Deutsch-polnisches Journalistinnentreffen in Slubice
Rot und weiß waren die Farben, die der Journalistinnenbund (JB) für die Einladung zu seiner 17. Jahrestagung gewählt hatte. Ein passendes Design für das Treffen in Polen, das im Collegium Polonicum in Slubice, der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder) im Juni stattfand.
Die alte Legende aus Krakau: „Warum Wanda in die Weichsel sprang“ stand Patin für das Treffen der rund 120 Journalistinnen, von denen etwa jede vierte aus Polen stammte. Danach wollte die polnische Prinzessin Wanda lieber ins Wasser gehen, als einen preußischen Markgrafen zu ehelichen … Nicht nur was das Heiraten angeht, haben sich die Zeiten geändert. Dennoch gibt es noch immer Vorbehalte gegenüber den Nachbarn auf beiden Seiten der Oder. Angst und Unwissen, so ein Fazit der Tagung, spielen eine wichtige Rolle dabei.
Zum Auftakt Stereotypen: Die Künstlerin und Journalistin Anna Krenz, die in Posen geboren wurde und in Berlin lebt, geht sie direkt an. „Polish Wife? Discounts available“, heißt es auf ihrer Website. In Slubice stellte sie Bilder einer „typisch“ polnischen Frau aus, blond und gottesfürchtig, allzeit bereit mit Kehrblech und Bibel. „Kann Polen am Verkauf von gut gepflegten und schönen Ehefrauen verdienen?“, fragte sie. Per Mausklick kann eine Polin geordert werden.
Unter den jungen Journalistinnen gibt es inzwischen eine ganze Reihe Expertinnen für deutsch-polnische Vorurteile und Unterschiede, die auch beide Sprachen perfekt beherrschen. Zum Beispiel Katrin Lechler (30), die gerade ihr Volontariat bei der Märkischen Oderzeitung (MOZ) abgeschlossen hat. Sie studierte in Warschau und in Frankfurt (Oder). Oder Ewa Bielewicz-Polakowska, seit 1998 Öffentlichkeitsreferentin beim Collegium Polonicum: „Ich war eine der ersten, die an der Viadrina Kulturwissenschaften studiert haben“. Praktikum machte sie u.a. bei der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam.
Frauenbild unter der Lupe
Ans „Eingemachte“ ging es, als die Journalistinnen das Frauenbild in der polnischen Gesellschaft unter die Lupe nahmen: Gilt doch literarisch und historisch jenseits der Oder die Frau als „Mutter Polens“, die Ehre und Bürde der Verantwortung für Gesellschaft und Nachkommen wahrzunehmen hat, und die während der Mangelwirtschaft sprichwörtlich als diejenige galt, die sogar das knappe Klopapier organisieren konnte. Für die eine wichtige historische Referenz auch zum Thema Widerstand unter dem Kommunismus, für die andere ein alter Zopf, den es abzuschneiden gilt. Mit der feministischen Analyse frauenfeindlicher Medienberichte in Polen durch die Warschauer Amerikanistin Agnieszka Graff wussten die Teilnehmerinnen der abschließenden Podiumsdiskussion jedoch nur wenig anzufangen. Unter Leitung von Helga Kirchner, der Chefredakteurin des WDR-Hörfunks, richteten sie ihren „Blick über die Oder“ vielmehr auf das polnisch-deutsche Verhältnis insgesamt.
Pessimistisch äußerte sich Anna Rabinowicz, 1965 in Warschau geboren, seit fünf Jahren Berliner Korrespondentin der größten polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Die Germanistin vermisst den Dialog und beklagte die Hysterie auf beiden Seiten, zum Beispiel in der Debatte um das Zentrum gegen Vertreibungen. Sie sehe derzeit keine Möglichkeit, den Pegel der Auseinandersetzung zurückzuschrauben und das Vertrauensdefizit abzubauen: „Wir reden nicht miteinander, sondern brüllen uns an.“
Dorota Kerski, 1964 in Posen geboren, heute in der polnischen Redaktion von Radio Multikulti (RBB) und Deutschlandkorrespondentin für Radio France Internationale, stimmte der Kollegin zu: die Debatte der wissenschaftlichen und politischen Eliten sei zwar auf ausgewogenem Niveau, aber in manchen Medien gebe es Hetze.
Wenig Wissen über Polen
Einer der Schwerpunkte von Helga Hirsch (Jahrgang 1958), von 1989 bis 1995 Korrespondentin der Zeit in Warschau und seither als freie Autorin schreibend, ist die Vertriebenen-Debatte. Das Wissen über Polen, betonte sie, sei marginal, nur wenige Deutsche etwa wüßten zum Beispiel von der folgenschweren Teilung des Landes durch Friedrich II. Linke Intellektuelle führen eher in die USA als nach Polen und wollten mit dessen Katholizismus und Antisemitismus lieber nichts zu tun haben: „Welches Trauma welche Rolle spielt, darüber lese ich praktisch nichts.“
Am Alltagsleben in Polen sei das Interesse der Deutschen hingegen gestiegen, bekundete ARD-Korrespondentin Annette Dittert. Polnische Innenpolitik jedoch sei kaum zu vermitteln. Die meisten Zuschriften für ihre Fernsehbeiträge erhalte sie aus zwei Lagern – Kritik von „ewigen Vertriebenen“, die sich u.a. darüber beklagten, dass sie Ortsnamen auf Polnisch nenne, sowie „Fanpost“ von Menschen, die aufgrund der Berichterstattung nach Polen gefahren seien und begeistert waren.
Zu einer Pressereise nach Polen, eventuell in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, könnte in Zukunft auch die eine oder andere JB-Frau aufbrechen. Denn das schien bei der am Rande der Tagung stattfindenden Mitgliederversammlung das inspirierendste Projekt zu sein, neben der kontinuierlichen Medienbeobachtung und kleineren Satzungsänderungen sowie Berichten aus den zahlreichen Arbeitsteams wuchs das Interesse am Blick nach Osten.
Links:
www.journalistinnen.de
www.annakrenz.net/polishwife/menu.html
www.rbb-online.de/kowalskitrifftschmidt