine Einigung zum Entgelt, das mit 12,10 Euro über dem zukünftigen Mindestlohn liegt und für die zehn Prozent Altbeschäftigten mit 13 bis 13,50 Euro später eine armutsfestere Rente sichert. Nun geht es noch darum, den Entgeltrahmentarifvertrag, in dem Berufsgruppen und ihre Tätigkeiten beschrieben werden, klarer zu formulieren, damit gleiche Aufgaben auch gleich entlohnt werden. Neu aufgenommen werden solle der „Teambuddy“, der nur für die Einarbeitung von neuem Personal zuständig ist, aus dem Service kommt und sich in allen Bereichen auskennt. 

Seit gut sechs Jahren ist Kristin Müller auch Sprecherin im Wirtschaftsausschuss des Gesamtbetriebsrates und damit „Bindeglied zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat“, muss beide Seiten informieren und zwischen den Interessen vermitteln, „was nicht immer so einfach ist“, bekennt sie. Der britischen CinemaxX-Mutter Vue gehe es nach der Pandemie wirtschaftlich schlechter als den deutschen Kinos, aber die müsse “Lohnerhöhungen abnicken“. Im Wirtschaftsausschuss seien sie ein „gutes Team“. Ihr mache es Spaß, Präsentationen vorzubereiten, auf Betriebsversammlungen zu sprechen, sich über den Filmmarkt zu informieren. Nach Attraktivität der Filme werden die Stundenkontingente der Kinobeschäftigten verteilt und damit beeinflussen die Besucher*innenzahlen auch die Dienstpläne, die der Betriebsrat wöchentlich abnimmt. So ergänzen sich Kristin Müllers verschiedenen Tätigkeiten: Verstehen und vermitteln ist das, was ihr daran Freude bereitet: „Ich mag verstehen, was eigentlich passiert und auch schauen, was man verbessern kann.“

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